[59]2.6 |
Vergleich der Befragungsverfahren |
Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der Einsatz der vorgestellten Verfahren von der Fragestellung abhängt. Jedes Verfahren hat seine Vorteile und Nachteile oder Stärken und Schwächen; das betrifft sowohl die Möglichkeiten der Stichprobenziehung als auch der Durchführung der Befragung selbst. Damit erübrigt sich eine Sichtweise, die von der wechselseitigen Substitution der Verfahren ausgeht. Eher können sich die Verfahren ergänzen.
Studien zur vergleichenden Methodenforschung belegen, dass sich die Ergebnisse der Verfahren bei gleicher Thematik (Fragestellung) und gleichem Instrument (Fragebogen) unterscheiden. Die Unterscheidungen betreffen die Struktur der Stichprobe, die prozentuale Verteilung und möglicherweise auch die Qualität der Antworten der Befragten (vgl. Ostermeyer / Meier 1994). Bei Telefonbefragungen werden das Vorkommen trivialer Ereignisse unterschätzt und höhere Zufriedenheitswerte auf betreffende Fragen erzielt. Die postalische Befragung begünstigt die Erinnerung an vergangene Ereignisse, und die Antworten sind »ehrlicher« (vgl. Reuband / Blasius 1996; Reuband 2000: 219). Das persönliche Interview erweist sich gegenüber dem Telefoninterview als empfindlicher und störanfälliger bei geringfügigen Veränderungen des Instruments (Frageformulierungen, Antwortvorgaben), dafür ist es differenzierter und variabler: Unbewusste, emotionale und moralisch-geladene Sachverhalte gehen beim Telefoninterview (etwas) verloren (vgl. Noelle-Neumann / Petersen 2000: 198).
Im persönlichen Interview ist die soziale Interaktion zwischen dem Interviewer und dem Befragten am intensivsten und die Möglichkeiten, das Instrument (den Fragebogen) inhaltlich komplex anzulegen, am größten, weil der Interviewer Nachfragen des Befragten klären kann. Außerdem ist der Kontakt zum Befragten am verbindlichsten, sodass die Ausschöpfung der Stichprobe höher ist als bei den anderen Verfahren. Allerdings ist es das aufwändigste und kostenintensivste Verfahren. Die Verbindlichkeit der Interviewsituation hat die Kehrseite der geringen Anonymität, sodass bei heiklen oder sensiblen Fragen das Risiko unehrlicher Antworten besteht.
Die schriftliche Befragung erfordert einen geringeren logistischen Aufwand, und sämtliche Möglichkeiten der Fragebogengestaltung können eingesetzt werden. Allerdings ist der Kontakt zwischen dem Forscher und dem Befragten am unverbindlichsten; das Hauptproblem besteht deshalb in der geringen Ausschöpfung der Stichproben. Durch den Wegfall des Interviewers ist die Befragung anonymer, was ehrliche Antworten bei heiklen Fragen begünstigt. Dafür hängt die Qualität der Beantwortung allein vom Befragten ab.
[60]Die Online-Befragung ähnelt von der Qualität her der schriftlichen Befragung. Bei ihr ist die Stichprobenproblematik noch gravierender, weil man die Ausschöpfung kaum ermitteln kann. Dafür kann sie andere Nachteile der schriftlichen Befragung ein wenig kompensieren, etwa deren mangelnde Kontrollierbarkeit der Befragungssituation.
Das Telefoninterview steht bei vielen Aspekten in der Mitte zwischen persönlichem Interview und schriftlicher Befragung. Es ist weniger leistungsfähig im Hinblick auf den vielfältigen Einsatz von Befragungsinstrumenten, aber dafür leichter zu organisieren und durchzuführen. Der Interviewer kann im Vergleich zur schriftlichen Befragung das Verständnis der Fragen beim Befragten verbessern; durch die flüchtigere und distanzierte Situation beeinflusst er aber das Befragtenverhalten weniger als im persönlichen Interview. Die geringere Verbindlichkeit des Kontaktes führt auch tendenziell zu etwas niedrigeren Ausschöpfungen der Stichprobe als beim persönlichen Interview (vgl. Schnell 2012: 308f.).
Abb. 1: Befragungsverfahren im Vergleich
Alle aufgeführten Vorteile und Nachteile sind nicht absolut, sondern relativ zu verstehen. Durch geeignete Maßnahmen können die jeweiligen Nachteile zumindest verringert werden. Zu diesen Maßnahmen gehört auch der kombinierte Einsatz unterschiedlicher Verfahren. Dieser will allerdings gut bedacht sein, weil sich die Verfahren nicht notwendigerweise gegenseitig validieren, sondern unter Umständen einfach unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen.
16Bei Telefoninterviews kommen weitere qualitätsneutrale Ausfälle hinzu: kein Anschluss unter dieser Nummer, kein ankommender Ruf, falsche Telefonnummer, (nur) Faxanschluss.
17Bei Telefoninterviews kommen weitere systematische Ausfälle hinzu: automatischer Anrufbeantworter, ständig besetzt, trotz Freizeichen niemand erreicht, nach Abnahme des Telefonhörers sofort aufgelegt (vgl. Porst 1991: 61).
18Dieser Aspekt ist nicht nur für persönliche Befragungen relevant und wird an dieser Stelle stellvertretend für die Beurteilung aller Zufallsstichproben in Befragungen behandelt.
19Selbstverständlich können auch für Telefoninterviews andere Stichprobenverfahren verwendet werden, wie das Schneeball-Verfahren, wenn etwa seltene Populationen befragt werden sollen (vgl. Fuchs 1994: 137ff.).
20Allerdings können auch mit diesem modifizierten Verfahren Geschäfts- und Privatnummern nicht unterschieden werden, wenn niemand antwortet. Nicht belegte Nummern können nur über einen entsprechenden Ansagetext identifiziert werden, und es kann keine vorherige Mitteilung über die geplante Befragung erfolgen, da die Adressen unbekannt sind.
21Das Versprechen eines Geschenkes beruht auf der Hypothese der strikten Rationalität, wonach die Ankündigung der Belohnung einen zusätzlichen Anreiz bewirkt; für ein beigelegtes Geschenk wird dagegen die Reziprozitätsnorm unterstellt, weil das Geschenk als Vorleistung empfunden wird, die eine Gegenleistung erfordert. Experimentelle Untersuchungen sprechen eher für die Gültigkeit der Reziprozitätsnorm (vgl. Diekmann / Jann 2001).
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