Goran Vojnović - Tschefuren raus!

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Der slowenische Kultroman über wütende und entwurzelte Vorstadtjungs – abgedreht und melancholisch.
Marko ist einer aus der Jugo-Bande, ein Tschefur. Als Kind bosnischer Eltern ist er in Fužine groß geworden, der Trabantenstadt von Ljubljana, doch ist er in Slowenien nie richtig angekommen. Im Viertel sind die Wohnungen klein, die Familien groß und der Lebensstandard niedrig. Vor dem Wohnblock sitzen ist Nationalsport. Was Marko am meisten auf den Sack geht: Er hat nicht mal einen eigenen Fußballklub! Kein Wunder, dass Marko und seine Freunde wie alle, die von südlich oder östlich des Flusses Kolpa stammen, ein Faible für das leichte Leben, für das Fluchen, Saufen und die Frauen haben. So schlagen sie die Zeit tot, zappen durch die TV-Kanäle und können die weinerlichen Geschichten von der Sehnsucht der Väter nach dem Süden nicht mehr hören.

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Foto Matej Pusnik Goran Vojnovićgeboren 1980 in Ljubljana Promovierte an - фото 1

Foto: © Matej Pusnik

Goran Vojnović,geboren 1980 in Ljubljana. Promovierte an der Theater- und Filmhochschule Ljubljana und ist einer der talentiertesten Autoren seiner Generation.

Regisseur erfolgreicher Filme. Seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt. Bei Folio: Vaters Land (2016) und Unter dem Feigenbaum (2018).

Klaus Detlef Olof,ist einer der renommiertesten Übersetzer aus den südslawischen Sprachen. Bis 2005 Professor an den Universitäten Klagenfurt und Graz. Er übersetzte France Prešeren, Miroslav Krleža, Zoran Ferić, Drago Jančar u. v. a. Österreichischer Staatspreis für literarische Übersetzung.

GORAN VOJNOVIĆ

TSCHEFUREN RAUS!

oder

Warum ich wieder mal

zu Fuß bis in den zehnten

Stock musste

Roman

Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof

All den Meinen gewidmet Wer ist ein Čefur oder Tschefur Ein Tschefur ist eine - фото 2

All den Meinen gewidmet

Wer ist ein Čefur oder Tschefur? Ein Tschefur ist eine Person, die auf dem Gebiet eines bestimmten Staates lebt, aber kein Angehöriger des dortigen Mehrheitsvolks ist. In unserem Fall sind das Menschen, die aus Gegenden südlich oder östlich des Flusses Kolpa kommen. Zu den Tschefuren zählen wir in den meisten Fällen auch ihre Nachkommen. Nach ihrer Physiognomie unterscheiden sie sich von den Angehörigen der Mehrheitsbevölkerung durch die niedrige Stirn, gepaart mit dichten Augenbrauen, betonten Backenknochen und stärker ausgeprägtem Unterkiefer. Ihre grundlegenden Verhaltensmerkmale sind die Liebe zum leichten Leben, zum Fluchen, zum Alkohol, zum sanfteren Geschlecht, zum Fußball. Sie vergöttern Kitsch und Goldschmuck. Am Herzen liegt ihnen die Kampfkunst, und nicht selten werden sie auch ohne richtigen Grund aggressiv. Ihr Akklimatisierungsprozess dauert in der Mehrzahl der Fälle sehr lang.

Aus dem Gedicht Čefur von Robert Pešut Magnifico

Čefur, -ja m Zugewanderter aus den südlichen Republiken des einstigen Jugoslawien (20. Jh.), geschrieben auch čifur, čufur, čefurka, čifurka, čufurka, čefurski, čifurski, čufurski, alles pejorativ. Vermutlich übernommen aus dem kroat., serb. čift, čivut („Jude“), was in der Mehrzahl der Mundarten als pejorative Kennzeichnung eines Angehörigen dieses Volkes gilt. Die slowenische Endung -ur anstatt des ursprünglichen -ut hat sich nach dem Muster nemčur („Deutschtümler“) aufgrund ihrer pejorativen Bedeutung eingebürgert.

Marko Snoj, Slowenisches etymologisches Wörterbuch

Čefurji raus!

Verbreitetes Graffito in den Straßen von Ljubljana

Inhalt

1.Warum ich keinen eigenen Fußballklub habe

2.Warum wir uns nach dem Finale geprügelt haben

3.Warum wir wegen Radovan im Kübel gelandet sind

4.Warum ich sonntags nicht aus dem Bett komm

5.Warum wir nicht wie sonst vor dem Block sitzen

6.Warum man nach einem guten Essen ein bisschen Bewegung braucht

7.Warum keiner mehr Basket spielt

8.Warum der Kommunismus noch nicht ausgestorben ist

9.Warum die Tschefuren nicht über Sex reden

10.Warum ich das Training geschmissen habe

11.Warum wir auf der Polizeiwache gelandet sind

12.Warum die slowenische Polizei im Arsch ist

13.Warum Radovan nach Slowenien gekommen ist

14.Warum mich diese Scheißstille noch verrückt macht

15.Warum ich nicht allein sein mag

16.Warum mir Slowenien auf den Sack geht

17.Warum Nachbarn besser sind als Mitbewohner

18.Warum die Dealer alle Hunde haben

19.Warum das Kubana das größte Loch ist in Fužine

20.Warum Razzien lachhaft sind

21.Warum ich den Namen Marko gekriegt habe

22.Warum ich der alten Tschefurin meine Kappe nicht gegeben habe

23.Warum es wichtig ist, dass Damjanović ein Tschefur ist

24.Warum ab und zu eine Razzia gut ist

25.Warum die Gastarbeiter die schlimmste Rasse sind

26.Warum Tschefuren die Musik im Auto voll aufdrehen

27.Warum Aco und ich am Pregl die Sprechanlage gecheckt haben

28.Warum Radovan schweigt wie ein Grab

29.Warum wir immer den Idioten machen

30.Warum die Moderatorin im Trainingsanzug ganz anders ist

31.Warum wir das Spiel nicht zu Ende geschaut haben

32.Warum Adi zum Junkie wird

33.Warum mir auf einmal die Stille zusagt

34.Warum Tschefuren immer in der letzten Bank sitzen

35.Warum die kleinen Tschefurinnen die größten Monster sind

36.Warum die Tschefuren an die Ljubljanica schiffen gehen

37.Warum keiner auch nur lausige fünf Prozent auf dich gibt

38.Warum die Tschefuren ständig einen auf lustig machen

39.Warum wir den Sperrmüll abgefackelt haben

40.Warum ich wieder mal zu Fuß bis in den zehnten Stock musste

41.Warum Radovan plötzlich wieder Schnaps trinkt

42.Warum Ranka und ich uns an Vela erinnerten

43.Warum bei den Tschefuren nichts geheim bleibt

44.Warum Bosnien total im Arsch ist

45.Warum Bosnien nichts für Tschefuren ist

46.Warum ich am Bahnhof hängen geblieben bin

Jahre später: Warum die Tschefuren in Quarantäne sind

Anmerkungen

1. Warum ich keinen eigenen Fußballklub habe

Ich habe keinen eigenen Fußballklub! Das geht mir von allem am meisten auf den Sack. Würde ich in Belgrad wohnen, wäre ich Fan von Roter Stern und wäre Zvezdaš . Ein Delija von der Wiege bis zur Bahre! Würde ich in Sarajevo wohnen, wäre ich ein Maniak , ein Fan von Željezničar. Aber hier ist alles verfotzt. Für Olimpija kannst du nicht sein, wenn du für Slovan spielst, so wie ich. Für Slovan kannst du nicht sein, denn das ist tschechisch. Das ist ein Fotzenrauch von einem Klub. Soll ich vielleicht ein Red Tigar werden? Ja, hallo! Was denn noch? Slovan spielt in der nullten Liga. Und das Stadion hat tausend Stehplätze. Olimpija ist ein Klub von Papa- und Mamasöhnchen. Dort spielen nur die Weicheier aus Murgle. Ist ja nicht so, dass ich nicht für Olimpija mitschreie. Aber ein Green Dragon wäre ich für kein Geld auf der Welt. Ich weiß nicht, warum. Ist einfach uncool. Vergiss es. Vielleicht ist das eigentliche Problem, dass ich ein Tschefur bin. Aber gerade weil ich ein Tschefur bin, macht mich das ziemlich fertig, dass ich keinen eigenen Klub habe. Das liegt mir im Blut. Das Bedürfnis nach einem Fußballklub, für den ich mit jedem fighten würde, der einen Scheiß über ihn sagt.

Meine Mitschüler, die Slowenen, scheint das überhaupt nicht zu jucken, dass sie keinen Klub haben. Denen geht das am Arsch vorbei! Aber mich zerreißt das innerlich so, dass ich am liebsten jemanden durchwalken würde. Diese Scheißtradition gibt es hier einfach nicht. Wenn du in Barcelona auf die Welt kommst, kaufen dir deine Alten einen Dress von Ronaldinho, eine Mitgliedskarte vom Klub und nehmen dich sonntags mit ins Camp Nou zum Derby gegen Real, und dann gehst du dein ganzes Leben zu den Spielen. Und wenn du heiratest, gehst du mit deiner Frau zu den Spielen, und dann mit den Kindern und dann mit den Enkeln und so weiter. Und Barca ist für dich ein Heiligtum. Wenn jemand nur Real sagt oder Ronaldo, dann schmierst du ihm eine. Keine unnötigen Fragen. Šamari geri! Wenn du im Dress von Eto’o in die Schule kommst, bist du echt der Zampano. Wenn du den Dress von Raúl anziehst, kriegst du eins auf die Nuss. Nicht so wie in Slowenien, wo du schon der Chef bist, wenn du im Dress von Cime zur Schule kommst. Und mitten auf dem Prešerec kannst du im Dress von Maribor rumlaufen, und dir wird keiner die Schnauze polieren.

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