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Prof. Dr. Werner Michl lehrte an der Fakultät Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und war außerordentlicher Professor an der Universität Luxemburg.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
UTB-Band-Nr.: 3049
UTB-ISBN 978-3-825-25334-9 (Print)
ISBN 978-3-838-55334-4 (PDF-E-Book)
ISBN 978-3-846-35334-9 (EPUB)
4., aktualisierte Auflage
© 2020 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München
Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Zeichnungen im Innenteil: Sibylle Roth, Freiburg i.Br.
Umschlagumsetzung: Atelier Reichert, Stuttgart
Satz: JÖRG KALIES – Satz, Layout, Grafik & Druck, Unterumbach
Printed in EU
Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München
Net: www.reinhardt-verlag.deE-Mail: info@reinhardt-verlag.de
Inhalt
Einleitung
Hauptteil
1 Geschichte: Woher kommt die Erlebnispädagogik?
2 Kurt Hahn: Wie wird Erlebnistherapie zur Pädagogik?
3 Die Wiederentdeckung der Erziehung: Was hat die Erlebnispädagogik dazu beigetragen?
4 Lernmodelle: Last oder Lust des Lernens?
5 Von der Praxis zur Forschung: Wie wirkt Erlebnispädagogik?
6 Metaphorisches Lernen: Königswege oder Sackgassen?
7 Erlebnispädagogische Aktivitäten: Was und wie?
Anhang
Literatur
Sachregister
Danke für hilfreiche Tipps und Beratung:
Bernd Heckmair, Dr. Mario Kölblinger, Prof. Dr. Torsten Fischer,
Holger Seidel
Einleitung
Die Erlebnispädagogik ist für viele Pädagoginnen und Psychologen ein Königsweg des Lernens, für Politik und Presse manchmal eine teure und überschätzte Methode. Ausgewogene Einschätzungen sind selten. Blickt man zurück auf die Wurzeln der Erziehung und des Lernens, dann findet man jedoch zuhauf Hinweise auf die Wirksamkeit des handlungs- und erlebnisorientierten Lernens. Zudem werden die Lernprinzipien der Erlebnispädagogik derzeit durch die Ergebnisse der Lernforschung, des Konstruktivismus und der Neurobiologie (vgl. dazu Kapitel 4) bestätigt. Dieses Buch bietet einen Einstieg in die Erlebnispädagogik, geht – freilich stark verkürzt – auf die Geschichte des handlungsorientierten Lernens von Platon bis Kurt Hahn ein, will Thesen, Trends und Daten zur Erlebnispädagogik vorstellen und somit einen ersten Einblick in diese wirksame Methode des Helfens, Heilens und Lernens geben. Natürlich wurde schon Vieles zum Thema Erlebnispädagogik veröffentlicht. Sozusagen als Entschuldigung für diese mangelnde Innovation sei eine Anmerkung von Kurt Hahn, dem Begründer der Erlebnispädagogik, zitiert:
„Es ist in der Erziehung wie in der Medizin. Man muß die Weisheit der tausend Jahre ernten. Wenn Sie je zu einem Chirurgen kommen, und der will Ihnen den Blinddarm in einer möglichst originellen Weise herausnehmen, so rate ich Ihnen dringend, gehen Sie zu einem anderen Chirurgen“ (Hahn 1998, 292).
Über den Tellerrand blicken, Grenzen überschreiten, Herausforderungen annehmen, Hindernisse überwinden, Risiken abwägen und annehmen, Entscheidungen fällen und dazu stehen, einen eingeschlagenen Weg durchhalten, kreative Lösungen finden – das alles sind Kompetenzen, die heute gefordert werden und mit deren Vermittlung sich Schulen und Hochschulen schwer tun. Vermutlich deshalb, weil es hier nicht um Wissen geht, sondern um Haltungen, Einstellungen, um persönliches Wachstum, um – nehmen wir einfach ein altbackenes Wort – Charaktererziehung. Immer mehr setzt sich nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Theorie die Einsicht durch, dass handlungs- und erlebnisorientiertes Lernen viel zu den oben genannten Kompetenzen beitragen kann.
Wer heute Soziale Arbeit, Heilpädagogik oder Erziehungswissenschaft studiert, wird mit großer Wahrscheinlichkeit während seines Studiums auf den Begriff Erlebnispädagogik stoßen. Diese pädagogische Methode, die mit Abenteuer und tiefen, prägenden Eindrücken verbunden wird, war lange Zeit umstritten. Sie hat sich jedoch in der Jugendarbeit, der Heimerziehung, der beruflichen Bildung, der Arbeit mit Menschen mit einer Behinderung, eigentlich in nahezu allen (sozial-) pädagogischen Praxisfeldern, durchgesetzt und über viele Umwege nun auch die Hochschulen erreicht. Der Weg ging also von der Praxis zur Theorie. War es 1990 nur eine Handvoll Bücher, so füllt die Fachliteratur zur Erlebnispädagogik heute mehrere Regale. Dieses kleine Buch will erste Einblicke geben für Studierende und interessierte Praktiker, die schnell zur Sache kommen wollen, es will einen Überblick vermitteln, einige Seitenblicke ermöglichen und schließlich einen Blick in die Zukunft werfen.
Erlebnis, Reflexion, Erziehung. Aus einem Schattendasein hat sich die Erlebnispädagogik zu einer mächtigen Methode entwickelt, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Praxis der Jugendarbeit und Heimerziehung erste Schritte getan und dann einen Siegeszug in allen Feldern der praktischen Pädagogik angetreten hat. Sie ist heute aus dem Spektrum der pädagogischen Möglichkeiten nicht mehr wegzudenken und etabliert sich zunehmend als Disziplin an den Hochschulen und Universitäten, an denen Diplom- und Bachelorarbeiten, Dissertationen und Forschungsprojekte zu diesem Themenkomplex stetig zunehmen.
Erlebnispädagogik „leidet“ unter einer mehrfachen Sprachlosigkeit; Erlebnisse sind erstens oft so prägend, so beeindruckend, dass die Sprache versagt. Und oft erscheint, zweitens, die Reflexion eines Erlebnisses als etwas Künstliches, Aufgedrängtes, etwas, durch das Erlebtes zerredet und zerstört wird. So drängt sich die Frage auf: War das Erlebnis nur dazu da, um vorgefertigten pädagogischen Zielen zu dienen? Drittens sind viele Praktiker der Erlebnispädagogik manchmal mund- und öfter schreibfaul. Wer oft mit den Gewalten der Natur konfrontiert wird, beschränkt sich eher auf das Wesentliche. Und schließlich: Je mehr man sich um eine Definition bemüht, umso mehr fließen die Gewissheiten wie Sand durch das Sieb der Erkenntnis.
Dazu kommt, dass Erleben eine sehr subjektive Kategorie ist. Franz Kafka schreibt in seinem Brief an den Vater (1995, 48): „… was mich packt, muss dich noch kaum berühren und umgekehrt, was bei dir Unschuld ist, kann bei mir Schuld sein, und umgekehrt, was bei dir folgenlos bleibt, kann mein Sargdeckel sein“. An anderer Stelle schreibt Kafka Folgendes: „Einmal brach ich mir das Bein. Das war mein schönstes Erlebnis“. Beide Aussagen zeigen, dass Erleben etwas ganz Persönliches ist, und es lässt sich nur genauer beschreiben, wenn man darüber spricht. Sprachlosigkeit und die Notwendigkeit der Kommunikation stehen hier in einem gewissen Spannungsverhältnis.
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