Ob man es nun Kommunismus nennt oder Utopie, Lennon wollte immer ein richtiges politisches Kampflied schreiben. Im Gegensatz zu Songs wie „Working Class Hero“ oder dem Folk-Klassiker „This Land is your Land“ von Woody Guthrie, wird die Botschaft in „Imagine“ aber mit einer eingängigen Melodie und süßlichen Piano-Klängen verziert. Auf diese Weise wird die Botschaft dahinter ein wenig versteckt oder verschleiert. So kommt es dazu, dass dieses „politische Kampflied“ immer wieder bei Hochzeiten oder anderen feierlichen Anlassen von Leuten gesungen wird, die sich über den Text gar nicht so wirklich im Klaren sind. In gewissem Sinne also noch einiges subtiler, als die anderen „Kampflieder“.
Aber versuchen wir mal die Welt nicht ganz so schwarz und weiß zu sehen. Wie sieht es aus mit John Lennon und seiner Spiritualität? „Ich bin Jesus’ größter Fan“, ist ein Satz, den man von John Lennon vielleicht nicht erwarten würde, aber diese Worte hat er tatsächlich mal in einem kanadischen Radiointerview gesagt, Ende der 60er. Angefangen hat alles ähnlich wie bei seinen Beatles-Kollegen. Religiöses Elternhaus, dann die Entfremdung von der Kirche im Teenager-Alter. Lennon wurde mal aus der Kirche rausgeschmissen, weil er während der Messe gekichert hat. Von dem Zeitpunkt an stand er in gewissem Sinne auf Kriegsfuß mit der Idee der organisierten Religion. Einer der größten Konflikte für ihn war, dass er Yoko Ono nicht in der Kirche heiraten konnte, weil er schon vorher verheiratet und geschieden wurde. Die Kirche hat er daraufhin als „spießig“ bezeichnet. Natürlich muss hier auch sein Interview von 1966 erwähnt sein, in dem er die Beatles als ‚populärer als Jesus’ bezeichnet hat. Später hat er die Worte gleichzeitig verteidigt und relativiert. „Ich habe nie gesagt, dass das was Gutes ist, aber ich glaube, dass die Beatles auf die Jugend einen größeren Einfluss haben als Christus.“ Die Beatles, fügt er hinzu, haben immer auf der Seite Jesu gestanden, wenn auch nicht auf der Seite der Religion. Wenn das mehr Leuten bewusst wäre, sagt er, würden zwar die Kirchen nicht voller, aber in den Diskotheken würden viel mehr Menschen tanzen, die sich als Christen bezeichnen. Eine unerwartete Wendung hat ihm 1977 der Fernsehfilm „Jesus von Nazareth“ beschert. Anscheinend hat ihn der Film so bewegt, dass er sich danach als „bekehrten Christen“ bezeichnet hat. Mit Frau Yoko und Sohn Sean wurde er kurz danach auch in der Messe zum Ostersonntag gesehen, mit feinem Anzug und allem. Wie überzeugt er von diesem Wandel war, oder ob es nur die fixe Idee eines exzentrischen Künstlers war, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Auf jeden Fall hat ihn seine Frau nach diesem überraschenden Wandel doch relativ schnell wieder davon überzeugen können, dass er doch viel mehr in den fernöstlichen und meditativen Religionen und Weltanschauungen zuhause ist. Das Thema des bekehrten John Lennon hatte sich damit erledigt.
Und was ist mit „Imagine“? Steckt trotz „and no religion, too“ ein Glaube, eine Weltanschauung drin? Entstanden ist das Lied einerseits durch die Inspiration verschiedener Gedichte von Yoko Ono, aber auch durch ein christliches Gebetbuch, das ihm der schwarze Bürgerrechtler Dick Gregory geschenkt hatte. Lennon sagt, in diesem Buch hat er die Inspiration gefunden aus „Imagine“ ein Gebet zu machen. Als „positives Gebet“ bezeichnet er das. Wenn man sich eine Welt ohne Grenzen, ohne Krieg und ohne Religion vorstelle, dann habe dieses ‚Gebet’ auch die Kraft, das zu vollbringen. Interessanterweise fügt er direkt hinzu, dass keine Religion für ihn definitiv nicht das gleiche heißt wie kein Gott. Es heißt nur keine „Mein-Gott-ist-besser-als-deiner“-Religion, die seiner Meinung nach das ganze Leid und die Spaltung in die Welt bringt. „Ich wurde mal von einer christlichen Gemeinschaft gefragt, ob ich den Text zu ‚and one religion, too’ ändern kann, diese Leute haben es nicht verstanden und nur auf sich bezogen.“
Ist also „Imagine“ dann doch kein kommunistisches Manifest gegen den Glauben und will nur, dass die Menschen alle in Frieden mit ihrem eigenen Gott leben? Das wäre wieder zu schwarz-weiß. Yoko Ono hat vor ein paar Jahren im Interview gestanden, dass sie als Rechteverwalterin sehr viele Anfragen von Künstlern bekommt, die das Lied covern wollen. „Die meisten bitten mich drum, die Zeilen über die Religion doch raus lassen zu dürfen. Ich habe jedes Mal abgelehnt.“
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