(2) Renditen vergleichbarer Instrumente: Für die Bewertung von Fremdkapitalinstrumenten (Anleihen, Schuldverschreibungen, nachrangige Darlehen usw.) wird der Kapitalisierungszinssatz häufig basierend auf der Analyse von börsennotierten Vergleichsinstrumenten abgeleitet. Aufbauend auf dem Äquivalenzgedanken der Bewertung muss die Alternativanlage hinsichtlich ihrer Unsicherheit und ihrer zeitlichen Struktur äquivalent zu dem zu kapitalisierenden Zahlungsstrom sein. Die größte Herausforderung stellt die Auswahl der börsennotierten Vergleichsinstrumente dar. Eine weitere Komplexität entsteht dadurch, dass Security und Asset-backed Token häufig analog zu exotischen Wertpapieren (Wandelanleihen, Genussscheine mit erfolgsabhängiger Gewinnbeteiligung usw.) ausgestaltet wurden. Für diese Vergleichsinstrumente sind oftmals keine öffentlichen Kursnotierungen verfügbar.
(3) Renditeanforderungen potenzieller Investoren: Zusätzlich können Renditeforderungen von Investoren betrachtet werden, die als mögliche Käufer des zu bewertenden Krypto-Assets in Frage kommen. Ausgehend von dem Entwicklungsstadium und des Risikoprofils vieler Krypto-Assets können in diesem Zusammenhang Private-Equity-Investoren und Venture-Capital-Investoren betrachtet werden. Diese formulieren ihre Renditeziele regelmäßig als Internal Rate of Return (IRR).
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Insofern für die Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes auf liquide Vergleichsinstrumente abgestellt wurde, ist zu überprüfen, ob der zu bewertende Token ebenfalls liquide ist. Sollte dies nicht zutreffen, hat sich in der Bewertungspraxis (insbesondere im angelsächsischen Raum) die Anwendung von weiteren Wertanpassungen in Form von Fungibilitätsabschlägen etabliert.52 In der deutschen Fachliteratur wird die Anwendung von Abschlägen auf einen Wert bzw. von Zuschlägen auf Bewertungszinssätze kritisch hinterfragt.53 Neben dem bereits im Abschnitt IV diskutierten Ansatz zur nachträglichen, pauschalen Anpassung des ermittelten modellbasierten Wertes kann in einem DCF-Verfahren die fehlende Fungibilität über einen Zuschlag im Kapitalisierungszinssatz erfolgen. Dies kann entweder über eine pauschale Erhöhung des Zinssatzes erfolgen54 oder bei der Ermittlung des Eigenkapitalkostensatzes kann bereits auf eine liquiditätsadjustierte Version des CAPM zurückgegriffen werden.55 Zusätzlich kann auf die Renditeanforderungen von Investoren abgestellt werden, die regelmäßig oder primär in illiquide Assets investieren. Diese berücksichtigen die Illiquidität bereits bei ihrer Preisfindung. Zu diesen Investoren können unter anderem Private-Equity-Investoren und Venture-Capital-Investoren gezählt werden.
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Im nächsten Abschnitt stellen wir ein praxisorientiertes Fallbeispiel dar und leiten exemplarisch den Wert eines fiktiven, mit Immobilien besicherten Tokens ab.
c) Fallbeispiel
aa) Ausgangslage/Bewertungsobjekt
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In dem nachfolgenden Anwendungsbeispiel wird unterstellt, dass ein Ferienappartementkomplex für 10 Mio. EUR erwerben werden soll. Es wird geplant, diesen über fünf Jahre zu betreiben. Anschließend soll die Immobilie möglichst zu einem Preis veräußert werden, der den Anschaffungspreis übersteigt. Die Finanzierung dieser Investition soll auf den folgenden Instrumenten beruhen, die mit absteigendem Rang aufgelistet werden:
(1) Bankdarlehen – 5.000 Tsd. EUR (50,0 %), endfällig, Zins 1,5 % p.a.;
(2) Nachrangige, tokenbasierte Schuldverschreibung – 4.990 Tsd. EUR (49,9 %);
(3) Eigenkapital – 10 Tsd. EUR (0,1 %).
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Somit sind die Ansprüche der Token-Inhaber nachrangig zu denjenigen des Bankdarlehens. Die Token-Inhaber haben zudem kein Stimmrecht. Sie können daher keinen Einfluss auf das operative Geschäft der Gesellschaft ausüben.
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In der nachfolgenden Tabelle werden die weiteren Konditionen des Tokens dargestellt.
Tab. 4:Konditionen des Tokens aus dem Fallbeispiel
Charakteristika |
Beschreibung |
Art |
Nachrangige, tokenbasierte Schuldverschreibung. |
Nennbetrag |
4.990 Tsd. Stück zu je 1 EUR. |
Laufzeit |
Fünf Jahre. Bei einer Veräußerung der Immobilie ist die Gesellschaft berechtigt, die tokenbasierten Schuldverschreibungen vorzeitig außerordentlich zu kündigen. |
Verzinsung |
Die variable, erfolgsabhängige Vergütung entspricht dem Betrag, um den die Mieterlöse die Kosten der Immobilie und den sonstigen Aufwand der Gesellschaft übersteigen. Somit werden sämtliche laufenden Erträge an die Token-Inhaber ausgeschüttet. Andernfalls erfolgen keine Zahlungen an die Token-Inhaber. |
Tilgung |
Die tokenbasierten Schuldverschreibungen sind nach dem Ende der Laufzeit zum Nennbetrag zurückzuzahlen. |
Partizipation an Mehrerlösen aus Immobilienverkauf |
80 % eines möglichen Mehrerlöses aus der Veräußerung der Immobilie nach fünf Jahren |
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Trotz der fehlenden Stimmrechte der Token-Inhaber ist deren Risikoposition mit derjenigen eines Eigenkapitalgebers vergleichbar. Dies liegt darin begründet, dass die Ausschüttungen an die Token-Inhaber erfolgsabhängig sind und den normalen Geschäftsrisiken einer Anlage in Immobilien unterliegen.
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Typischerweise werden derartige Token an Sekundärmärkten gehandelt. Daher liegen für diese Token öffentliche Kursnotierungen vor. Diese Kurse stellen jedoch lediglich einen Tagespreis an einem Markt dar. Im Gegensatz hierzu stellt der DCF-Wert auf den Barwert der zukünftigen finanziellen Überschüsse ab, die dem Token-Inhaber im Zusammenhang mit dem Eigentum zufließen. Ferner wird der Börsenkurs von vielfältigen weiteren Einflussfaktoren beeinflusst. Hierzu zählen z.B. die Marktenge, Spekulationen, psychologische Dynamiken, allgemeine Börsentendenzen und Analysteneinschätzungen. Im Zuge einer fundamentalen Bewertung eines Token empfiehlt es sich jedoch, vorhandene Börsenkurse für Plausibilisierungszwecke heranzuziehen. Sofern wesentliche Abweichungen zwischen dem ermittelten DCF-Wert und dem Börsenkurs bestehen, sollten die der Bewertung zugrunde liegenden Annahmen und Prämissen nochmals kritisch hinterfragt werden.56
bb) Ableitung der relevanten Zahlungsströme und Bewertung
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Bei der Anwendung eines kapitalwertorientieren Verfahrens werden zuerst die erwarteten Zahlungsströme geschätzt, die den unterschiedlichen Kapitalgebern zufließen werden. Den Ausgangspunkt hierfür bilden die Cashflows, die aus der Bewirtschaftung und dem Verkauf der Immobilie erzielt werden. In der nachfolgenden Tabelle wird die Ermittlung der Zahlungsströme dargestellt:
Tab. 5:Ermittlung der relevanten Zahlungsströme
in EUR Tsd. |
Periode 1 |
Periode 2 |
Periode 3 |
Periode 4 |
Periode 5 |
Mieteinnahmen |
600 |
612 |
624 |
637 |
649 |
Betriebskosten |
(200) |
(204) |
(208) |
(212) |
(216) |
Verwaltungskosten |
(50) |
(51) |
(52) |
(53) |
(54) |
Instandhaltungskosten |
(50) |
(51) |
(52) |
(53) |
(54) |
Abschreibungen |
(200) |
(200) |
(200) |
(200) |
(200) |
Jahresergebnis vor Steuern |
100 |
106 |
112 |
118 |
125 |
Steuern |
(30) |
(32) |
(34) |
(36) |
(37) |
Net Operating Profit After Taxes (NOPAT) |
70 |
74 |
78 |
83 |
87 |
Abschreibungen |
200 |
200 |
200 |
200 |
200 |
Veräußerungserlös Immobilie57 |
– |
– |
– |
– |
15.000 |
Verfügbarer Cashflow |
270 |
274 |
278 |
283 |
15.287 |
Zinszahlungen |
75 |
75 |
75 |
75 |
75 |
Tilgungszahlungen |
– |
– |
– |
– |
5.000 |
Davon an Bankdarlehen |
75 |
75 |
75 |
75 |
5.075 |
100 % der laufenden Erträge |
195 |
199 |
203 |
208 |
212 |
Rückführung Nennbetrag |
– |
– |
– |
– |
4.990 |
80 % des Mehrerlöses aus Immobilienverkauf |
– |
– |
– |
– |
4.000 |
Davon an Token-Inhaber |
195 |
199 |
203 |
208 |
9.202 |
Davon an Eigenkapitalgeber (Residualwert) |
– |
– |
– |
– |
1.010 |
87
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