Andrew Taylor Still - Das große Still-Kompendium

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Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917) hat vor rund 100 Jahren in vier Büchern das theoretische Fundament für die Osteopathie gelegt. Im gegenwärtigen Boom der Osteopathie in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist es daher umso wichtiger, den praktizierenden Osteopathen eine deutschsprachige Gesamtausgabe dieser geradezu epochalen Werke zur Verfügung zu stellen.
Sie lernen das Leben und die Gedanken eines Mannes kennen der – ähnlich wie Samuel Hahnemann – seiner Zeit weit voraus war. Als die meisten seiner Zeitgenossen noch überwiegend theoretischen Denkmodellen anhafteten, die sie oft auf brutale Art und Weise in der Praxis umsetzten, entschied sich Dr. Still einen eigenen praxisnahen und patientenfreundlichen Weg zu gehen. Auf Grund seiner einzigartigen Naturbeobachtungen und intensiven Anatomiestudien, seiner religiösen Grundhaltung und getrieben durch den Tod drei seiner Kinder, entwickelte er das faszinierende Konzept der traditionellen Osteopathie.
Dieses Kompendium bietet einen tiefen Einblick in die Seele der Osteopathie und in das Denken eines Mannes, der schier übermenschliche Kämpfe mit sich und seinen Mitmenschen auszutragen hatte, bis das Fundament der Osteopathie errichtet war und sich mit rasendem Erfolg über Amerika ausbreitete.
Vorworte von James J. McGovern, Ph.D., President Kirksville College of Osteopathic Medicine, Kirksville, Missouri, U.S.A.
Als Einstieg in das Kompendium empfehlen wir Ihnen Carol Trowbridges deutschsprachige Biographie über Dr. Still (3-936679-62-2). Medizinhistorisch von allerhöchstem Wert, lernen sie neben Stills Leben v.a. das Amerika des 19.Jhdt., fern ab der großen Städte des Ostens kennen. Diese Biographie ist der «seelische» Schlüssel zu Stills werken, denn sie ermöglicht ein noch tieferes Verständnis für die Wurzeln der Osteopathie.

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Lasst uns den Menschen und seinen Schöpfer untersuchen und sehen, ob wir herausfinden, dass Er einen Fehler begangen hat. Bis dahin behaltet Eure Brechwurzel mit ihrer Musik in Eurer Tasche.

Einige Leute denken Osteopathie ist ein ‚Massagesystem‘, andere glauben, es ist eine ‚Vertrauensheilung‘. Ich selbst ‚vertraue‘ nicht, ich möchte mich nur auf die Wahrheit berufen. Eine andere Gruppe denkt, sie ist eine Art magnetisches Powwow 94. Nichts davon trifft zu, sondern sie basiert auf einem wissenschaftlichen Prinzip. Wenn diese elektrischen Lichter auf einem wissenschaftlichen Prinzip beruhen, muss es sich um geliehenes Kapital handeln. Von welcher Maschine ist es entliehen? Ich glaube, die Ursache des ersten entsprechenden Gedankens ist in der Betrachtung des menschlichen Gehirns mit zwei Lappen zu finden, die Empfindung und Bewegung enthalten. Wenn diese beiden Lappen zusammengebracht werden, haben wir den positiven und negativen Pol der Elektrizität. Auf der Grundlage dieses Prinzips begann Dr. Morse seine Untersuchungen und stellte uns das erste Prinzip der Telegrafie vor. Andere herausragende Elektriker sind demselben Gedanken gefolgt. Sie haben ebenfalls herausgefunden, dass die Elektrizität liefernde Batterie aus entgegengesetzten Elementen bestehen muss. Die Teile in den entgegengesetzten Polen der Batterie müssen zusammengebracht werden. Woher haben die Elektriker diese Prinzipien? Sie werden durch das Gehirn mit seinen zwei Hälften nahe gelegt. Die Elektrizität fließt durch den ganzen Körper. Wenn das Rückenmark zerstört ist, steht die Bewegung still. Nehmen wir die Lichter im Zentrum dieses Raumes als Rückenmark. Indem wir die Lichter ausschalten, stellen wir einem schließenden Menschen, einem Osteopathen, der vorsichtig genug ist, nicht hinauszugehen, bevor er irgendetwas weiß, ein Beispiel für Lähmung vor und zeigen ein Prinzip, einen Grund, eine Grundlage, auf die er bauen kann. Ich will Euch zeigen, dass die Wirbelsäule alle anderen Körperteile innerviert. Sie unterstützt das Leben in der ganzen Maschine.

(Demonstration mit elektrischem Licht. Die Lichter im Zentrum gehen aus.) Während diese Lichter ausgeschaltet sind, versucht Ihr vielleicht sie durch das Herumtasten an der Hausecke, durch das Hineinstecken von Holz in den Kamin oder etwas anderes wieder in Gang zu bekommen. Wird das etwas nützen? Würde ein intelligenter Elektriker, der das ABC seiner Profession beherrscht, erwarten, dass das Licht durch diese Maßnahmen wieder angeschaltet wird? Wenn ich einen 35-jährigen Sohn hätte und er nicht mehr kannte als die menschliche Maschine anzupassen, würde ich ihm einen Aufpasser zur Seite stellen und ihn dazu anhalten die Spritze des vernünftigen Schließens in beide Hälften seines Kopfes zu injizieren. Nur durch ein einziges Prinzip kann diese Lähmung geheilt werden: die Drähte der Batterie, durch welche die Elektrizität fließt und die nun unterbrochen sind, wieder gängig zu machen. Ein Osteopath kann das. (Das Licht geht wieder an.)

Wo ist der Philosoph, der aufsteht und so wenig Verstand im Zeitalter der Elektrizität zeigt, dass er hier hereinkommt und sagt: Dies ist der größte Unsinn auf Erden? Die rechte Hand des Gottes des Universums ist mit uns, wir senden das Licht weiter und weiter in die Welt. Ich nehme an, wenn ich das aktive Erdenleben verlassen habe, werde ich jede Woche einmal vorbeikommen und sehen, was die Osteopathie so macht. Ich möchte sehen, ob sie vom Angesicht der Erde verschwindet. In früheren Zeiten wussten die Leute nichts über Medizin und lebten lange Zeit. Je weniger sie davon wussten, desto besser aßen und desto länger lebten sie.

Unsere Arbeit hier im Krankenhaus besteht darin, die Wirkungen der Medizin zu überwinden. Neun Zehntel der hier eintreffenden Fälle sind bereits an vielen Stellen ihres Körpers verrenkt und belastet, und damit das schmutzige Haus, in dem die menschliche Seele wohnt, gereinigt werden kann, müssen zunächst die Nerven der exkretorischen Organe stimuliert werden. Was finden wir? Wir finden eine unzureichend funktionierende Leber, wir finden angeschlagene Lungen, wir finden Steine in der Gallenblase. Wir gehen ein wenig tiefer zu den Nerven, Venen und Arterien der Nieren. Sie funktionieren nicht. Wir gehen weiter hinunter zur Harnblase und finden etwas darin. Was finden wir? Steine. Beweise der gedankenlosen Dummheit des Menschen, der seine Organe in Lehmproduzenten zu verwandeln glaubt, indem er Medizin nimmt. Ein paar Dosen Kalomel und die Zähne fallen aus. Jeder im Auditorium hat das Recht die Hand zu heben und zu sagen, dass ich Unrecht habe, dass ich irgendetwas sage, was nicht stimmt. Ich kämpfe für Gott und bin bereit, dieser Frage rechtwinklig ins Gesicht zu schlagen. Ich bin hier, weil ich glaube, die direkte, ungeschminkte Wahrheit zu sagen. Damit der Mensch versteht, muss er etwas tun. Der Patient kann verstehen, dass er etwas tun muss. Er muss wissen, ob er Rückenschmerzen hat oder nicht. Er versteht genug, um zu wissen, ob er eine Stunde Rückenschmerzen hat und die nächste nicht – was ihn glücklich macht. Ein Osteopath muss die Form und Lage jedes Knochens im Körper kennen, ebenso jedes Band und jeden anknüpfenden Muskel. Er muss das Nerven- und das Blutangebot kennen. Er muss das menschliche System wie ein Anatom verstehen, und darüber hinaus auch vom Standpunkt eines Physiologen aus. Er muss die Form und die Arbeit des Körpers begreifen. Dies ist in Kurzform, was ein Osteopath können muss. Natürlich könnt Ihr mit ein bisschen osteopathischem Wissen einiges machen, ohne dabei zu wissen, warum es funktioniert. Bevor Ihr aber in die Welt hinausgehen und den Kampf kämpfen könnt, müsst Ihr die menschliche Anatomie und die physiologischen Gesetze beherrschen. Unser Anatom unterrichtet Anatomie seit vier Jahren und selbst wenn er heute Abend nicht hier wäre, würde ich behaupten, dass seine Qualifikation in Anatomie durch niemanden, den ich auf meinen Reisen durch Amerika getroffen habe, übertroffen wird. 95Er kann Euch über Anatomie alles erzählen, was Ihr wollt. Er beschäftigt sich mit Anatomie und er kennt sie. Es liegt nicht daran, dass er pfiffiger ist als andere, aber er beschäftigt sich damit, seit er sich mit der Konstruktion der menschlichen Maschine und ihrer Arbeit auseinandersetzt. Ich glaube nicht, dass ein einzelner Mensch alles darüber wissen kann. Es ist genug für jeden da zum Lernen. Wenn jemand hierher kommt, um Unterricht zu erhalten, nimmt er seine Sache ernst, vorausgesetzt, er ist kein Betrüger und kommt mit der Intention, sich ein bisschen Wissen anzueignen und dann auszuziehen und die Leute zu betrügen. Wenn er aber bei der Wissenschaft bleiben und alles Gute in ihr mitbekommen will, handelt es sich um eine ernste Angelegenheit und sollte so ernst genommen werden, wie die Wahl eines Mädchens zur Ehefrau oder wie das Gebet, bevor man gehängt wird. Wenn jemand nicht gelernt hat, dass es zehntausende Räume im menschlichen Körper gibt, die bisher noch nicht ausreichend erforscht sind, wird er nicht sehr weit kommen. Aber er kann auch einen großen Sprung machen, wenn er will. Ein Mensch kann das ABC und das Konjugieren griechischer Verben lernen, und er hat einen Sprung gemacht. Genauso kann er in der Anatomie springen; wenn er hier herauskommt und Dir sagt, dass er nach weniger als zwei Jahren die Wissenschaft der Osteopathie in ihrer Tiefe gänzlich, oder zumindest eine respektable Menge davon verstanden hat, springt er ein bisschen.

Wir sind in einer besonderen Situation. So viele Menschen leiden, und es gibt nichts anderes zu Hause als Medikamente und Zugpflaster, sodass sie inzwischen selbst unsere Jüngsten bitten zu kommen und sie zu behandeln. Sie machen ihnen verlockende Angebote und bitten uns, sie gehen zu lassen. Bevor diese Klasse begann, versuchten wir den Leuten so gut wie möglich gerecht zu werden. Ich sage Euch aber: Der osteopathische Philosoph wird erst nach 24 Monaten geboren. Ein neunmonatiger Reifungsprozess macht keinen Osteopathen. Erst nach einem Reifungsprozess von zwei Jahren gelingt es und dann seid Ihr noch Anfänger. Selbst hier, wo Professor Blitz aus London in England sagt, dass wir die besten klinischen Voraussetzungen auf der ganzen Erde haben, die besten Möglichkeiten die Anatomie zu verstehen, ist es den besten und kompetentesten Maschinisten nach zwei Jahren lieber, wenn ich die schwersten Lasten trage, ebenso wie ein junger Mann dem Vater das schwere Ende des Baumstammes überlässt, weil seine Schulter die härtere Haut aufweist.

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