Forschung ist für Franz Eberle nie Selbstzweck. Es war für ihn neben dem nuancierten Praxisbezug selbstverständlich, die eigenen Forschungsbefunde in seine Lehre einfließen zu lassen. Damit trug er zur Valorisierung von Forschungsergebnissen bei. Ein weiteres großes Anliegen war ihm die Förderung einer konstruktiven Haltung und eines differenzierten Blicks von Studierenden und seinen Mitarbeitenden, wenn Forschungsergebnisse in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Die Verzahnung von Forschung und Lehre gelang unter anderem dadurch, dass er gemeinsam mit Prof. Dr. Philipp Gonon maßgeblich und kontinuierlich zum Ausbau des Profils «Berufs- und Wirtschaftspädagogik» innerhalb der Erziehungswissenschaft beitrug und damit dessen Bedeutung an der Universität Zürich steigerte.
3Franz Eberle als Mensch
In beruflicher Hinsicht darf ein zentraler Puzzlestein zur Erklärung seiner oben skizzierten Erfolgsgeschichte nicht unerwähnt bleiben: Franz Eberle handelt immer als menschlicher Kollege, der gut und genau zuhört und sich aufgrund einer begründeten Sachlage eine Meinung bildet. Platzhirschverhalten, Aktionismus und Interventionismus sind ihm unbekannt – gerade dadurch erfährt er allerhöchsten Respekt und prägte auf diese Weise ein positives und unterstützendes Klima für sein Team und für das gesamte Institut.
Sicherlich ist eine Festschrift nicht der Ort, in dem private Aspekte in Tiefe ausgebreitet werden. Dennoch sei es erlaubt, einige Dinge anzusprechen, die Franz Eberle als Mensch auszeichnen: Dass er ein «Bergmensch» ist, dürfte all denjenigen bekannt sein, die Gelegenheit hatten, ihn persönlich kennenzulernen. Nicht nur, dass er seit vielen Jahren in einem wunderschönen Haus weit oberhalb des Walensees wohnt, sondern auch die Tatsache, dass er ein passionierter Berggeher und Alpinist ist, ist erwähnenswert. Die Berge sind für ihn identitätsstiftend, und trotz seiner sehr zeitintensiven beruflichen Tätigkeit hat er sich immer die Freiheit genommen, die nahe und ferne Bergwelt zu erkunden. Neben weiten Reisen mit seiner Frau Anna-Katharina nach Nepal oder zum Kilimandscharo unternimmt er regelmäßig Ski- oder Alpintouren, die ob ihrer Schwierigkeit den meisten Menschen zeitlebens versagt bleiben werden. Und die Kraft und Ruhe für den Alltag hat er sich allwöchentlich durch Bergläufe auf seinen – Zitat – «nur» 2000 Meter hohen Hausberg, den Gulmen, geholt.
Franz Eberle hat in seinem privaten und beruflichen Leben viele Berge erklommen und sicherlich auch das eine oder andere Tal durchschritten. Es bleibt ihm zu wünschen, dass er nach seiner Pensionierung noch zur einen oder anderen Bergtour ansetzen wird – der Eintrag im «Gipfelbuch» der Schweizerischen Gymnasial- und Wirtschaftspädagogik ist ihm jedoch sicher!
Doreen Holtsch, Maren Oepke, Stephan Schumann
St. Gallen, Zürich und Konstanz im November 2018
Perspektiven auf das Schweizer Bildungssystem und Herausforderungen an das Lehren und Lernen
Josef Widmer
Wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Schweizer Bildungssystems
1Einleitung
In der Schweiz genießen die Bildung und das hoch differenzierte Bildungssystem mit seinen allgemeinbildenden sowie berufsbezogenen Bildungsgängen einen besonderen Stellenwert. Unser Bildungssystem vermittelt geistige, kulturelle, lebenspraktische und arbeitsmarktbefähigende Kompetenzen und trägt somit viel zur Teilhabe der Schweizer Bevölkerung an Gesellschaft, Wirtschaft und Politik bei. Mangels natürlicher Ressourcen ist es absolut zentral für den Zusammenhalt der Bürgerinnen und Bürger und für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz, dass alle Akteure, sei es in der Schulpraxis, der Verwaltung oder auch der Forschung, ihrer Verantwortung gerecht werden und für die Bildung und für unser erfolgreiches Bildungssystem Sorge tragen.
Herausforderungen wie der technologische und digitale Fortschritt, starke Migrationsbewegungen oder der demografische Wandel stellen das Bildungssystem zunehmend vor Herausforderungen. Um den Anforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft dennoch gerecht zu werden, muss sich das Bildungssystem fortwährend weiterentwickeln. Damit Reformen aber auch die gewünschte Wirkung erzielen, müssen sie gut überlegt und fundiert geplant sein. Eine besondere Rolle kommt dabei der Forschung zu, denn sie liefert den Bildungsverantwortlichen jene Grundlagen, die für eine evidenzbasierte Steuerung des Bildungssystems unverzichtbar sind. Forschende, die regelmäßig über den Tellerrand ihres Forschungsbereichs hinausschauen, die in der Lage sind, gesamtsystemische Konsequenzen ihrer Forschung zu analysieren und sich dann auch noch in der politischen Hemisphäre sicher bewegen und ihre Forschung praxisnah valorisieren können, sind rar. Es ist mir deshalb eine Ehre, Herrn Prof. Dr. Franz Eberle, der diese Fähigkeiten vereint, anlässlich seiner Emeritierung zu würdigen.
Prof. Dr. Franz Eberle leistete mit seinen Beiträgen sowohl zur gymnasialen Maturität wie auch im Bereich der Berufsbildung wichtige Beiträge zum Erfolg des Schweizer Bildungssystems. Dank seines Mitwirkens in verschiedenen Projekten konnten Erkenntnisse mit weitreichenden Folgen für die Gestaltung einzelner Bildungsangebote, des Bildungssystems, für Lehrmethoden sowie für Bildungsinhalte gewonnen werden. Wie sehr der Bund seine Expertise schätzt, wird allein schon dadurch sichtbar, dass der Bund kompetitiv vergebene Forschungsprojekte unter der Leitung oder Mitarbeit von Prof. Dr. Franz Eberle immer wieder unterstützte. Um die Breite seines Schaffens angemessen zu würdigen, soll nachfolgend sowohl auf seine Forschung im Bereich der allgemeinen Bildungsangebote wie auch im Bereich Berufsbildung eingegangen werden.
2Evaluation der Maturitätsreform 1995 (EVAMAR), Phase II
2.1Wichtige Daten für die politische Steuerung
Im Sommer 2001 lancierten Bund und Kantone eine gesamtschweizerische Evaluation der durch das Reglement / die Verordnung über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR/MAV) von 1995 eingeleiteten Reform der gymnasialen Maturitätsbildung. Diese Evaluation wurde in zwei Phasen durchgeführt. In der ersten Phase (2002–2005) wurden im Wesentlichen folgende drei Themen bearbeitet: die Passung von Wahlfachangebot und Interessen der Schülerinnen und Schüler sowie die Auswirkungen auf den Ausbildungserfolg, insbesondere die subjektiv wahrgenommene Qualität der Vorbereitung auf ein Hochschulstudium; die Umsetzung der fächerübergreifenden pädagogischen Ziele; und die Bewältigung der Reformen durch die Schulen.
Im Sommer 2005 beschlossen die politischen Behörden von Bund und Kantonen dann den Beginn der zweiten Evaluationsphase (EVAMAR II). In dieser Studie wurden weitere Aspekte der Maturitätsbildung untersucht. Der Fokus lag auf der objektiven Erfassung des Ausbildungsstandes der Schülerinnen und Schüler am Ende des Gymnasiums. Erforscht wurde somit die Qualität der gymnasialen Ausbildung und der Maturität. Durch die kompetente Leitung und die große Expertise von Prof. Dr. Franz Eberle konnten dank EVAMAR II bedeutende Erkenntnisse für Gesellschaft und Wirtschaft gewonnen werden.
Der Schlussbericht zur Phase II der EVAMAR-Studie mit mehreren Empfehlungen für das Gymnasium wurde 2008 publiziert (Eberle et al., 2008). Die bildungspolitischen Folgen sind zahlreich: Gymnasiale Bildungsziele konnten konkretisiert, die basalen Kompetenzen im Rahmenlehrplan berücksichtigt und Möglichkeiten zur Sicherung der Qualität der gymnasialen Bildung und des prüfungsfreien Zugangs zu universitären Hochschulen aufgezeigt werden. Der starke Einfluss von EVAMAR II auf die Bildungssteuerung äußert sich auch in der Tatsache, dass eine Fachgruppe der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) Ende 2008 aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Studie Empfehlungen zuhanden der politischen Behörden erarbeiten konnte. Die EDK und das damalige Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF) haben sich ab 2009 mit diesen Empfehlungen auseinandergesetzt und das weitere Vorgehen diskutiert. Zwischen 2010 und 2012 wurde das Thema auch in verschiedenen Gremien diskutiert und in den Medien behandelt.
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