Zum besseren Verständnis der Temperaturentwicklungen auf der Erde wird es notwendig sein, auf verschiedene Wetter- und Klimaphänomene näher einzugehen, vor allem um pauschalisierende und aus dem Zusammenhang gerissene Sensationsmeldungen, vor allem bzgl. extremer Wettergeschehen, besser und kritischer bewerten zu können. Die Weltmeere bedecken fast 71 % der Erdoberfläche und haben sehr großen Einfluss auf das Wetter- und Klimageschehen der Landmassen, die in der geologischen Gegenwart hauptsächlich auf der Nordhalbkugel konzentriert sind. Die Erde ist somit im Bereich ihrer Ozeane am umfassendsten der Sonnenstrahlung ausgesetzt, und deren riesige Wassermassen reagieren entsprechend stark auf Schwankungen der Sonnenaktivität. Deshalb wird es zum Verständnis der Klimaänderungen wichtig sein, sich auch näher mit dem System Sonne- Ozeane-Atmosphäre zu beschäftigen.
2: Glaziale (Kalt-/Eiszeiten) und Interglaziale (Warmzeiten) im Wechsel
Seit Millionen von Jahren gibt es Klimaschwankungen, verbunden mit Temperaturänderungen, mit Kaltzeiten (auch Eis- oder Glazialzeitengenannt) und Warmzeiten (auch Interglazialzeitengenannt) als Extreme, wobei die Dauer der Kaltzeiten in der Erdgeschichte deutlich länger war als die immer relativ kurzen interglazialen Warmzeiten. Im Quartär, dem aktuellen geologischen Zeitabschnitt, in dem wir gerade leben, d.h. während der letzten 2,6 Millionen Jahre, gab es über 20 solcher Wechsel von Warm- und Kaltzeiten. Während der letzten 420.000 Jahre waren rund 90 % dieser Zeitspanne wesentlich kälter als heute. D.h. Warmzeiten, wie wir heute eine genießen, sind eher die Ausnahme in der jüngeren Erdgeschichte ( Abb. 3). Allerdings gab es in den letzten 12.000 Jahren, nach dem Ende der letzten Eiszeit, auch Perioden, die eindeutig wärmer waren als heute, z.B. das sogenannte „Atlantikum“ vor annähernd 8.000 bis 4.000 Jahre ( Tab. 1, s. auch Kapitel 8und Abb. 6und 47). Diese atlantische Klimaperiode, auch „Mittlere Wärmezeit“ genannt, ist charakterisiert durch eine größere Ausbreitung wärmeliebender Pflanzen, z.B. von Eichenmischwäldern, dem Zurückdrängen der baumlosen Tundren im Norden der nördlichen Erdhalbkugel und einem Anstieg der Baumgrenze in den Gebirgen.
Tab. 1(folgend): Vereinfachte Übersicht der wechselnden Kalt- und Warmzeiten der letzten 885.000 Jahre mit der klassischen Nomenklatur der unterschiedlichen Epochen. Die Warmzeiten sind rötlich, die Kaltzeiten bläulich unterlegt. Leicht heller unterlegt sind die wärmeren (Optima) und kälteren (Pessima) Perioden des aktuellen Holozäns (Beginn vor 11.700 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit). Die unterschiedlichen Warm- und Kaltphasen werden in der modernen Klimaforschung über Marine Isotopen Stadien (MIS)durchnummeriert. In der rechten Spalte sind die entsprechenden Meeresspiegelhöhen im Vergleich zu heute angegeben (s. auch Abb. 46).

Tab. 1
Die letzte Eiszeit trägt in der Alpenregion den Namen „ Würm“, nach dem Nebenfluss der Isar, da in diesem Bereich vermehrt glaziale Sedimente und Landschaftsformen der letzten Eiszeit gefunden wurden. Der zeitgleiche Eisvorstoß von Skandinavien nach Norddeutschland und Nord-Polen wird „Weichsel“ genannt, nach dem längsten Fluss Polens. Auf dem nordamerikanischen Kontinent heißt die letzte Eiszeit „Wisconsin Glaciation“, nach dem U.S.- Staat an den Großen Seen. Die glaziale Periode davor wird im Alpen- und Voralpenbereich Riß-Kaltzeit und in Norddeutschland Saale-Kaltzeit genannt. Die skandinavischen Gletscher der Saale-Eiszeit stießen dabei weiter in die deutsche Tiefebene vor (d.h. nach Süden) als die der jüngeren Weichsel-Eiszeit.
In Tabelle 1sind die wechselnden Epochen der Kalt- und Warmzeiten der letzten 885.000 Jahre in vereinfachter Form zusammengestellt. Perioden von Kaltzeiten sind immer in sich untergliedert durch unterschiedliche Minima und Maxima der Temperaturen (s. Abb. 3und 4). Abb. 3zeigt die CO 2- und Temperaturschwankungen der letzten 420.000 Jahre basierend auf Untersuchungen von Eisbohrkernen der Antarktis und Auswertung relevanter „proxy“-Daten. Die drei letzten großen Warm- und Kaltzeiten lassen sich deutlich unterscheiden. Anhand dieser „Vertreter“-Daten kann man auch deutlich erkennen, dass die CO 2-Konzentration der Temperaturentwicklung hinterherhinkt (s. auch Abb. 3und Detailausschnitt in Abb. 70). Die Frage bzgl. Abhängigkeiten von CO 2und Temperatur ist ähnlich der Diskussion, was zuerst da war – das Ei oder die Henne? Dabei sei hier auch an die alte Regel bzgl. der Interpretation von statistischen Daten erinnert, dass Korrelationen (noch) keine Kausalitäten sind. Wie wir sehen werden, hängt die Entwicklung der Temperatur in der Erdatmosphäre von anderen deutlich wichtigeren Faktoren ab, als dem CO 2. In Abb. 3erkennt man, z.B. sehr deutlich im Zeitabschnitt von vor 420-400.000 Jahren, dass die grüne CO 2-Kurve immer der roten Temperaturkurve hinterherhinkt. D.h. die Temperatur ändert schon ihren Verlauf während der Erdgeschichte, nimmt zu bzw. ab, während die CO 2-Konzentrationsentwicklung mit etwas zeitlichem Versatz von mehreren Hunderten von Jahren hinterherhinkt (u.a. LÜDECKE (2010). Dies unterstreicht die Abhängigkeit der CO 2-Konzentration in der Atmosphärenluft von der Temperatur – und nicht umgekehrt. In Kapitel 10werden wir darauf zurückkommen.
Abb. 3(folegnd): CO 2- ( grüne Kurve) und Temperaturschwankungen ( rote Kurve) der letzten 420.000 Jahren, hier gezeigt am Beispiel des Vostok-Eiskerns (Antarktis). Die 4 Kurvenbereiche nach unten (Temperatur-Minima) entsprechen den letzten 3 großen klassischen Eiszeiten Mindel, Riß und Würm, wobei die Riß-Eiszeit eigentlich 2 Kälteperioden umfasst. Epochen maximaler Temperaturen entsprechen den Warmzeiten Holozän (Gegenwart), Eem und Holstein; aus BGR: Klimafakten (2004).

Abb. 3
Die klassische Namensgebung und Zuordnung der verschiedenen Kalt- und Warmzeiten beruht auf systematischen feldgeologischen Untersuchungen, die im 19. Jahrhundert begannen. Die zeitliche Zuordnung der einzelnen Kalt- und Warmzeiten hat sich in den letzten fünfzig Jahren deutlich verfeinert und unterscheidet sich teilweise von den ersten geowissenschaftlichen zeitlichen Einordnungen von vor über zweihundert Jahren. So kommen z.B. LAUER & WEISS (2018) aufgrund neuester Altersbestimmungen zu dem Schluss, dass die Saale/Riß-Kaltzeit schon vor 450.000 Jahren eingesetzt haben könnte.
Um die vor allem regional sehr unterschiedlichen Namensgebungen der letzten Warm- und Kaltzeiten zu umgehen, bzw. zu vereinheitlichen, benutzt man heute vermehrt sogenannte Marine Isotopen-Stadien (MIS, s. Tab. 1und Abb. 4), d.h. Isotopendaten (als „proxies“) von Proben aus marinen Sedimenten, die großen Aufschluss geben können über die Klimabedingungen der Vergangenheit. Der große Vorteil von Ozean- und auch Seesedimenten (z.B. Laacher See), ist, dass sie stratigraphisch meist ungestört sind und damit ihre Lagenabfolge überwiegend vollständig vorliegt. Ablagerungen auf Land können hingegen von nachfolgenden Eisvorstößen und Erosionsvorgängen (Verwitterung) überlagert, bzw. gestört sein. Abb. 4zeigt 21 solcher Marinen Isotopen-Stadien und Unterstadien der letzten 830.000 Jahre (vor unserer Zeit). Die inverse Darstellung der δ 18O-Indexwerte stellvertretend als „ proxies“ für die Entwicklung der Temperatur, zeigt kleine Indexwerte auf der y-Achse (nach oben) für höhere Temperaturen, bzw. daraus folgend höhere Meeresspiegelstände. Diese Sauerstoff-Isotopen wurden an Foraminiferen, Einzeller vorwiegend in Millimeter-Größe, in marinen Sedimentbohrkernen bestimmt. Wird der Lebensraum von Foraminiferen kälter, bauen diese mehr des stabilen Sauerstoffisotops 18O ein. Deshalb auch die inverse Darstellung (y-Achse nach oben) von niedrigeren δ 18O- Indexwerten bei höheren Temperaturen. Anhand dieser Darstellung erkennt man übersichtlich das unendliche Auf und Ab der Temperaturen im Laufe der jüngeren Erdgeschichte, wobei sich deutlich Zeitintervalle erkennen lassen, die gewisse Wiederholungen bzw. Regelmäßigkeiten aufweisen.
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