2. Geld regiert die Welt
Geld und seine Wirkung
Funktionen des Geldes
Geld als Beziehungsgestalter
Jokervorteil Geld
Psychologie des Geldes
Kapital
Geld und Eselsmist – Die franziskanische Perspektive
Franziskus: Rigorose Ablehnung des Geldes
Geldverbot in der Bruderschaft
Geld als Gegen-Sakrament des Teufels
Bedeutung der Arbeit
Gratuitas, Liberalitas und Bonität – Franziskanische Wirtschaftstheorien
Franziskanische Beiträge zur Theorie der Ökonomie
Franziskanische Aspekte einer gerechten Ökonomie
Franziskanische Aspekte einer solidarischen Ökonomie
Problematik des Zinses
Zins erzeugt exponentielles Wachstum
Biblisches Zinsverbot
Jesuanische Lehre
Position der Kirchenväter
Zinsverbot im Mittelalter
Zins in der Neuzeit
Zins und Bodenbesitz
Zinsverbot im Islam
Montes Pietatis – Die franziskanische Antwort auf Zins
3. Franziskanische Kapitalismuskritik
Kapitalismus heute
Funktionsweise des Kapitalismus
Finanz- und Wirtschaftskrise
Negative Auswirkungen des Kapitalismus
Biblischer Hintergrund
Tora
Schutz der Armen
Botschaft Jesu
Güterteilung in der Urgemeinde
Kapitalismus als Religion?
Kapitalismuskritik von Papst Franziskus
Götzendienst des Geldes
Kritik am zügellosen Kapitalismus
Anthropologische Krise
Ein anderes Wirtschaftssystem?
Stellungnahmen christlicher Kirchen
4. Solidarische Ökonomie
Spiritualität einer solidarischen Ökonomie
Gier als Sünde oder Tugend
Kategorie Solidarität
Kultur des Lebens
Beitrag der Religionen
Bausteine zu einer postkapitalistischen Wirtschaft
Das Fundament
Änderung der Einstellung
Suffizienzstrategie
Neues Verständnis der Arbeit
Umgang mit Zeit
Abschied vom Wachstumsparadigma
Die Säulen des Hauses
Säule 1: Finanz- und Geldsystem
Reform des Finanzmarkts
Ethische Geldanlagen
Reduktion auf eine Geldfunktion
Regionale Währungen
Säule 2: Gemeinwohlorientierung
Ökologisches Steuersystem
Gemeingüter: Teilen von Ressourcen
Gemeinwohlindex
Allgemeines Grundeinkommen
Säule 3: Partizipation
Mitbestimmung aller Betroffenen
Neue Sozialformen – Autonomie und Subsistenz
Effizienzstrategie
Einkauf: bio, regional und fair
Das Dach
Bauplan und Baugenehmigung
Handlungsblockaden
Konkretionen und erste Schritte
Schlusswort
Anmerkungen
Zum Weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
„Von Wirtschaft habe ich keine Ahnung“, lautet der häufige Einwand, wenn es um ein Urteil zu unserer derzeitigen Wirtschaftsform geht. In der Tat: Ökonomie ist ein komplexes Gebilde. Sie ist Teil des Systems Kapitalismus. Jede und jeder profitiert in unterschiedlichem Maße von seinen Vorzügen und leidet unter seinen negativen Folgen. Da mittlerweile alle Bereiche unseres Lebens ökonomischen Interessen unterliegen, ist es angebracht, sich mit diesem System kritisch auseinanderzusetzen. „Diese Wirtschaft tötet“, so hat es Papst Franziskus auf den Punkt gebracht. Einem System, das Tote produziert, kann ich nicht gleichgültig gegenüberstehen. Auch als Nichtfachmann bzw. Nichtfachfrau bin ich herausgefordert, mich kritisch mit seinen Auswirkungen auseinanderzusetzen.
Der vorliegende Band beleuchtet das System Kapitalismus aus christlich-franziskanischer Perspektive. Als Christ habe ich biblische Leitmotive, die sich aus den prophetischen Mahnungen und jesuanischen Weisungen ergeben. Sie zeigen auf, dass die kapitalistischen Leitmotive in krassem Widerspruch zur göttlichen Botschaft stehen. Als Kirchen und Ordensgemeinschaften sind wir in das kapitalistische Wirtschaftssystem verstrickt und tragen es zu großen Teilen mit. Es geht um einen Bewusstseinswandel in unserem Fühlen, Denken und Handeln, der sich an der biblischen Botschaft orientiert. Erst eine Umkehr, ein anderes Denken im Sinne eines solchen Bewusstseinswandels ermöglicht die Sensibilität, aus einem solchen System des Todes auszusteigen und ein alternatives System des Lebens zu gestalten. Wie dieses konkret aussieht, lässt sich bisher nur erahnen. Es bedarf erster Schritte im Sinne eines Experimentierens und Ausprobierens – hin zu einer solidarischen Ökonomie, die in Gerechtigkeit dem Leben aller dient.
1. Ein gutes Leben
Aufgabe der Wirtschaft
Jeder Mensch sehnt sich nach einem „guten Leben“, das seine persönlichen Bedürfnisse befriedigt. Dazu zählen nach Abraham Maslow (1908–1970) physiologische Bedürfnisse wie Nahrung und Kleidung, das Bedürfnis nach Sicherheit in Form von Wohnung und Arbeitsplatz, soziale Bedürfnisse mit den Beziehungsfeldern Freundeskreis, Partnerschaft und Familie, das Wertschätzungsbedürfnis mit den Aspekten Anerkennung, Status, Prestige, Macht sowie das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, zu dem Individualität, Selbstentfaltung, Freiheit und spirituelles Leben gehören. Aufgabe der Wirtschaft ist es, die materielle Grundlage des menschlichen Lebens zu sichern, so dass auch andere Bedürfnisse wie das nach Selbstverwirklichung gelebt werden können. Aufgabe der Menschen ist es, das Wirtschaftssystem so zu gestalten, dass es ihren Bedürfnissen entspricht. Derzeit ist es eher umgekehrt, dass das Wirtschaftssystem die Menschen und ihre Lebensweisen bestimmt.
Unsere Wirtschaftsform ist eingebunden in das kapitalistische System. Kennzeichen dieses Systems ist, dass die Beteiligten in höchst unterschiedlicher Weise Zugang zu den Produktions- und Finanzmitteln haben. Das kapitalistische System ist geprägt vom „immer mehr“, vom „immer größer“, „immer höher“, „immer weiter“. Es ist Ausdruck des menschlichen Strebens nach Besitz und Reichtum und des damit vermeintlich verbundenen Lebensgenusses. Die kapitalistischen „Verheißungen“ haben sich in die Herzen und Köpfe von Milliarden von Menschen eingeprägt. Die eingeschliffenen Gefühls-, Denk- und Handlungsgewohnheiten verstellen den kritischen Blick auf das derzeitige wirtschaftliche System mit seinen negativen Folgen. Bestimmte Gesetzmäßigkeiten werden quasi als „Naturgesetz“ hingenommen und nicht mehr hinterfragt. Dazu zählt die Tatsache, dass unser Lebensstandard das Ergebnis zerstörerischer Ausbeutung natürlicher und menschlicher Ressourcen ist. Unser Wohlstand basiert in Teilen auf eigener Tüchtigkeit, im Wesentlichen aber auf der Ausbeutung von Lebensgrundlagen und Mitmenschen. Die negativen Folgewirkungen sind hinreichend bekannt, reichen aber nicht aus, um auf vernunftlogischer Ebene zu grundlegenden Veränderungen zu führen.
Zweifel am Wachstumsparadigma
Wie das Ende des real-existierenden Sozialismus gezeigt hat, kann jedes System nur dann auf Dauer bestehen, wenn es von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung kann nur dann Bestand haben, wenn sich die Menschen in ihr wohlfühlen, sich einbringen und sie gestalten. Bisher hat es der Sozialstaat Deutschland verstanden, das Bewusstsein zu verbreiten, in einigermaßen gerechten Verhältnissen zu leben, wenngleich zwei Drittel der Deutschen die derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als ungerecht empfinden. Noch ist die soziale Exklusion in Deutschland ein vergleichsweise marginales Phänomen. In der Bundesrepublik hat die Wohlstandsvermehrung der letzten Jahrzehnte dazu beigetragen, dass der Kapitalismus (in Form der Sozialen Marktwirtschaft) als alternativlos wahrgenommen wird. Dass das kapitalistische System auf Dauer die eigenen Lebensgrundlagen zerstört, wird dabei bewusst oder unbewusst ausgeblendet.
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