Quo primum des Missale von 1570 untersucht werden. Darauf aufbauend sollen die unterschiedlichen traditionsbasierten Theorien einer Überprüfung ihrer Stichhaltigkeit unterzogen werden. Erstens wird die Unwiderruflichkeitstheorie des Missale von 1570 aufgrund der entsprechenden Wortwahl von Papst Pius V. in der Bulle
Quo primum untersucht werden. Zweitens wird die Privilegientheorie, nach welcher Papst Pius V. in der Bulle
Quo primum das Privileg verliehen habe, in alle Zeit die Eucharistie nach dem Missale aus dem Jahr 1570 zu feiern, einer Betrachtung unterzogen werden. Und drittens wird die Gewohnheitsrecht-Theorie, nach welcher die Feier der Eucharistie in der tridentinischen Form ein Gewohnheitsrecht darstelle, das nicht explizit widerrufen worden sei, analysiert werden. Im zweiten Schritt steht die Immunisierungstheorie im Mittelpunkt, welche unter Rückgriff auf den vierten Artikel der Liturgiekonstitution
Sacrosanctum Concilium behauptet, dass das Zweite Vatikanische Konzil selbst das Missale von 1962 gegen eine ersetzende Reform immunisiert habe. Im Zuge der Überprüfung der Plausibilität dieses Erklärungsansatzes wird hierbei zunächst der Weg zur Liturgiekonstitution
Sacrosanctum Concilium – angefangen von der Liturgie nach dem Trienter Konzil bis in das 19. Jahrhundert, weiter gehend über die Liturgische Bewegung und ihrem Streben nach
participatio actuosa , über die Enzyklika
Mediator Dei aus dem Jahr 1947, bis hin zum
Missale Romanum von 1962 – betrachtet werden. Anschließend wird die Liturgiekonstitution
Sacrosanctum Concilium selbst in den Mittelpunkt rücken, um zu ergründen, ob sich die Immunisierungstheorie tatsächlich aus der Konstitution herleiten lässt. In der Folge sollen zur Ermöglichung einer abschließenden Bewertung der Theorie noch die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Zunächst werden hierbei die Reformschritte in der Liturgie in den Jahren nach dem Konzil im Mittelpunkt stehen, um anschließend die Umsetzung von
Sacrosanctum Concilium im
Missale Romanum von 1970 und im
Codex Iuris Canonici von 1983 zu untersuchen. Abschließend wird die Frage zu klären sein, ob ein Liturgieverständnis der vorkonziliaren Zeit mit der des Konzils ekklesiologisch überhaupt zu vereinbaren ist. In einem dritten Schritt wird die Theorie der fehlenden Rechtmäßigkeit der Liturgiereform untersucht werden, die hauptsächlich von Georg May vertreten wurde und nach welcher der
Ordo Missae Papst Pauls VI. ein ungerechtes Gesetz darstelle, dem man keine Folge leisten müsse, da die neue Form der Messe dem Gemeinwohl abträglich sei. Zu untersuchen wird hier sein, ob und inwieweit die – zumindest in Westeuropa – in den letzten Jahrzehnten hervorgetretenen Krisenerscheinungen der Katholischen Kirche tatsächlich auf die liturgischen Reformen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bis zur Etablierung der neuen Messe zurückgeführt werden können. Im vierten Schritt werden Theorien im Mittelpunkt stehen, die unter Rückgriff auf die Abänderungsklausel der Apostolischen Konstitution
Missale Romanum aus dem Jahr 1969 versuchen, eine vermeintlich weiter bestehende Gültigkeit der Messe von 1962 zu begründen. Zunächst werden hierbei Argumentationen untersucht werden, welche versuchen, die Existenz der Schlussklausel der Apostolischen Konstitution
Missale Romanum zu verschweigen. Anschließend wird die
Derogatio -Theorie, welche aufgrund der Verwendung von
derogatio in der Abänderungsklausel mutmaßt, dass Papst Paul VI. gar nicht die Abschaffung der alten Messe intendiert habe, sondern lediglich ein Zusatzangebot zum Missale Papst Pius’ V. habe schaffen wollen, sowie die Theorie einer Kardinalskommission im Jahr 1986, nach welcher liturgische Normen keine Gesetze im eigentlichen Sinne seien und man sie daher auch nicht wirklich abschaffen könne, einer Überprüfung unterzogen werden. In einem fünften Schritt sollen dann Theorien einer Weitergeltung der alten Messe analysiert werden, welche die nach der Einführung der neuen Messe bestehenden Ausnahmeregelungen für die Messe von 1962 als Beleg für ihre weitere Gültigkeit anführen. Einerseits wird hier nur das als verboten angesehen, was niemals auch nur im Rahmen einer Ausnahmeregelung weiterhin erlaubt war – die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Feier der neuen Messe, die für alte und kranke Priester gemacht wurden, dienen hier als Ausgangspunkt der Argumentation. Andererseits ist auf Grundlage der im Jahr 1984 durch Papst Johannes Paul II. erteilten Vollmacht an die Diözesanbischöfe zum Gebrauch des Indults – welches die Feier der Messe nach dem
Missale Romanum von 1962 unter bestimmten Umständen wieder ermöglichte – die theoretische Möglichkeit zu berücksichtigen, dass eine spätere Erlaubnis mit einer durchgängigen Erlaubnis gleichgesetzt werden könnte. Letztendlich soll in diesem Zusammenhang noch der Ausschluss und die Integration von Anhängern der alten Messe am Beispiel der Pius- und Petrusbruderschaft beleuchtet werden. In einem letzten großen Schritt ist schließlich noch nach den Intentionen Papst Benedikts XVI. zu suchen, welche ihn zur Herausgabe des
Motu Proprio Summorum Pontificum , mitsamt der
numquam abrogata-These in Bezug auf die alte Form der Messe, veranlasst haben könnten. Am Anfang steht hier das Wirken Joseph Ratzingers bis zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils. Anschließend soll das Zweite Vatikanische Konzil in den Mittelpunkt rücken, um zu klären, welchen Einfluss Joseph Ratzinger möglicherweise selbst, oder in indirekter Form durch Josef Kardinal Frings, auf das Konzil gehabt haben könnte. Im Anschluss werden die für die Liturgie relevanten Äußerungen Ratzingers, welche er in seinen Werken in der nachkonziliaren Zeit bis zum Beginn seines Pontifikats getätigt hat, einer Untersuchung unterzogen werden. Auch sollen mögliche Tendenzen untersucht werden, die auf eine zunehmende Beschneidung der
postestas ordinaria propria der Ortsordinarien auf liturgischer Ebene hinweisen könnten – denn nichts anderes hat ja Benedikt XVI. getan, als er nun primär nur noch den Willen der jeweiligen Gläubigen als Entscheidungskriterium für die Feier der Messe von 1962 festgemacht hat. Abschließend bleibt in diesem Kontext die Frage zu beantworten, ob Papst Benedikt XVI. mit seiner
numquam abrogata -These möglicherweise eine verbindliche Neudeutung des Gesetzgebungsaktes Papst Pauls VI. unter Rückgriff auf die primatiale Vollgewalt vornehmen wollte. Im Anschluss an die verschiedenen Erklärungsansätze für die
numquam abrogata-Theorie Papst Benedikts XVI. wird noch ein kurzer Abriss der Entwicklungen der letzten Jahre vorgenommen werden, der einerseits die Untersuchung der
receptio legis beinhalten wird, andererseits die Haltung von Papst Franziskus zur alten Messe anhand seines Apostolischen Schreibens
Evangelii Gaudium beleuchten soll. Am Ende der Arbeit soll ein Gesamtfazit der zuvor behandelten Aspekte und Theorien gezogen werden.
1 Vgl. Benedikt XVI., Apostolisches Schreiben Motu Proprio Summorum Pontificum vom 7. Juli 2007, in: AfkKR 176 (2007), 519-525.
2 Vgl. ebd., 521.
3 Benedikt XVI., Litterae apostolicae. «Motu proprio» datae. De usu extraordinario antiquae formae Ritus Romani, in: AAS 99 (2007), 779.
4 Benedikt XVI., Brief des Heiligen Vaters Papst Benedikt XVI. an die Bischöfe anlässlich der Publikation des Apostolischen Schreibens Motu Proprio Summorum Pontificum über die römische Liturgie in ihrer Gestalt vor der 1970 durchgeführten Reform vom 7. Juli 2007, in: AfkKR 176 (2007), 526.
Kapitel 1: Das Motu Proprio Summorum Pontificum
Das Motu Proprio beginnt mit der grundlegenden Feststellung, dass
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