Claudia Mönius - Religion ohne Kirche

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Wie Religion heute praktiziert und vielfach missbraucht wird, benötigt sie eine Revolution, so die Autorin Claudia Mönius. Daher beschreibt sie in ihrem Buch eine Art Reformation des Glaubens, ohne das viel strapazierte Wort zu bemühen. Vielmehr liegt es ihr am Herzen, dem Bestehenden eine neue Gestalt zu geben. Es geht nicht darum, den christlichen Glauben neu zu erfinden. Vielmehr soll die großartige Ursprungsidee dieses Jesus von Nazareth aufgegriffen und so wiederbelebt werden, dass ihr tiefer Sinn und ihre heilsame Wirkung in unserer heute oft von Angst und daraus resultierenden fundamentalistischen Tendenzen bestimmten Gesellschaft wieder erfahrbar werden.

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Für Thomas Copyright Claudius Verlag München 2020 wwwclaudiusde Alle - фото 1

Für Thomas

Copyright © Claudius Verlag, München 2020

www.claudius.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Umschlaggestaltung: Weiss Werkstatt, München

Layout: Mario Moths

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2020

ISBN 978-3-532-60058-0

INHALT

Ein Wort vorab

Religion als Wurzel allen Übels?

9,5 Thesen für ein erneuertes Christentum

1.Wir besinnen uns auf unseren Religionsstifter.

2.Es gibt nur eine Konfession.

3.Wir brauchen kein Weihesakrament.

4.Wir leben echte Geschlechtergerechtigkeit.

5.Verschiedene Lebensformen stehen gleichberechtigt nebeneinander.

6.Religion ist klug und sinnlich.

7.Entwicklungshierarchien ersetzen Machthierarchien.

8.Wir lassen das duale Weltbild los.

9.Religion wirkt aus dem Verbundenheitserleben heraus gestaltend in die Welt hinein.

9,5.Diese neun Thesen sind nicht in Stein gemeißelt.

Sieht denn keiner, dass der Bischof keine Kleider anhat?

Epilog

Dank

Literatur

Anmerkungen

Ein Wort vorab

Die Idee zu diesem Buch entstand in der Zeit nach der Veröffentlichung der von der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Auftrag gegebenen Studie mit dem sperrigen Titel „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“, nach den Standorten der Institute der beteiligten Wissenschaftler*innen, Mannheim, Heidelberg und Gießen, kurz „MHG-Studie“ genannt. 1Die Inhalte der Studie überraschten mich nicht. Als Betroffene von sexuellem Missbrauch durch einen Priester bin ich in den vielen Jahren der not-wendigen Aufarbeitung tief hinabgestiegen in die Abgründe des Männerbundes Katholische Kirche. Un-er-träglich aber sind für mich die Lippenbekenntnisse der Kirchenoberen, die sich bestenfalls in Reförmchen verlieren, statt das Übel an den Wurzeln zu packen und die unübersehbaren Zusammenhänge von sexualisierter Gewalt und dem Missbrauch klerikaler Macht anzuerkennen und ernsthaft zu bearbeiten.

Dies ist kein Buch über Missbrauch und auch keines über die haltlosen Zustände in den christlichen Kirchen oder anderen Religionsgemeinschaften. Ich erzähle davon nur so viel, wie als Begründung für meine Auffassung einer dringend notwendigen Erneuerung nötig ist. Um einen Sumpf trockenzulegen, braucht man ihn nicht noch mit Aufmerksamkeit wässern. Deshalb habe ich das Buch in zwei Teile gegliedert: Der zweite, kürzere Teil beschreibt die Zustände, wie ich sie wahrnehme und für zwingend reformbedürftig halte. Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir uns der Realität des Ist-Zustandes stellen, so unangenehm die Auseinandersetzung damit auch ist. Ursprünglich sollte das Buch mit diesem Teil beginnen. Ich hatte zunächst die kirchlichen Missstände beschreiben und dann übergehen wollen zu meiner Vision von einem spirituellen Leben im Christusbewusstsein und einer für mich wünschenswerten lebendigen Religionsgemeinschaft. Doch als ich wahrnahm, wie mich die Beschreibung dieser schlimmen Zustände energetisch schwächte und dass sich der Hebel hin zum Neuen und Freudvollen nur schwer umlegen ließ, beschloss ich, die Zukunftsthesen voranzustellen und den kirchlichen Sumpf hintan. Wenn wir uns zu sehr beim Thema Kirche und den damit verbundenen Missständen aufhalten, verlieren wir leicht den Zugang zu der Vorstellung, wie sich Glaube und Spiritualität anders anfühlen könnten.

Das ist das Problem unserer und, wenn wir nicht schleunigst etwas anderes vorleben, der nachfolgenden Generationen: Wir verbinden die christliche Religion so sehr mit den kirchlichen Machtstrukturen, dass wir größtenteils auch mit der Ursprungsidee nichts mehr zu tun haben wollen. Dieses Problem erzeugt Kirche selbst und hält es in ihrem sturen Beharren auf überkommenen Positionen aufrecht. Solange die Vertreter dieses Systems weiterhin das Monopol beanspruchen für die Weitergabe des christlichen Glaubens und die Art, wie er auszugestalten sei, werden sich immer mehr Menschen kopfschüttelnd abwenden. Von Kirchenvertretern wird oft der in unserer Gesellschaft vorherrschende Trend zur Individualisierung beklagt. In religiöser Hinsicht war diese Emanzipation bitter notwendig, um aus dem engen Korsett der Normen und Vorschriften auszubrechen, den der kirchliche Machtapparat, egal welcher Konfession, im Lauf der Jahrhunderte zur Perfektion brachte. Diese Ketten zu sprengen war ein echter Befreiungsschlag, allerdings mit weitreichenden Folgen, die uns vielleicht nicht nur guttun. Machen wir uns nichts vor: Die Mehrheit der aufgeklärten Menschen in unserer westlichen Welt interessiert sich keinen Funken mehr für das, was Kirche ihnen vorschreiben will. In einer TV-Talkshow rutschte mir einem Bischof gegenüber heraus: „Ihr macht unsere Religion kaputt!“ In BILD online brachte es dieser emotionale Ausbruch zum „Zitat des Tages“, eine zweifelhafte Auszeichnung, die mich nachdenklich macht: Wo liegt der Grund für den medialen Applaus? Vermutlich spürten auch die Medienvertreter die darin enthaltene Wahrheit: Der klerikale Machtapparat in seiner Erstarrung und Verkommenheit trägt dazu bei, dass Menschen sich zugleich auch von der eigentlich so segensreichen und wohltuenden Religion abwenden. Diejenigen, die die Mühe auf sich nehmen, Glaube, Religion, Christentum und Kirche auseinanderzusortieren, finden oft zu einer freudvollen, lebendigen Spiritualität mit unmittelbaren Christusbegegnungen und Gotteserfahrungen zurück. Dabei gehen viele von ihnen ihren Weg mutterseelenallein, meist nur begleitet von guten Büchern und, mit etwas Glück, von der ein oder anderen Freundin, mit der sich über etwas anderes reden lässt als über die letzte Urlaubsreise oder die neuesten Errungenschaften in Haus und Hof. Jetzt aber ist es an der Zeit, allmählich aus den Löchern zu kriechen und sich wieder zusammenzutun, um intensiven Austausch zu pflegen, tragfähige Gemeinschaften zu bilden und miteinander neue Wege zu gehen – auf einer alten, aber ungebrochen aktuellen Basis, nämlich dessen, was uns dieser Jesus Christus an heilsamen und freudvollen Botschaften gebracht und hinterlassen hat. Wenn dieses Buch einen kleinen Beitrag dazu leistet, hat es seinen Sinn erfüllt.

Im Februar 2020

Claudia Mönius

Religion als Wurzel allen Übels?

Anders als zu Luthers Zeiten brauchen wir heute keine ausschweifenden 95 Thesen, um den Kern einer erneuerten Religion zu beschreiben. Es genügen wenige markante Eckpunkte, die für Menschen auf der Suche nach einer lebbaren Spiritualität in Gemeinschaft als Anhaltspunkte fungieren können. In kleineren oder größeren Gruppierungen können Suchende die Kernaussagen dieses Büchleins diskutieren, abwandeln und mit Leben füllen. Ich träume von Gemeinschaften, die ihre ureigenen Formen und Rituale leben, sich aber zugleich mit Menschen überall auf der Welt verbunden fühlen, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben, um miteinander die Essenz der christlichen Tradition herauszuarbeiten und in für sie passenden Formen zu praktizieren und im Alltag zu leben.

Wir brauchen eine grundlegende Reformation, müssen aber das während des Luther-Jahres 2017 überstrapazierte Wort dafür nicht bemühen. Vielleicht braucht Religion, wie sie heute praktiziert und vielfach missbraucht wird, ohnehin eher eine Revolution als eine Reformation. Ganz sicher brauchen wir eine Transformation. Dennoch: Re-formation im Wortsinn bedeutet, etwas Bestehendem eine neue Gestalt zu geben. Mit meinen 9,5 Vorschlägen möchte ich die Ursprungsidee dieses großartigen Jesus von Nazareth aufgreifen und so wiederbeleben, dass ihr tiefer Sinn und ihre heilsame Wirkung wieder erfahrbar werden. In unserer heute oft von Angst, Habgier und gnadenlosem Egoismus bestimmten Gesellschaft mit den daraus resultierenden fundamentalistischen Tendenzen erscheint mir das wichtiger denn je.

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