Evangelische Pfarrer
und Pfarrerinnen
erzählen
Herausgegeben von
Matthias Geist und
Maria Katharina Moser
Cover
Titel Evangelische Pfarrer und Pfarrerinnen erzählen Herausgegeben von Matthias Geist und Maria Katharina Moser
Wege zur evangelischen Herzensbildung
Vorwort der Herausgeber
Der Kirchenwechsel – eine Chance für die Ökumene?
Michael Bünker
Ökumene XL – oder: Wie mich zwei Kirchen durch mein Leben begleiten
Klaus Niederwimmer
Allein aus Gnade
Stefan Fleischner-Janits
In Beziehung mit: Gott – Mensch – Bibel
Martin Schlor
Selbst ausgesucht?
Gregor Schwimbersky
Suche nach einer geistlichen Heimat
Bernhard Petri-Hasenöhrl
Der Zeit voraus, eingeholt vom Streit zwischen gestern und vorgestern
Wolfgang Lutz
Was da gewachsen ist
Anneliese Peterson
Konversion – um der Liebe willen
Johanna Lein
Die Fragen leben
Andreas Fasching
Nach Hause gekommen
Maria Katharina Moser
Konversion und ihre Erforschung – historisch betrachtet
Maria Diemling
Weiterführende Literatur
Bildnachweis
Weitere Bücher
Impressum
Wege zur evangelischen Herzensbildung
Vorwort der Herausgeber
Die evangelischen Kirchen in Österreich sind erfrischend jung – auch nach 500 Jahren Reformation, die sie 2017 feiern. Sie haben ihren Geist immer wieder neu gefunden – in Geschichte und Gegenwart. Sie haben sich an äußeren Einflüssen und Machtspielen gerieben, haben sich aber nicht zerreiben lassen. Sie haben in den verschiedenen Regionen Österreichs unterschiedliche Akzentuierungen ausgebildet, weil sie spezifische Ideen einzelner Menschen aufgegriffen haben, ohne sie zu „Heiligen“ zu stilisieren. Und: Sie haben ihren reformatorischen Charakter wach gehalten, indem sie – gerade auch in jüngster Vergangenheit – Personen mit dem geistlichen Amt betraut haben, die mit Haut und Haar eine ganz persönliche, existenzielle Reformation erlebt haben. Konversionen haben für die Evangelischen in Österreich eine vielfältige kirchen- und mentalitätsgeschichtliche Bedeutung. Konvertierte beleben die Kirche und ihre Entwicklung.
Das vorliegende Buch wirft ein Schlaglicht auf diesen Prozess: Acht Pfarrerinnen und Pfarrer im aktiven Dienst erzählen von ihrer Konversion von der römisch-katholischen zur evangelischen Kirche A. B. in Österreich. Unter diese positiven Beispiele bewusst und eigenverantwortlich gestalteter religiöser Identitätsbildung mischen sich zwei mit Zwang behaftete Geschichten: die Geschichte eines katholisch getauften Ehepartners einer evangelischen Pfarrerin und die Geschichte einer katholisch getauften Ehepartnerin eines evangelischen Pfarrers. Beide sahen sich in den 1980er-Jahren vor die Wahl gestellt: Entweder ich konvertiere oder mein evangelischer Partner/meine evangelische Partnerin muss sein/ihr Amt aufgeben.
Wir haben diese autobiografischen Texte nach dem Konversionsalter gereiht. Der älteste Konvertit, der in diesem Buch von seinen Erfahrungen erzählt, ist mit 19 evangelisch geworden; die jüngste Konvertitin war 39, als sie übergetreten ist. Eingeleitet werden die in erster Person erzählten Beiträge von Michael Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, der nach der Bedeutung von „Konvertiten im Pfarramt“ in den Fußstapfen Martin Luthers fragt. Die Historikerin Maria Diemling rundet den Band mit einem Überblick über die Entwicklung der Konversionsforschung sowie über die Geschichte der Konversion in Österreich mit Fokus auf den Protestantismus ab.
Egal, ob sie einem inneren Impuls oder Druck von außen folgten – die persönlichen Konversionsgeschichten in diesem Band erzählen, was Evangelisch-Sein bedeutet. Lebensnahe legen sie reformatorische Theologie aus. Sie zeigen, dass sich evangelischer Glaube einer statischen Definition entzieht. Evangelische Identität ist kein Produkt verstaubter dogmatischer Lehrgebäude (fides quae creditur). Sie vollzieht sich dynamisch (fides qua creditur) und fordert stetige Entwicklung, bleibt also im Wandel begriffen und „jung“. In den Beiträgen wird der Weg einer evangelischen Herzensbildung – direkt aus dem Evangelium heraus – sichtbar.
Damit wird auch eine „Kulturbedeutung des Protestantismus“ sichtbar: der „religiöse Individualismus der persönlichen Glaubensüberzeugung“ (Ernst Troeltsch). Will heißen: Menschen glauben heute nicht mehr automatisch. Auch wenn nach wie vor viele Menschen in eine bestimmte Glaubensgemeinschaft hineingeboren und in ihr sozialisiert werden – sie haben die Möglichkeit, beim Glauben ihrer Kindheit zu bleiben oder sich einer anderen Glaubensgemeinschaft anzuschließen oder die säkulare Option zu wählen. Die Signatur des heutigen „Glaubens als Option“ (Hans Joas) wurzelt auch in der Reformation. Freilich wollten die Reformatoren den Glauben des Individuums nicht der Beliebigkeit anheimstellen. Sie haben ihn strikt auf die Bibel bezogen gedacht. Daher sollten auch alle Menschen die Bibel lesen können. Sowohl die Übersetzung der Bibel ins Deutsche und in andere Muttersprachen als auch der hohe Bildungsanspruch der evangelischen Kirchen liegen hier begründet. Glaube soll gebildeter Glaube sein. Für Evangelische ist es wichtig, dass Menschen bedenken und verstehen, was und warum sie glauben.
Die Mündigkeit der einzelnen Christin und des einzelnen Christen hat ihren Grund in der „Freiheit des Christenmenschen“ und in der Unmittelbarkeit, in der die Person vor Gott steht. Was das konkret bedeutet bzw. bedeuten kann, davon erzählen die vorliegenden autobiografischen Texte.
Matthias Geist und Maria Katharina Moser
MATTHIAS GEIST, geboren 1969 in Salzburg; aufgewachsen in Pfarrhäusern in Oberösterreich und Kärnten; Studium der Mathematik und der evangelischen Theologie in Wien; Assistent am Institut für Systematische Theologie (1992 – 2000), daneben Vikariat in Wien-Landstraße; seit 2001 Gefängnisseelsorger in den Wiener Justizanstalten; Ausbildung zum Supervisor, Lehrbeauftragter an der Strafvollzugsakademie.
MARIA KATHARINA MOSER, geboren 1974; studierte zunächst katholische Theologie in Wien und interkulturelle Frauenforschung in Manila; war in der katholischen Jugendarbeit und Erwachsenenbildung sowie an der Universität und sieben Jahre in der Religionsabteilung des ORF tätig, bis sie sich entschied, zu konvertieren und evangelische Pfarrerin zu werden.
Michael Bünker
Der Kirchenwechsel – eine Chance für die Ökumene?
War Martin Luther evangelisch? Ich bin davon überzeugt und muss es doch zugleich verneinen. Wenn „evangelisch“ meint, dem Evangelium Jesu Christi verpflichtet zu sein, dann war er es bestimmt. Nichts anderes sollte seiner Meinung nach in der Kirche den Ton angeben. Aber „evangelisch“ im Sinne einer Konfessionszugehörigkeit war er natürlich (noch) nicht. Die Konfessionalisierung war eine Folge der Reformation, die sich im Laufe des Lebens und Wirkens Martin Luthers abzeichnete, aber noch nicht zur vollen Ausprägung gekommen war.
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