Zudem existiert ein falscher Gleichheitsgedanke: Der Begriff der Gerechtigkeit wird einfach mit dem Begriff Gleichheit vertauscht. Gleichheit = Gerechtigkeit. Um diese Gleichheit zu erzwingen, braucht es Normen und Gesetze und Personen, die die Umsetzung der Gleichheit überwachen. Doch diese Gleichheit, die unter dem Titel Chancengleichheit daherkommt, ist in Wahrheit nur eine leere politische Phrase und Selbstbetrug: Denn wenn alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Status, die gleiche Chance haben, dann tritt die Ungleichheit noch stärker hervor. Wenn beispielsweise David Alaba und ich je einen Fußball bekommen und wir gleich oft damit trainieren, dann kann ich Ihnen garantieren, dass David Alaba der weit bessere Spieler sein wird. Also: Die Ungleichheit zwischen uns beiden tritt noch stärker hervor. Da man aber Gleichheit nicht als Chancengerechtigkeit, sondern als Gleichheit in den Ergebnissen misst, wird (insbesondere in den Schulen) alles unternommen, damit David Alaba nicht besser Fußball spielt als ich, weil man ja das gleiche Ergebnis erzielen will. Man versucht die Schwachen zu stärken, indem man die Starken schwächt. Und um diese veritable Dummheit durchzusetzen, muss man Gesetze einführen und Leute anstellen, die dafür sorgen, dass der Alaba nicht zu gut wird, weil es sonst für den Wallentin ungerecht ist.
Und wer in der Gleichheit auf materiellem Niveau sein politisches Ziel sieht (Stichwort Kommunismus), für den ist das individuelle Erwerbsstreben, der Fleiß und die Tüchtigkeit des anderen eine ständige Bedrohung. Hierfür gibt es sogar aktuelle Beispiele aus der EU-Wirtschaftspolitik. Noch vor etwa einem Jahr wollte die EU Deutschland für seinen Exporterfolg so lange bestrafen, bis sich die deutsche Volkswirtschaft auf dem Niveau der Schuldenstaaten befindet. Salopp gesagt, hätte Deutschland jedes Mal Strafe zahlen müssen, wenn ein Grieche einen VW-Golf kauft.
Gerade in der Schulpolitik sehen wir die zahlreichen Verordnungen, Schulversuche und Sonderregelungen, weil auch hier das Motto gilt: „Lieber alle gleich schlecht, als unterschiedlich gut“. Der Erfolg sind eine Million Analphabeten. Werte, die durchaus mit dem Mittelalter konkurrieren können.
Zum dritten Punkt: Die Veränderung und Aufweichung, ja der Wegfall der Werte, insbesondere der Wegfall der christlich fundierten Werte, also jenem Erbe, von dem Europa sich nicht gänzlich lösen kann, ohne zu zerfallen. Das zerstört den Grundkonsens in den Staaten Europas, der durch immer neue Gesetze ersetzt werden muss. Dahinter steht das politisch-utopische Programm der befreiten Gesellschaft, die den Staat nicht pluralistischer, sondern bodenlos macht.
Die politische Dimension der Utopie von der befreiten Gesellschaft liegt in dem (auf Rousseau zurückgehenden) Irrglauben, dass der Mensch das großartigste Wesen auf der Welt ist, aber nur durch die Gesellschaft verdorben wird. Man müsse nur die Gesellschaft ändern und den Menschen befreien und schon schaffen wir das Paradies auf Erden. Diese grobe Verkennung des Menschen und von alledem, was ihn treibt, hat schon in der Vergangenheit zu großem Unglück geführt – man denke an die Auswüchse des Kommunismus. Zudem steht dieses scheinbar fortschrittliche Denken weit hinter demjenigen der angeblich rückschrittlichen Kirche, die von der Erbsünde spricht und damit ausdrückt, dass wir Menschen nicht so großartig sind, wie wir oft meinen.
Begleitet wird diese ideologische Forderung auch von einer sehr eigentümlichen Geschichtsauffassung: Die gesamte bisherige Geschichte wird als Geschichte der Unfreiheit verstanden. So ziemlich alles war falsch, despotisch, rückständig und hatte archaische Strukturen. Erst heute könne die gerechte Gesellschaft gebaut werden. Niemand geringerer als der emeritierte Papst Benedikt XVI. nahm hierzu einmal wie folgt Stellung:
„Hier gibt es einen merkwürdigen und nur als pathologisch zu bezeichnenden Selbsthass des Abendlandes, das sich zwar lobenswerterweise fremden Werten verstehend zu öffnen versucht, aber sich selbst nicht mehr mag, von seiner eigenen Geschichte nur noch das Grausame und Zerstörerische sieht, das Große und Reine aber nicht mehr wahrzunehmen vermag. Europa braucht, um zu überleben, eine neue – gewiss kritische und demütige – Annahme seiner selbst, wenn es überleben will. Die immer wieder leidenschaftlich geforderte Multikulturalität ist manchmal vor allem Absage an das Eigene, Flucht vor dem Eigenen. Aber Multikulturalität kann ohne gemeinsame Konstanten, ohne Richtpunkte des Eigenen nicht bestehen“.
Wie gesagt, das sagte der Papst.
Die Eckpunkte unserer Moral und unserer Kultur und Werte sind christlich. Das Christentum hat der Aufklärung in Europa die Vernünftigkeit und den inneren Zusammenhang gegeben. Selbst wenn jemand die Amtskirche ablehnt oder Atheist ist, kann er sich der von 2.000 Jahren Christentum geprägten Kultur nicht entziehen, die letztlich seine Idee von „gut“ und „böse“ geprägt hat. Der einzige Unterschied ist, dass an die Stelle der Religion die gute Absicht tritt.
Lassen Sie zwei oder drei Generationen ohne Christentum oder wie man heute sagt, befreit vom Christentum aufwachsen, und Sie werden sehen, dass es plötzlich nicht mehr so ganz klar ist, was als „gut“ oder „böse“ zu bewerten ist. Und wenn die Intuition dafür abhandenkommt, dann hat das für eine Demokratie fatale Auswirkungen. Warum?
Weil Demokratie nichts anderes als die Entscheidung der Mehrheit ist. Sie kann keine Werte schaffen, sie hängt von den Werten ab, die die Menschen haben. Denken Sie etwa an die Ablehnung der Sklaverei. Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende hat die Menschheit diese Intuition nicht eingeschlossen – im Gegenteil sie war weit eher die historische Normalität als die heutige Ablehnung derselben. Nun stellen Sie sich vor, man würde über die Wiedereinführung der Sklaverei abstimmen und 80 % stimmten dafür. Haben Sie irgendeinen Zweifel, dass die Sklaverei nicht eingeführt wird? In einer Demokratie wäre mit dieser überwältigenden Mehrheit die Sklaverei wieder eingeführt – keine Frage.
Warum aber stimmen wir über Derartiges nicht ab?
Weil wir aus unserer Wertüberzeugung zu der Auffassung gelangt sind, dass der Mensch eine Würde besitzt, die nicht antastbar ist und auch nicht dem demokratischen Spiel von Mehrheit und Minderheit unterliegt. Wie sehr der Begriff Würde kulturell variiert, zeigt sich beispielsweise in Teilen Indiens, wo die Witwenverbrennung trotz staatlichem Verbots nur aufgrund des kulturellen Erbes weiterhin gang und gäbe und für viele nichts Unmoralisches ist. Die Frage, was fundamentale Freiheitsrechte sind, ist eben variabel und es besteht gegenwärtig die Gefahr, dass im Namen der Freiheit die Freiheit abgeschafft wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Gesetzesflut und Überregulierung hemmt nicht nur die Wirtschaft, sondern ist das Symptom einer sich verändernden und zum Teil zerfallenden Gesellschaft. Wir sollten daher nicht nur die Überregulierung selbst und damit ein Symptom, sondern jene Ursachen bekämpfen, die ich genannt habe.
Erschienen am 31. 8. 2014
DAS SCHUL-FIASKO
Österreichs Schulsystem versagt im internationalen Vergleich und gefährdet unsere Zukunft. Die Hauptverantwortung dafür tragen jene mit dem Schulwesen beauftragten Politiker, die lieber „alle gleich schlecht als unterschiedlich gut“ haben wollen.
Rund 30 % der Schüler können nach 9 Jahren Unterricht nicht ausreichend lesen, schreiben oder rechnen. In Finnland sind es nur etwa 5 %. In Wiener Mittelschulen wissen Kinder nicht wie viel 10 % von 130 Euro sind, erhalten aber ein „Sehr gut“ in Mathematik.
In Österreich wächst eine Generation von Analphabeten heran, die zu den rettungslosen Verlierern einer immer wissenschaftlicheren und hochtechnisierten Welt gehören. Sie werden zum künftigen Spielball der Politik und leicht zu manipulieren sein, denn sie sind nicht in der Lage, Zeitungen zu lesen, geschweige denn so etwas wie den Hypo-Skandal zu verstehen.
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