Herausgeberschaft der Reihe praxis
im hep verlag
Prof. Dr. Jürg Arpagaus
Prorektor, Mitglied der Hochschulleitung der Pädagogischen Hochschule Luzern (PH Luzern), Verantwortlicher für die Bereiche Berufsbildung, Aus- und Weiterbildung von Schulleitungen sowie Weiterbildung von Lehrpersonen aller Stufen.
Prof. Dr. Marc Eyer
Institutsleiter Sekundarstufe II
Pädagogische Hochschule Bern ( PHBern)
Dozent für Interdisziplinarität an der PHBern
Prof. Dr. Esther Kamm
Abteilungsleiterin Sekundarstufe I
Pädagogische Hochschule Zürich ( PH Zürich)
Prof. Dr. habil. Manfred Pfiffner
Professur Fachdidaktik der beruflichen Bildung
Pädagogische Hochschule Zürich ( PH Zürich)
Dr. phil. Andreas Schubiger
Rektor, stv. Direktor, Leitung Abteilung Berufspädagogik
Zentrum für berufliche Weiterbildung ( ZbW ), St. Gallen
Prof. Dr. Christoph Städeli
Abteilungsleiter Sekundarstufe II/Berufsbildung
Pädagogische Hochschule Zürich ( PH Zürich)
Dagmar Bach, Joseph Eigenmann, Jürgmeier, Georges Kübler
Lernen ist meine Sache
Schule als Ort des Lernens – vier Variationen
ISBN Print: 978-3-0355-0688-4
ISBN E-Book: 978-3-0355-0689-1
Umschlagbild: Ronja Sakata
1. Auflage 2017
Alle Rechte vorbehalten
© 2017 hep verlag ag, Bern
www.hep-verlag.ch
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Vom Objekt der Belehrung zum Subjekt des Lernens
Georges Kübler Trotzdem lässt die Schule Lernen zu
Individualisierung als Simultanschach
Joseph Eigenmann Lernentwicklung: Wenn Erfolge ausbleiben
Die Not mit den Noten
Dagmar Bach Reden kann auch Gold sein – Coaching von Berufslernenden
Lehrperson und gleichzeitig Coach?
Jürgmeier Die Schule ist nicht zum Lernen da oder Lernen verhandeln
Die Autorin, die Autoren
Lernen unter schwierigen Voraussetzungen – vier Sichtweisen
Geprägt durch unterschiedliche Bildungs- und Berufsbiografien sowie durch verschiedene Erfahrungen in der allgemeinen und beruflichen Bildung, verbinden uns zwei Gemeinsamkeiten: zum einen unsere langjährige Arbeit in der Aus- und Weiterbildung von Bildungsbenachteiligten; zum andern beschäftigen wir uns alle intensiv – praktisch und konzeptionell – mit der fachkundigen individuellen Begleitung (FiB[1]) im Rahmen der zweijährigen beruflichen Grundbildung. Dabei stossen wir immer wieder auf grundsätzliche Fragen zum Lernen, zur Schulentwicklung, zu Bildungszielen und zur Unterrichtsmethodik.
Vor diesem Hintergrund beabsichtigten wir ursprünglich, mit diesem Buch einen Diskussionsbeitrag zur Praxis der fachkundigen individuellen Begleitung FiB zu leisten. Es zeigte sich jedoch bald, dass FiB in einen grösseren Zusammenhang gehört. Im Kern geht es um das, was Lernen möglich macht. Und es geht auch darum, dass Lernen im Unterricht an so viele Grenzen stösst, besonders das Lernen von Menschen, die es damit schwer haben.
Wir diskutierten also nicht nur FiB, sondern auch das Lernen in der Berufsbildung – sei es in der zwei-, der drei- oder der vierjährigen Lehre. Wir rangen mit den bekannten Fragen: «Was kann ich als Lehrer oder Berufsbildnerin erreichen, wenn ich mit Jugendlichen über das Lernen spreche? Wie arbeite ich mit ihnen, wenn sie nicht dort ankommen, wo Betrieb und Schule mit ihnen hinwollen?» Auf der Suche nach Antworten wurden die Fragen nochmals umfassender und grundsätzlicher: «Unter welchen Bedingungen arbeiten wir eigentlich in der Schule? Wie kann Lernen stattfinden?» Auf diesem Weg blieben wir zwar verankert im gedanklichen Umfeld, aus dem wir gestartet waren, demjenigen des Lehrgangs «Grundlagen der fachkundigen individuellen Begleitung», wie er seit bald zehn Jahren an der Pädagogischen Hochschule Zürich geführt wird. Wir kamen aber darüber hinaus in der Weite unseres Bildungssystems an – auch dieses ist Gegenstand unserer Texte.
Nun liegt ein Buch vor, das sich mit Lernen befasst und mit dem Umfeld, in dem Leistung sowie Minderleistung entstehen. In der Hauptsache beschäftigen wir uns mit den Menschen, die sich in der Berufsbildung bewegen – als Lernende und Lehrende. Wir wenden uns nicht nur an die sogenannten FiB-Personen, an Berufsbildnerinnen und Lehrer, sondern auch an Schulleitungen, Bildungspolitikerinnen, Eltern – vielleicht bekommt sogar einmal eine Schülerin oder ein Schüler dieses Buch in die Hand.
Rund um die Entstehung der vorliegenden Texte haben wir uns zu vielen Gesprächen getroffen. Mitgeschnittene Gesprächssequenzen bilden den Roten Faden, der unsere vier sehr unterschiedlichen Beiträge verbindet. Die Gespräche machen unsere persönlichen, gemeinsamen und widersprüchlichen Haltungen sichtbar.
Wir wollen die Leserinnen und Leser dieses Buches zum Experimentieren ermutigen – sie anfeuern, wenn sie sich selbst und andere immer wieder zur Neugier anstiften. Und sie dabei unterstützen, sich pragmatisch im bestehenden System des Lernens beziehungsweise Lehrens zu bewegen.
Dagmar Bach, Joseph Eigenmann, Jürgmeier und Georges Kübler Zürich, 2016
Vom Objekt der Belehrung zum Subjekt des Lernens
Joseph Eigenmann (je):Ich frage mich jeweils, ob in jedem Fall Lernen stattfindet, wenn ich unterrichte. Die jeweilige Unterrichtsstufe spielt dabei gar nicht unbedingt eine Rolle. Oder wird manchmal nur so getan, als ob gelernt wird? Ich befürchte, dass die Jugendlichen und Erwachsenen, vor allem mit tieferem Bildungsniveau, verhältnismässig wenig lernen, wenn sie in der Berufsausbildung sind, und dass sie einen ganz grossen Teil des rasch angeeigneten Wissens wieder vergessen.
Jürgmeier (jm):Für mich ist die Frage, warum Jugendliche im Schulkontext tendenziell wenig und in anderen Kontexten zum Teil sehr viel lernen. Es gibt Jugendliche, die betreiben fast professionell Sport, das ist mit sehr viel Mühsal, Krampf, Schweiss verbunden, und längst nicht alle kommen am Schluss an die Olympischen Spiele oder spielen in der Champions League. Trotzdem trainieren sie oder gehen mehrmals pro Woche in Tanzgruppen, total seriös und trotz aller Frustrationen. Die gleichen Jugendlichen sitzen in der Schule desinteressiert da.
je:Was mich an deinem Gedankengang aufhorchen lässt, ist, dass motivierte Lernende, die schulunabhängig ihren Weg machen, sich einsetzen, sich überwinden, auf etwas strukturiert hin arbeiten und trainieren, das ist das eine, und ich sage: Grossartig, ist es so, ist das ein Problem für uns? Nein, im Gegenteil, es müsste doch so sein, dass im Unterricht immer dasselbe passiert. Warum passiert es dort nicht?
jm:Genau darum ist es ein Problem, weil es eben nicht passiert.
je:Ja, aber warum ist es so? Weil die Lernenden gar nicht wissen, was sie tun sollen, sie können die Vorgaben, die der Unterricht macht, nicht interpretieren, sie können viele Ziele nicht zu ihren eigenen machen, weil in dieser Auseinandersetzung, in dieser Zieldiskussion etwas fehlt.
Georges Kübler (gk):Meine Aufgabe ist es, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, die gestellten Anforderungen zu erfüllen, sie möglichst fit für die Anforderungen zu machen, und nicht, sie dazu anzustiften, die Anforderungen zu ändern. Es nützt nichts, wenn sie infrage stellen können, ob das Curriculum wirklich dem entspricht, was die Praxis fordert. Das Qualifikationsverfahren kommt, und das Verdikt «nicht bestanden» kommt.
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