Praktische Theologie im reformierten Kontext
herausgegeben von Albrecht Grözinger, Gerrit Immink, Ralph Kunz, Andreas Marti, Christoph Morgenthaler, Félix Moser, Isabelle Noth, David Plüss und Thomas Schlag.
Band 9 – 2013
Die Reihe »Praktische Theologie im reformierten Kontext« versammelt Arbeiten aus der praktisch-theologischen Forschung, die in der konfessionellen Kultur der Reformierten verankert sind. er reformierte Kontext ist einerseits Gegenstand empirischer Wahrnehmung und kritischer Reflexion und andererseits das orientierende Erbe, aus dem Impulse für die zukünftige Gestaltung der religiösen Lebenspraxis gewonnen werden. Er bildet den Hintergrund der kirchlichen Handlungsfelder, prägt aber auch gesellschaftliche Dimensionen und individuelle Ausprägungen der Religionspraxis.
Luca Baschera, Angela Berlis, Ralph Kunz (Hg.)
Gemeinsames Gebet
Form und Wirkung des Gottesdienstes
TVZ
Theologischer Verlag Zürich
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.deabrufbar.
Umschlaggestaltung: Simone Ackermann, Zürich, unter Verwendung einer Fotografie von Andreas Hoffmann (Ausschnitt) aus der Serie «Krethi & Plethi. Christliches und Nachchristliches in Zürich», 1999 © Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich und Katholische Kirche im Kanton Zürich
ISBN 978-3-290-17758-4 (Buch)
ISBN 978-3-290-17229-9 (E-Book)
|XX| Seitenzahlen des E-Books verweisen auf die gedruckte Ausgabe.
© 2014 Theologischer Verlag Zürich
www.tvz-verlag.ch
Alle Rechte vorbehalten
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Titel
Inhalt |5|
Vorwort |7|
Luca Baschera, Ralph Kunz: Der Gottesdienst der Kirche im Widerspiel von formativem und expressivem liturgischem Handeln |9|
Alexander Deeg: Der evangelische Gottesdienst als gemeinsames Gebet |39|
Bernd Wannenwetsch: Die Widerständigkeit des Gottesdienstes am Beispiel der Lesungen
David Plüss: Die Musik liturgischer Bildung
Gottfried Wilhelm Locher, Frank Mathwig: Liturgie als Heimat?
Bruno Bürki: Die Form des reformierten Gottesdienstes
David Holeton: Lex orandi, lex credendi in Anglican Formation
Paul Avis: The Book of Common Prayer and Anglicanism
Thomas Roscher, Holger Eschmann: Der evangelisch-methodistische Gottesdienst zwischen Tradition und Erneuerung
Mattijs Ploeger: Kirchlichkeit, Gebundenheit und Freiheit der Liturgie in altkatholischer Sicht
Angela Berlis: Das missionarische Potenzial der Liturgie
Verzeichnis der Beitragenden
Fußnoten
Seitenverzeichnis
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«Eine Kirche schafft sich keine Liturgie an,
so wie sie sich eine Orgel anschafft,
sondern sie tritt in einem bestimmten Augenblick
in den Gottesdienst der Kirche ein.»
Gerardus van der Leeuw
Überall dort, wo Gottesdienst gefeiert wird, geschieht dies auf der Grundlage einer gegebenen Liturgie. Die Liturgie einer Kirche ist allerdings keine statische Größe, sondern das Resultat einer geschichtlichen Entwicklung, die als solche nie abgeschlossen ist. Mit anderen Worten: Liturgie lebt im Horizont der Tradition und wird weiter tradiert.
Dies bedeutet einerseits, dass keine liturgische Form eine ein für alle Mal gültige Gestalt hat. Was tradiert werden kann, muss reformierbar bleiben. Andererseits wird aber deutlich, dass liturgische Formen auch nicht das Resultat einer vermeintlich «freien» Gestaltung durch Individuen und Gemeinschaften sein können. Ein solches Verständnis würde dem Phänomen «Liturgie» ebenfalls nicht gerecht. Denn, wie das oben angeführte Zitat aus Gerardus van der Leeuws Liturgiek (Nijkerk, 21946) betont: Liturgie wird nicht «angeschafft». Sie ist kein Gegenstand, der hergestellt oder erworben werden kann. Wenn mit liturgischen Fragen im Sinne einer traditionsvergessenen «Gestaltungsfreiheit» umgegangen wird, kann man daher nur auf Irr- und Holzwege geraten.
Jegliche Frage nach Liturgiereform muss somit die Tradition berücksichtigen. Aber von welcher «Tradition» ist hier die Rede? Ist der Usus einer Konfession, einer Territorial- oder diözesanen Ortskirche oder gar die gewohnte Gottesdienstfeier einer lokalen Gemeinde gemeint? Bliebe man auf einer dieser Ebenen stehen, hätte man zwar den Vorteil einer historischen Verortung. Wer so ansetzt, setzt sich aber umso mehr der Gefahr eines «musealen» und sich seiner Vereinzelung im Gesamt der Überlieferung nicht bewussten Umgangs mit der Geschichte der Liturgie aus. Ein rein historisches Verständnis dessen, was überliefert ist, verlangt, nicht zu schnell mit den alten Gewohnheiten und Usancen – wie sich diese auf lokaler, landeskirchlicher, diözesaner oder konfessioneller Ebene ergeben haben – zu brechen.
Gerardus van der Leeuw schlägt ein anderes Verständnis von Tradition vor. Wir halten es für verheißungsvoller. Seine Pointe wird durch die Setzung des unbestimmten und bestimmten Artikels noch schärfer. Er sagt, dass eine Kirche, wenn sie Gottesdienst feiert, in den Gottesdienst der Kirche eintritt. Damit wird zweierlei deutlich: Erstens geht die Tradition, auf die man sich in liturgischen Fragen beziehen sollte, über die lokale, landeskirchliche oder diözesane und auch |8| konfessionelle Ebene hinaus. Gottesdienst kann nur im Horizont des Gottesdienstes der una, sancta, catholica et apostolica ecclesia gefeiert werden. Es geht also nicht in erster Linie um die Pflege bestimmter Gewohnheiten, sondern im Horizont der liturgischen Geschichte der gesamten Kirche Jesu Christi um einen kritischen Blick auf das an einem bestimmten Ort Gegebene und historisch Gewachsene. Zweitens wird deutlich, dass die Vernachlässigung dieser kirchlichen Perspektive Folgen haben muss. Denn eine Kirche, die nicht mehr den Gottesdienst der Kirche feierte, würde zwar etwas feiern, aber ihre Feier wäre kein Gottesdienst mehr.
Im vorliegenden Sammelband wird die kühne Frage nach dem Gottesdienst der Kirche gestellt. Gibt es ihn im Sinne einer idealen Referenzgröße? Was macht ihn aus? Wie wird der eine Gottesdienst in verschiedenen Formen, aber dennoch erkennbar einheitsstiftend gefeiert? Dabei werden Stimmen aus verschiedenen konfessionellen Traditionen laut, unter anderem auch aus der anglikanischen Kirchengemeinschaft, in der 2012 das 350. Jubiläum des «Buchs des gemeinsamen Gebets» (Book of Common Prayer, 1662) für die Kirche von England gefeiert wurde.
Die Beiträge gehen zum Teil auf Referate zurück, die im Rahmen einer gemeinsam vom Lehrstuhl für Praktische Theologie (Universität Zürich) und dem interdepartementalen Kompetenzzentrum Liturgik (Universität Bern) im Juni 2012 in Zürich veranstalteten Tagung gehalten wurden, zum Teil sind sie speziell für diesen Sammelband entstanden. Für alle Beiträge ist die Frage nach der Wirkung der Liturgie leitend. Was macht das «gemeinsame Beten» mit der betenden Gemeinde? Was für eine Wirkung entfaltet es? Ist es bloß Ausdruckshandeln und sich Gott zuwendender Lobpreis der Gemeinde oder muss es vielmehr – theologisch – als eine Praxis betrachtet werden, derer sich Gott bedient, um (trans)formativ auf die Gemeinde zu wirken?
Der vorliegende Sammelband hat selbstverständlich nicht den Anspruch, diese Fragen endgültig zu beantworten. Er enthält aber programmatische Beiträge, die pointiert formuliert sind und – wie wir überzeugt sind – durch die Qualität ihrer Argumente die weitere Diskussion anregen werden.
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