Suzanne Maudet - Dem Tod davongelaufen

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Unmittelbar nach Kriegsende aufgeschrieben, erzählt dieser Bericht von der gelungenen Flucht von neun Frauen, die in der französischen Résistance gekämpft hatten und von den Nazis deportiert worden waren. Aus dem KZ Ravensbrück waren sie in das Außenlager Leipzig-Schönefeld verschleppt worden, wo sie Zwangsarbeit für einen Rüstungskonzern leisten mussten. Auf dem Todesmarsch im April 1945 wagen sie die Flucht und erreichen nach acht wechselvollen Tagen die amerikanischen Linien. Dieser Text vibriert geradezu vor Lebenslust, ist beflügelt von der euphorischen Vorfreude auf die Freiheit.

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SUZANNE MAUDETwurde am 10. November 1922 in Argenteuil, Département Seine-et-Oise, geboren. Sie war in der Jugendherbergsbewegung Ligue française pour les auberges de jeunesse (LFAJ) und nach der deutschen Besatzung in der Résistance aktiv. Kurz nach ihrer Heirat wurde sie am 22. März 1944 zusammen mit ihrem Mann René in Paris verhaftet und im Juni 1944 nach Deutschland deportiert. Nach kurzer Haftzeit im KZ Ravensbrück musste sie in einem Frauenaußenlager von Buchenwald in Leipzig-Schönefeld Zwangsarbeit für den Rüstungskonzern HASAG leisten. Auf dem Todesmarsch nach der Evakuierung des Lagers gelang ihr im April 1945 zusammen mit acht Mitgefangenen die Flucht. Am 2. Mai 1945 kehrte sie nach Frankreich zurück. Suzanne Maudet starb am 14. Mai 1994.

Suzanne Maudet

Dem Tod davongelaufen

Wie neun junge Frauen

dem Konzentrationslager

entkamen

AUS DEM FRANZÖSISCHEN VON INGRID SCHERF

HERAUSGEGEBEN VON PATRICK ANDRIVET & PIERRE SAUVANET

Originaltitel Neuf filles jeunes qui ne voulaient pas mourir Editions - фото 1

Originaltitel: Neuf filles jeunes qui ne voulaient pas mourir

© Editions Arléa, Paris 2004

Es gibt kein gemeinsames Foto der neun Frauen, von denen in diesem Buch die Rede ist. Das Titelfoto der französischen Originalausgabe, das wir für dieses Buch übernommen haben, zeigt eine Szene nach der Befreiung des KZs Bergen-Belsen im April 1945. Auch wenn es sich um andere Frauen handelt, drückt das Foto das Glück der Befreiung aus, das für den Bericht Suzanne Maudets so prägend ist.

Foto Umschlag: Wikimedia/Imperial War Museum, London

© der deutschsprachigen Ausgabe: Berlin/Hamburg 2021

Assoziation A, Gneisenaustraße 2a, 10961 Berlin

www.assoziation-a.de, hamburg@assoziation-a.de, berlin@assoziation-a.de

Gestaltung: Andreas Homann

eISBN 978-3-86241-637-0

Inhalt

Vorwort

Flucht ist das Schönste

INGRID SCHERF

Dem Tod davongelaufen

1. Tag

2. Tag

3. Tag

4. Tag

5. Tag

6. Tag

7. Tag

8. Tag

Nachwort

PATRICK ANDRIVET & PIERRE SAUVANET

Anmerkungen

Vorwort

Flucht ist das Schönste

INGRID SCHERF

Der vorliegende Text Dem Tod davongelaufen – Wie neun junge Frauen dem Konzentrationslager entkamen handelt von der Flucht von neun jungen deportierten Frauen, die am 14. April 1945 mit Tausenden anderen in Leipzig aus einem KZ-Außenlager auf die Straße getrieben worden waren – in Fünferreihen auf einen Todesmarsch Richtung Osten.

Suzanne Maudet hat für die kleine Gruppe, die schließlich die Flucht wagte, die Erlebnisse ihres gefährlichen Wagnisses sofort nach ihrer Heimkehr nach Paris aufgeschrieben. Weil »uns das Abenteuer in jeder Hinsicht so erstaunlich erschien« und »um es unseren Kindern erzählen zu können«.

Die unmittelbare Nähe zum Erlebten verleiht dem Bericht eine bestechende, ungewöhnlich lebendige Ausdruckskraft: Was hier erzählt wird, ist – trotz aller Schrecknisse – auf ganz eigene, mitreißende Weise optimistisch.

Die jungen Frauen waren unabhängig voneinander im Sommer 1944 aufgrund ihrer Tätigkeit für die Résistance verhaftet worden. Sie wurden zunächst in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert und dann in das Außenlager Leipzig-Schönefeld des Konzentrationslagers Buchenwald zur Zwangsarbeit verlegt. Auf diesem leidvollen Weg hat ihre Freundschaft, ihre Jugend und ihre Lust zu (über-)leben sie fest zusammengeschweißt.

Die Französinnen Christine, Jacky, Mena, Nicole, Zaza und Zinka, die beiden Holländerinnen Guillemette und Lon sowie Josée, die gebürtige Spanierin, waren Neuf femmes jeunes qui ne voulaient pas mourir (Neun junge Frauen, die nicht sterben wollten) – so der Titel der französischen Originalausgabe. Sie nutzten eine Unaufmerksamkeit ihrer Bewacher und flohen im April 1945 aus der Gefangenenkolonne in einen Feldweg.

Die plötzliche, selbst wiedergewonnene Freiheit verlieh den jungen Frauen ungeheure Kraft. Sie kamen durch mit ihrem kecken Mut. Eine Woche liefen sie über deutsche Felder und durch deutsche Dörfer auf die amerikanische Frontlinie zu. Dann waren sie in Sicherheit. Die Gemütsbewegung, die sie erfasst hatte, umschrieb die Holocaust-Überlebende Ruth Klüger auf ihre eigene Biografie bezogen mit dem Satz: »Die Flucht war das Schönste, damals und immer noch.«

Die jungen Frauen hatten Gewalt, stundenlanges Appellstehen, Hunger und Erschöpfung des Arbeitslageralltags überlebt. Sie hatten unter schwersten Bedingungen in Zwölf-Stunden-Schichten in der Fertigung von Munition und Granaten in der Hugo und August Schneider AG (HASAG), einem deutschen Rüstungskonzern, gearbeitet.

Sie wussten, sie würden nur zusammen überleben – das Lager, die Zwangsarbeit in der Fabrik, den Todesmarsch. Ihre größte Angst war, getrennt zu werden. Gegen ihre Solidarität aber würden die Aufseher*innen mit ihren Peitschen und Maschinengewehren machtlos sein.

Auf dem Weg in die Freiheit erinnerten sie sich immer wieder an das Erlebte, an die erfahrene Brutalität gleichermaßen wie an den Zusammenhalt und die rührende Aufmerksamkeit ihrer Mitgefangenen. Gerade durch die Beiläufigkeit, mit der die Geschehnisse im Lager, die Verbrechen der Wachmannschaften in den Bericht ihrer »schönen« Flucht einfließen, bleiben diese im Gedächtnis haften – wie das Klappern der Holzpantinen der zu Tode erschöpften Gefangenen auf dem sächsischen Pflaster: Eine Allegorie dieses letzten Marsches, der für viele den Tod bedeutete, für diese jungen Frauen die Flucht ins Leben.

Durch eine glückliche Fügung haben wir heute mehr über die neun Frauen erfahren, die in Suzanne Maudets Bericht nur mit ihren Vor- bzw. Decknamen genannt werden. Im Frühjahr 2021, fast zeitgleich mit dieser deutschen Übersetzung, erschien das Buch The Nine von Gwen Strauss. Die in Haiti geborene Autorin, deren Großvater 1934 vor den Nazis geflüchtet war, ist die Großnichte von Hélène Podliasky, alias Christine. Gwen Strauss suchte nach Spuren in Archiven, interviewte Verwandte und Freund*innen, reiste mehrere Male nach Deutschland, traf Überlebende und las Zeitzeug*innenberichte von französischen Widerstandskämpferinnen, um die Puzzlesteine der Geschichte dieser Frauengruppe zusammenzutragen und in das Zeitgeschehen einzubetten. Ihrer Recherche ist es zu verdanken, dass wir heute Näheres über die Identität und die Lebensgeschichten der Protagonistinnen dieses Buches wissen. Diese Frauen waren alle unter dreißig, als sie sich der Résistance anschlossen, Waffen schmuggelten, die Kommunikation zwischen verschiedenen lokalen Verbänden koordinierten, Fluchtrouten organisierten, Verfolgte versteckten.

Christine, so der nom de guerre von Hélène Podliasky, war eine brillante Ingenieurin und arbeitete im Nordosten von Frankreich für ein Netzwerk der Résistance. Sie war 24, als die Gestapo sie verhaftete. Nachdem sie schwer gefoltert worden war, wurde sie im Februar 1944 in einem Transport mit 200 anderen Frauen nach Deutschland deportiert. Bei der Ankunft im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück begegnete sie ihrer Schulfreundin »Zaza« Suzanne Maudet: Christine, kühl rechnend, Mathematikerin durch und durch, und Zaza, grenzenlose Optimistin, humorvoll und geduldig, waren von da an unzertrennlich. Zaza hatte erlebt, wie die Deutschen in Paris einmarschierten, sie schienen unbesiegbar. Als ersten Widerstandsakt hatte sie ASSASSIN, das heißt Mörder, auf die plakatierten Exekutionslisten geschrieben. Sie wurde zusammen mit anderen Aktivist*innen der widerständigen Jugendherbergsbewegung verhaftetet und deportiert. Da war sie 22. Auch ihr Mann René wurde nach Deutschland deportiert und im KZ Neuengamme und dessen Außenlagern inhaftiert. Nach seiner Befreiung kehrte er im Juni 1945 nach Paris zurück, wo er Suzanne Maudet wieder traf und bis zu ihrem Tod mit ihr zusammenlebte.

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