Die spezielle Art von Herzerkrankung, auf die ich mich in diesem Buch konzentriere, ist die koronare Herzkrankheit, die auch unter dem Begriff Atherosklerose (unpräzise häufig auch als Arteriosklerose bezeichnet) beziehungsweise Arterienverhärtung oder -verkalkung bekannt ist. Etwa alle fünfundzwanzig Sekunden erleidet ein US-Bürger einen Herzinfarkt, und alle neununddreißig Sekunden stirbt ein Amerikaner infolge einer Herzerkrankung oder eines Schlaganfalls. Wenn eine einzelne Person wie Imre Molnar, dem dieses Buch gewidmet ist, eine große Wirkung auf so viele Menschen in seinem Leben haben kann, dann multipliziere man das mit den vielen Hunderttausend, die gegenwärtig das gleiche Schicksal erleiden.
Denken wir nur einen Moment an all den Schmerz und das Leid, wenn ein Mensch einem Herzinfarkt erliegt. Ich muss dann immer an die Universität von Michigan, meine Alma Mater, denken, deren Footballstadion – »The Big House« – mehr als 100 000 Zuschauer fasst. Man stelle sich vor, dass dieses riesige Stadion achtmal mit Müttern, Vätern, Söhnen, Töchtern, Freunden und Mitarbeitern gefüllt ist, die alle einen Herzinfarkt erlitten haben, von denen viele tödlich waren. Das entspricht der Zahl der Herzinfarkte, die sich jedes Jahr in den USA ereignen. Und weitere 470 000 Menschen erleben jährlich einen zweiten Herzinfarkt. Diese könnten »The Big House« noch weitere fünfmal füllen. Obwohl diese 470 000 Menschen schon zuvor einmal in unserem symbolischen Stadion gewesen waren, konnten all die Ressourcen unseres Gesundheitssystems einen weiteren Infarkt nicht verhindern. Und schließlich belaufen sich die Kosten der koronaren Herzerkrankungen für Behandlung, Medikamente und Arbeitsausfall allein in den Vereinigten Staaten auf jährlich mehr als 100 Milliarden Dollar.
Herzinfarkte in der Vorstandsetage
Wie häufig kommt es vor, dass die Karriere eines Managers wie Imre Molnar durch einen Herzinfarkt abrupt beendet wird? Ein Artikel in The Stanford Closer Look Series mit dem Titel »Plötzlicher Tod eines CEO: Sind Firmen auf die Katastrophe vorbereitet?« berichtete, dass in den USA jährlich sieben Vorstandsvorsitzende börsennotierter Unternehmen plötzlich versterben, wobei der Herzinfarkt die häufigste Todesursache ist.
Als Jai Nagarkatti, CEO der Chemiefirma Sigma-Aldrich, plötzlich an einem Herzinfarkt verstarb, gingen in dem Unternehmen die Geschäfte weiter wie immer. Schon am folgenden Tag wurde dank einer bestehenden Nachfolgeregelung ein neuer Chef bestimmt. Doch als Gordon Teter, CEO von Wendy’s International, einem Herzinfarkt erlag, blieb sein Posten monatelang vakant, und erst nach mehr als einem Jahr war Imre Molnars Vorstandsposten wieder besetzt.
Klar ist, dass selbst hochrangige Persönlichkeiten, die Zugang zur besten medizinischen Versorgung haben, vorzeitig einem Herzinfarkt erliegen können, weil es nicht gelingt, das Risiko und die Entwicklung einer stummen Herzerkrankung rechtzeitig zu erkennen. Die Liste der Vorstandsvorsitzenden, die plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben sind, ist lang: Kenneth Lay von Enron, Rick Lester von Target Research Group Arts, Jim Cantalupo von McDonald’s, Ranjan Das von SAP, Paul McIlhenny von Tabasco und viele mehr. Sie alle starben unerwartet in leitender Position großer Unternehmen und hinterließen trauernde Familien und Mitarbeiter.
Die Einzelheiten der Karrieren und die tragischen Todesumstände dieser CEOs stießen jeweils auf großes öffentliches Interesse, und die Probleme in ihren Unternehmen waren nach ihrem Tod gewaltig. Nehmen wir zum Beispiel Ranjan Das. Er war im Alter von zweiundvierzig Jahren der Regional-Vorstandsvorsitzende von SAP Indien und der jüngste CEO eines multinationalen Unternehmens in Indien. Er kam gerade vom firmeneigenen Fitnessstudio nach Hause, als er einen tödlichen Herzstillstand erlitt.
Ranjan Das war für seine gesunde Ernährungsweise und seine vielen sportlichen Aktivitäten bekannt. Erst wenige Monate vor seinem Tod war er einen Marathon gelaufen (im Gedenken an Jim Fixx, den weltbekannten Läufer und Autor von The Complete Book of Running, der im Alter von zweiundfünfzig Jahren einer Herzerkrankung erlag).
Ranjan Das hatte bei SAP sämtliche Marketing-Aktivitäten geleitet und entwickelt, und er hatte zahlreiche Positionen im Verkauf inne, wie zum Beispiel die Software-Verkäufe und den Software-Support. Außerdem hatte er kurz vor seinem Tod ein Start-up in Silicon Valley gegründet. Dank eines Vollstipendiums hatte er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) studieren und an der Harvard Business School seinen MBA-Abschluss ablegen können. Er verfasste Kurzgeschichten und Essays und plante, einen Film zu drehen.
Bei seinem Tod hinterließ er seine Frau und zwei Kinder im Alter von zwei und zehn Jahren. Sein tragischer Tod ist auf so vielen Ebenen erschütternd. Wir werden nie erfahren, ob seine stumme Herzerkrankung mithilfe modernster Laboruntersuchungen und bildgebender Verfahren hätte diagnostiziert werden können und ob Veränderungen der Lebensweise, Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente sowie Revaskulierungstherapien sein Leben hätten verlängern können oder nicht. Mein ganzes Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Freunden.
James Cantalupo schien im Leben alles erreicht zu haben. Im Alter von sechzig Jahren war er Vorstandsvorsitzender von McDonald’s. Er war ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und hatte bei diesem Fast-Food-Giganten eine dreißigjährige Karriere hinter sich, wo er als Controller begonnen hatte, dann zum Gebietsleiter, zum Präsidenten von McDonald’s International und schließlich zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen war. Unter seiner Leitung wurden Salate, Happy Meals für Erwachsene sowie Joghurt und Obst auf die Speisekarte von McDonald’s gesetzt. Darüber hinaus saß er im Vorstand der Sears Roebuck Company. Er hielt sich gerade für eine Konzerntagung in Orlando auf, als er am frühen Morgen plötzlich in seinem Hotelzimmer zusammenbrach, nur wenige Minuten, bevor er vor Franchisepartnern eine Rede halten sollte. Mit dem Rettungswagen wurde er in eine nahe Klinik gebracht, doch trotz unablässiger kardiopulmonaler Wiederbelebungsmaßnahmen wurde er beim Eintreffen im Krankenhaus für tot erklärt. Als Ursache wurde ein schwerer Herzinfarkt angegeben. Er hinterließ seine Frau und zwei Kinder. Ich kann mir den Schock, den Schmerz und die Trauer der Familie von James Cantalupo kaum vorstellen, und ich bin in Gedanken bei ihnen.
Und lassen Sie mich schließlich von Dr. John Warner berichten, einem Kardiologen aus Dallas, Texas, der ungeheuer großes Glück hatte. Warner arbeitet als Chefkardiologe am Southwestern Medical Center der Universität von Texas (wo ich vor vielen Jahren meine Ausbildung absolvierte) und ist dort Chief Medical Officer. Vor Kurzem hielt er einen Vortrag vor einigen Tausend Kardiologen und brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass er 52 Jahre alt sei und dass in seiner Familie männliche Angehörige aufgrund von Herzerkrankungen selten ihren 60. Geburtstag erlebten. Er forderte, die Aufmerksamkeit verstärkt auf die Vermeidung von Herzinfarkten zu lenken.
Am nächsten Morgen erlitt er in seinem Hotelzimmer einen Herzinfarkt, der von einem Herzstillstand begleitet war. Dank der schnellen Reaktion seiner Familie und anderer Anwesender wurden Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet. Er wurde mit Elektroschocks behandelt, und im örtlichen Krankenhaus konnte ihm in einer Notoperation ein Stent eingesetzt werden.
Die Tatsache, dass Dr. Warner inzwischen wieder arbeitet, belegt die wunderbare Wirkung sofortiger Wiederbelebungsmaßnahmen und der modernen medizinischen Versorgung, die allerdings bei weniger als 50 Prozent der Opfer eines Herzstillstands erfolgreich sind. Das deutet auf ein eklatantes Problem hin. Warum war sich dieser hochgebildete Mann des drohenden Herzinfarkts nicht bewusst? Welche Untersuchungen können bei Menschen wie ihm durchgeführt werden, um eine stumme Herzerkrankung und deren Ursachen zu erkennen? Und was kann unternommen werden, um den Prozess zu stoppen und rückgängig zu machen? Warner hatte sehr großes Glück, und als Kardiologe ist er in einer Position, die es ihm ermöglicht, die Botschaft zu verbreiten, dass tote Manager, tote Ärzte, tote Rechtsanwälte, tote Wirtschaftsprüfer, tote Vorstandsvorsitzende, tote Geschäftsführer, tote Zahnärzte, tote Professoren, tote Lehrer, tote Polizisten und so weiter weder Boni erhalten noch Urlaubstage oder die Zeit bekommen, ihr Leben zu genießen.
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