Hans Schaller
Wachsen im Gebet
Eine ignatianische Vertiefung
Ignatianische Impulse
Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ
und Martin Müller SJ
Band 58
Ignatianische Impulsegründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.
Ignatianische Impulsegreifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.
Ignatianische Impulsewerden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.
Hans Schaller
Eine ignatianische Vertiefung
Nicht das Vielwissen sättigt die Seele
und gibt Genüge,
sondern das Fühlen und Kosten
der Dinge von innen.
Die Exerzitien, Ignatius von Loyola
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
© 2013 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de
Umschlag: Peter Hellmund
Druck und Bindung: fgb · freiburger graphische betriebe
ISBN
978-3-429-03582-2 (Print)
978-3-429-04701-6 (PDF)
978-3-429-06100-5 (ePub)
Vorwort
1. Im Vorhof des Tempels
2. Auf der Schwelle zu mir selber
3. Allein und abgesondert
4. Wer entschleunigt, sieht mehr
5. Schatten kommen ans Licht
6. Der Geist, der uns beten hilft
7. Die Seele streckt sich aus nach Großem
8. Die Sehnsucht nach der Sehnsucht
9. Bitten um das, was ich will
10. Brosamen für den heutigen Tag
11. Nicht das Vielwissen sättigt die Seele
12. Von Zerstreuungen geplagt
13. Gedanken, die trösten
14. Ein wenig mehr als die volle Stunde
15. Wie ein Freund zum Freund
16. »Nachsehen, wie es ergangen ist«
17. Gott finden in allen Dingen
Anmerkungen
Ignatius von Loyola, der Gründer der Gesellschaft Jesu, ist ein Lehrer des Gebetes. Er weiß, wie man es dabei anstellen muss, wie man es lernt, er weiß aber auch, wie man darin wächst und Fortschritte macht. Er musste es selber lernen. Nicht in Lektionen und Trockenübungen, nicht durch Bücher. Er hat es vielmehr am eigenen Leib gelernt, hat es in seiner Seele durchexerziert. In langen, schmerzlichen Prozessen, auf einsamen Wegen, »allein und zu Fuß«, in verlassenen und öffentlichen Heiligtümern. Auch wenn er dabei das eine oder andere fromme Buch damaliger Zeit in die Hände bekam, blieb er, streng genommen, doch ein geistlicher Autodidakt. Der erste und wichtigste Lehrer, der ihn ins Gebet einführte, war der Heilige Geist, der »die Wahrheit aufdeckt« (Joh 16,13). Durch ihn wurde Ignatius die innere Welt aufgeschlossen, wurden ihm die Gesetze des Gebetes offenbart.
Die meisten Hinweise, wie zu beten sei, finden sich im Exerzitienbuch des Heiligen. Es ist eine Sammlung von Direktiven und Vorschlägen, die als Hilfe gedacht sind, um das eigene Leben innerlich und äußerlich in Ordnung zu bringen. Dabei spielt das persönliche Beten, in das eingeführt werden soll, eine primäre Rolle.
Diese Hinweise zeichnen sich dadurch aus, dass sie ganz handgreiflich sind. Sie gehen ins Detail, sind teilweise sehr minutiös, drängen auf Festlegung und Klärung. Dies so sehr, dass sie über gewisse Strecken hinweg fast etwas schulmeisterlich, wenn nicht gar rezepthaft wirken. Überhaupt könnte das Exerzitienbuch den Eindruck wecken, es ginge um nichts anderes als um Methoden, Stil und Techniken.
Der Eindruck ist verständlich. Aber was Ignatius vermitteln will, ist nicht eigentlich eine Methode, sondern vielmehr eine Haltung, nicht eine Technik der Selbstbeherrschung, sondern eine geistige Einstellung. Wenn auch gezeigt wird, wie man es im Beten praktisch anstellt, so hat dies doch kein anderes Ziel, als eine Haltung des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu bewirken. Der Betende soll in die Gesinnung Jesu hineinwachsen, soll das Leben so begreifen und bejahen, wie es Jesus getan hat. »Seid so gesinnt, wie es dem Leben Jesu entspricht« (Phil 2,5). Eine solche Einweisung in die Gesinnung Jesu wird im Exerzitienbuch schon dadurch klar, dass der Großteil der vorgeschlagenen Meditationen (2.–4. Woche) darin besteht, am konkreten Leben und Schicksal Jesu Maß zu nehmen. Der Exerzitant soll so sehr von diesem Geiste erfüllt werden, dass er kein anderes Ziel mehr verfolgt, als Jesus im konkreten Leben nachzufolgen.
Zunächst kann es interessant und lohnend sein, die hauptsächlichsten Ratschläge, wie sie zur Praxis des Gebetes gegeben werden, einmal auf ihre inhaltlichen Aussagen hin zu befragen. Methodische Hinweise sagen ja immer auch etwas über das Ziel aus, zu dem sie hinführen wollen. So nach dem Satz: Sage mir, wie du dich bewegst, und ich will erraten, was dein Ziel ist. Methode und Ziel, Stil und Inhalt bilden eine tiefe, unlösbare Einheit. Das eine kann vom anderen nicht getrennt werden, auch nicht in der Spiritualität.
Es ist wie beim Erlernen einer Sprache. Wir können trockene Konjugationen üben, Regeln und Eigenheiten zur Kenntnis nehmen, immer geraten wir auch an die Inhalte heran, die in diesen Übungen mitschwingen. So ähnlich im Gebet. Die methodischen Anweisungen enthalten implizit Angaben über das Gottesbild, über das, was Leib und Seele im Menschen ausmachen, über den Sinn des Gebetes selber. Was ist es für ein Gott, zu dem ich auf solche Weise zu beten angehalten werde? Diesen und ähnlichen Fragen wollen die kommenden Gedanken nachgehen.
Es mag für Leserinnen und Leser gut sein, zu vernehmen, wo diese Gedanken entstanden sind, auf welchem Feld sie gewachsen sind. Meistens waren es Exerzitienkurse, größere und kleinere, in denen diese Anleitungen vorgetragen wurden. Exerzitien, wie sie der hl. Ignatius versteht, sind ja immer auch eine Schule des Gebetes. In diesem Rahmen wurden diese methodischen Hinweise als nützlich empfunden. Sie halfen, auf die kleinen Lernschritte zu achten und sie zu tun. Man kam voran.
Sind diese Überlegungen deshalb nur für Fortgeschrittene geeignet oder gar exklusiv für solche, die sich im Gebet üben und gezielt vorankommen wollen? Dass Betende im konsequenten Bemühen immer besser die ihnen eigene Methode finden, dass es darin reale Fortschritte gibt, ist klar. Schon öfters hat sich ein blutiger Anfänger zu einem ausgezeichneten Lehrer entwickelt. Und trotzdem bleiben wir alle, wo immer wir in unserer Gebetsgeschichte stehen, »ewige Anfänger«, müssen mit dem hl. Paulus gestehen, dass wir da, wo wir uns zum Beten anschicken, nicht eigentlich wissen, wie es anzustellen ist (Röm 8,26). Auch da, wo wir uns als Geübte vorkommen, werden wir immer tiefer in die Schule gewiesen, wissen genau, wie wir den Geist Gottes nötig haben. Was Paulus vom Glauben sagt, gilt auch für das Gebet: »Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder dass ich schon vollendet wäre. Aber ich strebe danach, es zu ergreifen, weil auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin« (Phil 3,12).
Читать дальше