Geschichten von Hunden und ihren Menschen
Cover
Titel Geschichten von Hunden und ihren Menschen
Vorwort
Jürgen Streich
Yippie
Elisabeth Petzina
Helden haben nasse Füße
Simone Kunde
Lassie
Elke Parker
Nie mehr Langeweile
Ute Dissemond
Lachende Hunde
Sabine Immken
Alles eine Frage der Energie
Sabine Nölke
Lilly und Paul
Petra Deyringer-Kühnle
Bedienungsanleitung für einen Wolf
Andrea Feder
Keine blauen Augen
Anna Wöltjen
In der Hundeschule
Hannelore Nics
Königin für einen Tag
Andrea Wachsmann
Das Geheimnis
Marion Trost
Mohrle
Anke Höhl-Kayser
Ein neuer Hund kommt in unser Haus
Karin Oehl
Nelly, die „ scharfe“ Wachhündin
Stania Jepsen
Der Schürzenjäger
Christa Wright
Wuppi - Die Geschichte einer Beziehung
Helene Oehler
Hungertage
Helga Franziska Noack
Beauty Queen auf Abwegen
Silke Walkstein
Warum gerade der?
Iris Engels
Warum ein Whippet?
Verena von Asten
Die Rasse der Hundebesitzer
Bibi Bellinda
I lost my heart in Pabianice
André Pluskwa
Die Autorinnen und Autoren
Die Reihe HUNDE JAHRBUCH (Anthologie)
Impressum
Kennen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, die frühesten Auswirkungen der Entstehung des Grand Canyon? Eine indianische Legende besagt dazu Folgendes: Eines lang zurückliegenden Tages brach in Nordamerika die Erde auf, ein Riss zog sich durchs Land und wurde schnell breiter und tiefer. Die Menschen wollten natürlich nicht voneinander getrennt werden und bemühten sich, alle auf eine Seite zu kommen. Ebenso die Tiere. Sie sammelten sich auf der anderen Seite. Als der Spalt schon fast unüberwindlich war, sprang ein Hund, der sprechen konnte, zu den Menschen herüber und sagte: „Ich gehöre doch zu Euch!“ So ist dieser Überlieferung zufolge die tiefe Verbundenheit zwischen Mensch und Hund entstanden. Wie bildhaft diese Darstellung auch sein mag, im übertragenen Sinne stimmt sie. Menschen domestizierten zunächst Wölfe, machten sich deren Fähigkeiten nutzbar, züchteten aus ihnen neue Hunderassen, verschieden in Aussehen, Größe und Eigenschaften, und lernten sie als Gefährten schätzen. Seither ist die Treue von Hunden zu ihren Menschen sprichwörtlich.
Der wichtigste „Nutzen“, den wir von unseren vierbeinigen Freunden haben, dürfte die Freude sein, die sie uns tagtäglich bereiten, und die Liebe, die sie uns als Familienmitglieder entgegenbringen. Und es ist folgerichtig, dass es außer absolut verlässlichen Blindenhunden längst auch Therapiehunde gibt, die Menschen bei der Überwindung persönlicher und gesundheitlicher Krisen helfen. Auch in Altenheimen erfreuen Hunde zunehmend Senioren mit ihren Besuchen. Hunde sind ein wirksames „Mittel“ gegen Einsamkeit. Kein Wunder, dass immer mehr Ärzte erkennen, dass das Zusammenleben mit einem Hund psychisch guttut und so der Gesundheit zuträglich ist. Ich selbst habe als Kind und Teenie erlebt, welch Motivator und Trostspender der Schnauzer-Pudel-Mischling war, mit dem ich aufgewachsen bin; immer übrigens auch ein vertrauenswürdiger Kumpel, wenn das Gassi-Gehen dafür herhalten musste, Freunde und erste Freundinnen zu treffen. Als junger Erwachsener begann ich meine journalistische Laufbahn in der Lokalredaktion einer Tageszeitung. Da ich auch fotografierte, musste ich oft „raus“, und Tiergeschichten lagen mir sowieso. So bin ich allein in diesen vier Jahren Hunden in allen möglichen und unmöglichen Situationen begegnet: Rettungshunden, die nach der Sprengung eines Hauses die übungshalber darin versteckten, mit getragener Kleidung angezogenen Puppen innerhalb kurzer Zeit sämtlich gefunden hatten; Wach- und Polizeihunden, denen nichts entging; bei einer Rottweiler-Prüfung dem beeindruckenden Weltsieger und auf Ausstellungen teils lächerlich zurechtgemachten Modehündchen; einem armen Bobtail, der völlig zerfleischt in eine Tierklinik gebracht worden war und auch zwei Leichenspürhunden, die engagiert bei der Aufklärung eines Verbrechens halfen. Vor allem aber schrieb ich immer wieder über Hunde, die ihre Menschen gerettet oder vor etwas Schlimmen bewahrt hatten. Einmal beispielsweise hatte eine Schnüffelnase nachts einen Schwelbrand, der ein ganzes Haus zerstörte, so rechtzeitig gewittert und seine Familie geweckt, dass diese noch flüchten konnte. In einem anderen Fall war ein Mann in der kalten Jahreszeit im Wald mit einem Kreislaufkollaps bewusstlos zusammengebrochen und wäre wohl erfroren, wenn sich nicht sein Freund mit dem – rechtmäßigen! – Pelz auf ihn gelegt und ihn so lange gewärmt hätte, bis menschliche Helfer, die auf sein Bellen aufmerksam geworden waren, herbeieilten.
Es gibt viele solche Geschichten über unsere Freunde auf vier Pfoten. Eine vielfältig zusammengestellte Auswahl – sie reicht von augenzwinkernden Darstellungen bis hin zu ernsten Begebenheiten – finden Sie in diesem Buch. Es sind lebendige Beispiele von Freundschaften zwischen Menschen und Hunden bestimmter Rassen (zwei Mischlingsgeschichten gibt es aber auch), aufgeschrieben von den beteiligten Zweibeinern. Obwohl: Ein Husky kommt auch zu Wort. Außerdem gibt es ein Kapitel über die „Rasse Mensch“, die nicht immer gut mit Hunden umgeht, wie ein weiterer Text dokumentiert. Aber es gibt Möglichkeiten zur Hilfe. Das Hunde Ja(hr)-Buch 2 enthielt übrigens die erstmalige Beschreibung einer Rasse, des Katalonischen Zwergwolfes. Diese stieß auf großes Interesse in der Presse und im Internet. Doch ob Rassehunde oder Mischlinge – sie alle erfreuen uns tagtäglich, helfen uns, halten uns fit. Und erinnern uns mit ihrer Zuneigung daran, dass wir Verantwortung tragen. Für sie und andere Tiere.
Jürgen Streich, Frechen-Königsdorf, Oktober 2010
Der Border Collie Yippie
Yippie
oder: Die Landkarte im Kopf
Elisabeth Petzina
Als ich die Geschichte mit Yippie erlebte, war ich zum ersten Mal geneigt, an Tier-Telepathie zu glauben. Wenig später lernte ich in meiner Ausbildung zur Tierpsychologin, dass es eine viel einfachere, rein naturwissenschaftliche Erklärung für Yippies Verhalten gibt – aber wunderbar genug bleibt es, egal, wie es zu erklären ist.
Ich will beim Anfang beginnen: Ich wusste von Yippie, bevor er der Hund von Dr. Schwarz wurde, denn Dr. Schwarz kam in meine „Rasseberatung“. Das ist ein preiswerter Service, den der Tierschutzverein seit Langem anbietet: Hundefreunde, die sich einen vierbeinigen Hausgenossen der Spezies „canis lupus familiaris“ zulegen wollen, können sich bei uns beraten lassen, welche Rasse und welcher Typ von Hund am besten zu ihnen passen würde. Fast immer finden wir eine für die Lebensverhältnisse des Hundefreundes geeignete Rasse. Dann kommt die Beratung bei der Auswahl des Züchters. Das alles war bei Dr. Schwarz nicht nötig, besser gesagt: nicht möglich. Er hatte sich längst für eine Rasse entschieden, hatte, wie das so oft geschieht, sich den Hund ausgesucht, der fast am schlechtesten zu ihm passte, und erwies sich als völlig beratungsresistent. Mit höflicher Geduld hörte er sich meine Argumente an, die ihn von Yippies Rasse abbringen sollten, und jedes schien seine Begeisterung nur noch zu steigern. Yippie ist nämlich ein Border Collie und seit der schlaue Border Collie Rico im Fernsehen war, sind die Borders Modehunde. Dabei eignet sich kaum ein Hund schlechter für viel beschäftigte Großstadtmenschen – und so einer war beziehungsweise ist Dr. Schwarz: Hausarzt mit großer Praxis, dazu zwei Jungen im erziehungsbedürftigsten Alter, eine berufstätige Ehefrau, ein Hausmädchen, das keine Ahnung von Hunden hat, und ein typisches Reihenhaus in guter stadtnaher Lage mit einem Gärtchen von Handtuch-Größe.
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