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Die Re-Zentralisierung auf Ebene der Miner und Mining-Pools ist folgenden Tatsachen geschuldet:
– Es gibt substantielle Skaleneffekte beim Aufbau von Rechenzentren.
– Da Stromkosten einen signifikanten Anteil der Mining-Kosten ausmachen, lohnen sich Großabnehmerverträge mit Versorgungsunternehmen und die Ansiedlung in der Nähe von Kraftwerken.
– Um die Kosten für die Kühlung der Rechenzentren zu reduzieren, ist häufig der Neubau von Rechenzentren in kalten Klimazonen sinnvoll.
– Für das Ausführen des Hashing-Vorgangs kommen Spezial-Chips (ASIC) zum Einsatz – diese zu entwickeln und zu produzieren (derzeit in 7 nm-Technologie) lohnt sich erst ab sehr hohen Stückzahlen.
– Selbst große Rechenzentren würden einen sehr volatilen Cashflow generieren, da der Erfolg beim Proof-of-Work-Wettbewerb stochastisch verteilt ist. Ein Zusammenschluss zu Mining-Pools ist also unter Risiko-Return-Gesichtspunkten sinnvoll, da er die statistischen Effekte glättet.
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Die Re-Zentralisierung ist also aus Sicht der Miner logisch nachvollziehbar und konsequent. Sie ist aber durchaus problematisch, da gemäß den Governance-Regeln (siehe oben) die Miner faktisch die Entscheidungsträger des Bitcoin-Netzwerks sind.
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Von der Idee eines Netzwerks „von den Nutzern für die Nutzer“ ist also nicht viel übriggeblieben. Eine Handvoll Mining-Pools hat die Rechenpower, die Mehrzahl aller Proof-of-Work-Wettbewerbe zu gewinnen. Wenn Mining-Pools es wollten, könnten sie sich zusammentun und das Bitcoin-Netzwerk unter ihre Kontrolle bringen. Sie machen das nicht, da sie mit Milliarden im Bitcoin-Netzwerk investiert sind. So wird der Proof-of-Work quasi zum Proof-of-Stake (siehe Rn. 96ff.): Die Teilnehmer verhalten sich im Sinne der Gemeinschaft, weil sie stark investiert („ge-staked“) sind und eine Rendite auf ihr Investment erwirtschaften wollen.
III. Wesentliche Varianten der DLT/der Blockchain-Technologie
1. Übersicht der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale
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In den mehr als zehn Jahren seit dem Nakamoto -Paper haben sich – befeuert von der grundsätzlich am Open-Source-Paradigma orientierten Arbeit der Blockchain-Community – hunderte Varianten der DLT und Blockchain-Technologie gebildet, auf deren Basis weltweit tausende DLT/Blockchain-Instanzen betrieben werden.
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Varianten existieren u.a. hinsichtlich:
– Blockzeit,
– Konsensmechanismus,
– DLT versus Blockchain,
– Anonymität,
– Zugang,
– Möglichkeit von „Smart Contracts“.
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Die beiden letztgenannten Punkte sind fundamentaler Natur, weshalb wir sie später in separaten Abschnitten behandeln. Zu den vorgenannten Punkten sei hier Folgendes bemerkt.
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Als Blockzeit bezeichnet man die Zeitdauer, die eine Blockchain zum Erzeugen eines neuen Blocks benötigt. Die Bitcoin-Blockchain hat eine Ziel-Blockzeit von 10 Minuten. In regelmäßigen Abständen evaluiert die Bitcoin-Blockchain die tatsächlichen Blockzeiten und erhöht die Schwierigkeit des Proof-of-Work, falls die Blockzeiten zu kurz werden.
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Andere Blockchain-Netzwerke gehen andere Wege. Z.B. lässt Ethereum die Blockzeit relativ weit (zwischen 10 und 30 Sekunden) schwanken; im Fall von Litecoin (einer ansonsten sehr eng an die Bitcoin-Blockchain angelegten Technologie) liegt sie bei ca. 2,5 Minuten.
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Kürzere Blockzeiten sind für den Endkunden attraktiv – er erfährt dann schneller, ob seine Transaktion Eingang in den nächsten Block gefunden hat. Sie bedeuten allerdings einen höheren „Overhead“, insbesondere in Systemen, die auf einem Proof-of-Work-Verfahren basieren.
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In puncto Sicherheit gilt der Proof-of-Work als der Gold-Standard. Das Verfahren hat sich durch seinen Einsatz in der Bitcoin-Blockchain als äußerst robust erwiesen. Es hat allerdings immanent hohe Kosten in Form von Computer-Infrastruktur und Energieverbrauch. Das Wesen dieses Konsensverfahrens ist es ja, eingesetzte Rechenarbeit nachweisen zu müssen.
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Es haben sich daher andere Konsensmechanismen entwickelt, auf die wir im Folgenden eingehen werden.
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Proof-of-Stake (Nachweis, dass man etwas zu verlieren hat – dass etwas „at stake“ ist, dass man investiert ist) bezeichnet einen Konsensmechanismus, bei dem der Teilnehmer, der den nächsten Block erzeugen darf, auf Basis einer gewichteten Zufallsauswahl ermittelt wird, wobei die Gewichte der einzelnen Teilnehmer aus ihrem in der Blockchain liegendem Vermögen (dem „Stake“) ermittelt werden. Es gibt Varianten, die zusätzlich noch die Zeitdauer der Teilnahme am Netzwerk gewichtet miteinbeziehen.
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Im Gegensatz zum Proof-of-Work kommt der Proof-of-Stake ohne energieintensives Mining aus – außerdem ist dieses Verfahren naturgemäß um Größenordnungen schneller, ermöglicht also einen höheren Durchsatz an Transaktionen.
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Das dargestellte Verfahren garantiert zweierlei: Aufgrund der Zufallsauswahl ist es für Teilnehmer, die eine Manipulationsabsicht hätten, nicht vorhersehbar, wann sie einen Block erzeugen dürfen. Außerdem wird davon ausgegangen, dass Teilnehmer mit einem hohen Stake (also Teilnehmer, die in einem hohen Maß in der Blockchain investiert sind) ein hohes Interesse haben, diese intakt und funktionsfähig zu halten.23
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Das Blockchain-Netzwerk Ethereum plant, im Laufe des Jahres 2021 von Proofof-Work auf Proof-of-Stake umzustellen (Ethereum 2.0).24
bb) Delegated-Proof-of-Stake (DPoS)
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Eine Weiterentwicklung des Proof-of-Stake-Verfahrens ist der „Delegated-Proof-of-Stake“. Bei dieser Variante wird die Gewichtung bei der Auswahl des zum Zug kommenden Knotens nicht auf den eigenen Anteil an Ressourcen (auf den eigenen „Stake“) bezogen. Stattdessen wird in einer nach Stake gewichteten Wahl von den Teilnehmern eine Gruppe von Vertretern gewählt, die die nächsten Blöcke signieren dürfen. Das Recht, Blöcke zu signieren, wird also an diese gewählten Vertreter delegiert.
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Delegated-Proof-of-Stake wird von einigen der größten und aktivsten Blockchain-Netzwerken als Konsensalgorithmus genutzt, darunter EOS, Tezos, Steem und Tronix.
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Beim Proof-of-Authority wählen die Teilnehmer – nach einem jeweils festzulegenden Verfahren – eine Gruppe von als besonders vertrauenswürdig geltenden Teilnehmern aus, die dann – ähnlich wie beim Proof-of-Stake – für das Signieren der Blöcke zuständig sind. Hierzu ist es allerdings in der Regel notwendig, dass die Identität dieser Teilnehmer bekannt ist.
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Der Proof-of-Authority stellt durch das Herausheben der Teilnehmer „mit Autorität“ gegenüber den „normalen“ Teilnehmern eine gewisse Aufweichung der Grundideen von Dezentralität und Gleichheit und eine Annäherung an traditionelle Transaktionssysteme dar.
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Abschließend sei erwähnt, dass es sehr aktive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich der Konsensalgorithmen gibt und dass wir hier nur einen Blick auf die wichtigsten derzeit im Einsatz befindlichen Verfahren geben konnten.
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Eine technisch bedeutsame, aber für den Endnutzer oft wenig sichtbare Unterscheidung ist die zwischen der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und der Blockchain-Technologie. Dabei ist DLT der Oberbegriff, d.h. jede Blockchain ist auch eine DLT, aber nicht umgekehrt.
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Hier eine Übersicht über die wichtigsten Unterschiede zwischen der Distributed-Ledger-Technologie im Allgemeinen und einer Blockchain im engeren Sinne:
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