Er wandte sich dem Marsianer zu.
»Du kannst es ausrechnen. Xutl. Ich vermute, Anderson fehlte genau diese durch die Sabotage hervorgerufene Verzögerung, um vor uns ans Ziel zu gelangen.«
Sein Freund nickte. »Ich rechne es nach. Aber selbst wenn sich dein Verdacht bestätigen sollte, wissen wir nicht, wer von unserer Besatzung mit ihm im Bunde ist.«
Nick schob das Kinn vor. »Früher oder später wird er sich verraten«, überlegte er. »Er wird versuchen … Geh zu Jane Lee, Tom«, wies er den Biologen an. »Sie soll dir das Medaillon aushändigen. Es ist besser, ich verwahre es.«
»Gut«, stimmte Tom Brucks zu.
Die Männer verließen die Kabine. Während Tom zu Jane Lees Quartier ging, schlugen Nick und Xutl den Weg zur Zentrale ein. Nachdem das Aggregat wieder funktionierte, mussten sie nur wenige Kontrolldurchläufe durchführen und konnten dann auf Überlichtgeschwindigkeit schalten.
Das Sternenschiff schien sich in Nichts aufzulösen und ließ nur den leeren Weltraum zurück – nur um im Bruchteil von einer Sekunde an der vorausberechneten Stelle in der Nähe des Dimensionswirbels wieder zu materialisieren.
Das Gebilde wirkte wie ein kleines Abbild der Milchstraße. Die Spiralarme waren durchzogen von Abertausenden glitzernder Bestandteile, die wie weit entfernte Sterne wirkten.
Nick ließ sich einen Augenblick lang von dem Bild gefangen nehmen, dann wandte er sich Johnson an der Ortung zu. »Stellen Sie fest, ob in diesem Sektor Raumschiffe den Wirbel anfliegen.«
Nach wenigen Sekunden kam die Rückmeldung. »Drei Schiffe halten Kurs darauf. Ich kann ihre Zeichen im Teleskop erkennen. Sie gehören der Interstellar-Gesellschaft. Ein weiteres Schiff kann ich mit keinem unserer Instrumente entdecken.«
»Dann ist Andersons Schiff schon durch die Dimensionsspirale geflogen«, meinte Nick mit leiser Stimme zu Xutl im Kopilotensitz. »Na, wir wollen auf der Hut sein.«
Gerade als er das Sternenschiff in das Zentrum des Wirbels steuern wollte, eilte Tom Brucks in die Zentrale und hielt auf ihn zu.
»Nick, komm sofort mit zu Jane Lee!«, bat er ihn eindringlich. »Sie … scheint ohnmächtig zu sein.«
»Was?«, stieß der Weltraumfahrer aus und erhob sich. »Übernimm du das Kommando, Xutl.«
Der Marsianer bestätigte, und Nick folgte dem Biologen. Sie hasteten die Gänge entlang, bis sie Jane Lees Kabine erreichten. Nick öffnete die Tür und zuckte im ersten Moment zusammen.
Wie leblos lag die junge Frau auf ihrem Bett. Der Kopf hing über der Kante.
»Miss Lee!«, rief er, doch sie reagierte nicht.
»Sie rührt sich nicht. Ich habe vergeblich versucht, sie zu sich zu bringen!« In Toms Stimme schwang Besorgnis mit.
Nick griff sie bei den Schultern und drehte sie herum, sodass sie vollständig auf dem Bett lag.
Er legte seine Finger auf ihr Handgelenk und atmete auf.
»Gott sei Dank! Ihr Puls ist regelmäßig.«
Nun konnte er auch sehen, wie sich ihre Brust schwach hob und senkte. Er schaltete das Licht an und sah sich aufmerksam um. Sein Blick fiel auf ein Glas, das halb unter das Bett gerollt war. Es war bis auf einen letzten Rest fast völlig geleert.
Nick betrachtete die orangefarbene Flüssigkeit im Licht und hob das Glas an seine Nase. Er roch nur kurz daran und verzog den Mund. »Hm … dieses Fruchtgetränk hat einen merkwürdigen Geruch«, stellte er fest. »Hol den Bordarzt, Tom!«
Sein Freund nickte und verließ mit schnellen Schritten die Kabine. Nick warf der jungen Tierfängerin einen besorgten Blick zu und sprach zu ihr. Doch sie zeigte weiterhin keine Reaktion.
Wenige Minuten später war Tom Brucks mit Brian Ferris, dem Bordarzt, zurück. Der Mediziner bat die beiden Männer, die Kabine zu verlassen, um Jane Lee gründlich zu untersuchen.
Nick und Tom standen auf dem Gang und hingen ihren Gedanken nach. Nach unendlich scheinenden Minuten öffnete sich die Tür, und Ferris erschien im Türrahmen.
»Was ist mit Miss Lee, Doktor?«, fragte Nick voller Unruhe.
Der Arzt wiegte den Kopf. »Sie muss eine Überdosis Schlafmittel genommen haben. Ihr Zustand ist nicht gefährlich. Am besten, wir lassen sie ausschlafen. Ich sehe nachher noch einmal nach ihr.«
Tom Brucks gab einen unbestimmten Laut von sich. »Das verstehe ich nicht. Vor ein paar Tagen habe ich Miss Lee gegenüber über meine Schlaflosigkeit geklagt und sie nach ihrem Schlaf gefragt. Sie sagte, dass sie wie ein Kind auf der Stelle einschliefe, sobald sie sich zur Ruhe lege. Und nun soll sie plötzlich ein Schlafmittel benutzen? Da stimmt was nicht!«
Nick sah seinen Freund ernst an. »Du hast recht. Außerdem wäre es seltsam, wenn Miss Lee angekleidet zu Bett ginge.« Er hielt inne. »Sollte unser geheimnisvoller Feind …?«
Er wandte sich an den Arzt. »Haben Sie bei Ihrer Untersuchung gesehen, ob Miss Lee ein Medaillon um den Hals trägt?«
Ferris schüttelte den Kopf. »Nein, ein Medaillon wäre mir bestimmt aufgefallen.«
Nick bedankte sich und bat den Arzt, zur Krankenstation zurückzukehren.
Nachdem er mit seinem Freund alleine war, schüttelte er leicht resigniert den Kopf. »Unser geheimnisvoller Feind hat keine Zeit verloren, Tom. In Miss Lees Kabine war alles in Ordnung. Er hat sie also nicht durchsucht.«
»Miss Lee hat das Medaillon bestimmt immer bei sich getragen«, vermutete der Biologe. »Und der Schurke brauchte nur zuzugreifen, als er sie mit dem Schlafmittel betäubt hatte.«
»Bleib bei ihr, bis sie erwacht, und benachrichtige mich dann sofort«, bat Nick seinen Freund. »Ich muss in die Zentrale.«
*
Nick wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. Xutl hatte das Sternenschiff bereits in eine perfekte Ausgangsposition vor den Dimensionswirbel navigiert, und so musste der Weltraumfahrer es nur noch hindurchsteuern.
Beim Eintritt in den Wirbel flimmerte wenige Augenblicke lang alles um sie herum in hellen Lichtern, die durch die Luft tanzten, doch das Phänomen verschwand so schnell, wie es gekommen war. Nick betrachtete den dunklen Sternenhimmel, der sich nun vor ihm erstreckte, und fragte sich, welche Geheimnisse dieses neue Universum bergen mochte.
Er riss sich von dem Gedanken los und wandte sich zu Xutl um. »Berechne den Kurs«, bat er ihn. »Wir fliegen sofort den zweiten Planeten an.«
»Ich habe die Daten bereits in die automatische Steuerung eingegeben«, antwortete der Marsianer.
»Gut«, antwortete Nick. Wieder einmal wurde ihm bewusst, wie sehr er sich auf seinen außerirdischen Freund verlassen konnte.
»Der zweite Planet steht in einer sehr günstigen Position«, fügte Xutl an. »Übrigens, meine Berechnungen über Andersons Schiff haben ergeben, dass der Zeitverlust, den wir durch die Sabotage gehabt haben, ihm genügend Vorsprung verschafft hat.«
»Also doch«, brummte Nick.
»Was nützt ihm das aber letzten Endes?«, erwiderte Xutl. »Ich verstehe diesen Anderson nicht. Ohne das Medaillon kann er doch gar nicht an die Diamanten heran.«
Nick legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn eindringlich an.
»Wenn wir nicht scharf aufpassen, bekommt er das Medaillon wohl …«
»Was?«, stieß der Marsianer entgeistert aus, und mehrere Besatzungsmitglieder drehten sich zu ihm um.
Nick zog ihn in eine stille Ecke der Zentrale. »Unser unbekannter Feind hat wieder zugeschlagen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist es ihm gelungen, Miss Lee das Schmuckstück zu entwenden.«
Xutls Miene verfinsterte sich bei diesen Worten.
*
Einige Stunden später erhielt Nick von Jane Lee die Bestätigung seiner Vermutung. Er legte den Arm tröstend um die junge Frau, die ihre Tränen nicht unterdrücken konnte.
»Mein Medaillon«, stieß sie aus. »Es ist verschwunden!«
Nick und Xutl hatten sich auf den Weg zu ihrer Kabine gemacht, nachdem Tom Brucks über Funk mitgeteilt hatte, dass sie erwacht sei.
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