Am Laufzeitende wird ein Verkauf der Immobilie zu einem geschätzten Kaufpreis von 15.000 Tsd. EUR unterstellt. Den Eigenkapitalgebern stehen 20 % der möglichen Mehrerlöse aus dem Immobilienverkauf zu. Die Ansprüche der Token-Inhaber sind nachrangig zu dem Bankdarlehen und vorrangig zu den Ansprüchen der Eigenkapitalgeber. Demnach kann die Ausschüttung an die Token-Inhaber erst dann erfolgen, wenn Zins-/und Tilgungszahlungen für das Bankdarlehen geleistet wurden. Nach der Verwertung der Immobilie kann das Bankdarlehen vollständig zurückgeführt werden. Abschließend wird der Wert der Token durch die Diskontierung der erwarteten Zahlungsströme ermittelt. Der Kapitalisierungszinssatz repräsentiert die Rendite aus einer äquivalenten Alternativanlage. Da die Charakteristika des zugrunde liegenden Nachrangdarlehens den Merkmalen eines Eigenkapitalinstrumentes entsprechen, kann die Ermittlung des risikoadäquaten Diskontierungssatzes auf Basis des CAPM erfolgen. Für Bewertungszwecke unterstellen wir einen Opportunitätszinssatz von 10 %.
Tab. 6:Wertableitung
in EUR Tsd. |
Periode 1 |
Periode 2 |
Periode 3 |
Periode 4 |
Periode 5 |
Cashflow an Token-Inhaber |
195 |
199 |
203 |
208 |
9.202 |
Kapitalisierungszinssatz |
10 % |
10 % |
10 % |
10 % |
10 % |
Barwertfaktor |
0,91 |
0,83 |
0,75 |
0,68 |
0,62 |
Barwert |
177 |
165 |
153 |
142 |
5.714 |
Summe |
6.351 |
|
|
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Wert/Token in EUR |
1,27 |
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|
88
Im Rahmen der durchgeführten DCF-Bewertung ergibt sich im Anwendungsbeispiel eine Bewertung in Höhe von 1,27 EUR je Token.
89
Mithilfe von Security und Asset-backed Token können Vermögensgegenstände, sowie die mit diesen in Verbindung stehenden Rechte und Pflichten, in einer digitalisierten Form abgebildet werden. Dabei wird auf das Potenzial hingewiesen, dass diese Token bei der Erfassung und dem Handel von Eigentumsansprüchen beispielsweise traditionelle Wertpapiere teilweise ersetzen könnten. Dieser Trend könnte sich auf eine Vielzahl von Assetklassen ausweiten.58 Zusätzliche Ausführungen zur Tokenisierung bestimmter Assetklassen finden sich in dem Beitrag zum materiellen Zivilrecht (vgl. Kap. 6 Rn. 85ff.). Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Besonderheiten und Grundsätze einer holistischen Bewertung der Security und Asset-backed Token zu diskutieren.
90
Anhand des dargestellten Beispiels zu einem fiktiven Token, der sich auf Immobilien bezieht, haben wir gezeigt, dass das in der Bewertungspraxis weit verbreitete Discounted-Cashflow-Verfahren bei der Bewertung von Security und Asset-Backed Token herangezogen werden kann. Die Relevanz dieses Vorgehens wird durch den durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA angeführten Grundsatz „Substance over Form“59 verdeutlicht. Demnach ist es möglich, Security und Asset-backed Token trotz ihrer digitalisierten Form analog zu anderen Finanzinstrumenten mithilfe von etablierten Ansätzen zu bewerten. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass die zu bewertenden Krypto-Assets die juristischen und wirtschaftlichen Eigentumsrechte an ihrer Nutzung oder an den mit ihnen in Verbindung stehenden Zahlungsströmen verbriefen.
2. Utility Token
a) Grundlagen
91
Utility Token sind Krypto-Assets. Diese beziehen sich in der Regel auf eine Plattform oder ein Ökosystem. Einerseits können Utility Token ihren Inhabern Zugangsrechte zu bestehenden oder noch zu entwickelnden zukünftigen Produkten oder Dienstleistungen einer Blockchain-basierten Netzwerkplattform gewähren. Diese Rechte beziehen sich auf die Handlungen, die die Token-Inhaber auf der zugrunde liegenden Plattform ausüben dürfen oder auf die Vorteile, die sie aus dieser ziehen können.
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Utility Token können sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Dennoch ist es möglich bestimmte Eigenschaften zu identifizieren, anhand derer eine Klassifizierung von Utility Token erfolgen kann. Diese beziehen sich insbesondere auf deren wesentliche Funktion. Utility Token können den Token-Inhabern einerseits Zugangsrechte einräumen und ihnen den Zugriff auf eine Plattform oder ein Netzwerk ermöglichen. Andererseits können Utility Token zur Begleichung von Transaktionsgebühren auf einer Plattform genutzt werden.60
93
Basierend auf diesen Eigenschaften sowie den damit verbundenen Rechten und Pflichten können Utility Token den folgenden Untergruppierungen zugeordnet werden:
– Utility Token, die den Inhabern Zugang zu Netzwerkprodukten und -diensten gewähren. Diese sind in ihren Merkmalen mit bestimmten Transaktionsmitteln vergleichbar, die nicht auf der Blockchain basieren (z.B. Geschenkgutscheine, Treuemeilen, Kundenbonuspunkte). Diese Token können auch als interne Netzwerkwährung fungieren. Diese Art von Utility Token werden auch als Voucher Token bezeichnet.
– Utility Token, die ihren Inhabern das Recht gewähren, zur Netzwerkfähigkeit beizutragen (z.B. das Recht, Netzwerkfunktionalität zu entwickeln). Diese werden daher teilweise als Work Token bezeichnet.61
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Aus der Natur von Utility Token ergeben sich bei deren Bewertung eine Vielzahl von Fragestellungen und Herausforderungen. Utility Token können sich in ihrer Ausgestaltung und Funktionalität stark unterscheiden. Die Projekte, die Utility Token emittieren, haben zudem oftmals sehr innovative Geschäftsmodelle. Beispielsweise befinden sich die meisten Projekte, die eine Kapitalbeschaffung mithilfe von ICOs durchführen, im Anfangsstadium ihrer Entwicklung. Daher muss das zukünftige Geschäfts- und Nutzungspotenzial eines Utility Tokens bei dessen Bewertung abgeschätzt werden. Hierbei sind insbesondere Schätzungen hinsichtlich der zukünftigen Produkt- und Marktentwicklung vorzunehmen.
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Sofern keine Preise für einen Utility Token an einem liquiden Markt beobachtet werden können und zusätzlich keine Preise von Token mit vergleichbaren Spezifikationen vorliegen, ist gemäß der zuvor dargestellten Fair-Value-Hierarchie bei der Bewertung auf einen Modellwert abzustellen. Dieses Modell sollte berücksichtigen, dass sich der fundamentale Wert eines Utility Tokens aus den zugrunde liegenden Produkten oder Dienstleistungen ableitet, die der Token-Inhaber in dem jeweiligen Netzwerk nutzen kann.
96
Ein Ansatz zur Bewertung von Krypto-Assets, der sich insbesondere für die Bewertung von Utility Token eignet,62 ist die von Chris Burniske vorgeschlagene Equation of Exchange.63 Diese beruht auf der Quantitätstheorie des Geldes („QTM“). Bei diesem Bewertungsansatz können Analogien zu den klassischen, zahlungsstrombasierten Bewertungsverfahren wie beispielweise der Discounted-Cashflow-Methode (DCF) gezogen werden. Dennoch gibt es auch einen grundlegenden Unterschied. Bei der traditionellen DCF-Bewertung wird der Fair Value des Vermögenwertes durch die risikoadjustierte Diskontierung zukünftiger, erwarteter Zahlungsströme bestimmt. Die Rechte, die sich für den Halter eines Utility Token ergeben, sind jedoch nur schwer mit traditionellen Zahlungsströmen vergleichbar. Es wird davon ausgegangen, dass der Nutzen der Token-Inhaber mit zunehmender Größe des zugrunde liegenden Netzwerks oder anders ausgedrückt dem zugrunde liegenden Blockchain-Ökosystem steigt (ähnlich wie die Marktkapitalisierung von Aktiengesellschaften). Dieser Nutzen wird als „Current Utility Value“ („CUV“) bezeichnet. Unter dieser Annahme kann die traditionelle QTM zur Bewertung von Utility Token umgestellt werden.
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