3.2.4.11. Schritt: Zielsetzung
Am Beginn eines PROSA-Projekts stehen die Konkretisierung der Aufgabenstellung (z. B. die Auswahl prioritärer Produktfelder) sowie die Festlegung der finanziellen und personellen Kapazitäten. Weiterhin sollte ein klar terminierter Ablaufplan erstellt werden. Im Mittelpunkt dieser Phase stehen die Durchführung einer internen und externen Akteursanalyse sowie die Klärung des Einbezugs von internen und externen Stakeholdern. Als Hilfsmittel für die Akteursanalyse dienen eine Systempyramide und eine Checkliste, welche unterschiedliche Länder- und Akteursbezüge aufzeigt. Denn insbesondere bei großen und internationalen Unternehmen besteht die Gefahr, dass relevante interne Akteure nicht adäquat einbezogen werden (siehe hierzu ausführlich Grießhammer et al. 2007).
3.2.4.22. Schritt: Markt- und Umfeldanalyse
In der Markt- und Umfeldanalyse erfolgt zunächst eine Untersuchung des gesamten Produktumfeldes in seinem systematischen Zusammenhang. Ausgehend davon sollen Zusammenhänge geklärt und die Komplexität verständlich abgebildet werden. Zur besseren Systematik greift das PROSA-Konzept auf vier Betrachtungsebenen zurück:
Produktebene: Produkte, Dienstleistungen inklusive Vorketten
Produkt in der Produktlinie: Produkt inklusive Weiterverarbeitung/Distribution
Produktlinie in der Anwendung: Funktionaler Einsatz des Produkts
Produkt und Anwendung auf Ebene der Bedürfnisebene hinterfragen
In dieser Phase sollen Daten erhoben, Zusammenhänge geklärt, zukünftige Entwicklungen antizipiert und Alternativen mit der gegenwärtigen Situation verglichen werden. Dabei wird sowohl die ökologische als auch die gesellschaftliche (soziale) Dimension betrachtet. Dieser Schritt eröffnet zugleich den Blick für notwendige Indikatoren, die in der Bewertung Anwendung finden.
3.2.4.33. Schritt: Ideenfindung
In dieser Phase erfolgen die Sammlung von Visionen, Ideen, Produkt- oder Systemalternativen sowie eine Indikatorenauswahl. Hierbei sollen Informationen über die regional-, zeit- und anwendungsspezifischen Bezüge des Produkts erfasst werden. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass nachhaltige Entwicklung zwar eine globale Herausforderung ist, jedoch aufgrund der differenzierten Nachhaltigkeitsanforderungen regional- und anwendungsspezifisch umgesetzt werden muss. In dieser Phase kommt es darauf an, aus den Nachhaltigkeitsbezügen abgeleitet eine Indikatorenauswahl zu treffen und eine grundsätzliche Aussage über die Nachhaltigkeit des Produkts zu treffen.
3.2.4.44. Schritt: Nachhaltigkeitsanalyse
Der vierte Schritt soll Aussagen darüber treffen, ob das Produkt im regionalen Kontext grundsätzlich zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt und ob seine Auswirkungen im Gebrauch sowie in der Anwendung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung eher positiv oder negativ einzuschätzen sind. Zudem liefert diese Phase Hinweise auf die Positionierung des Produkts bezüglich der Auswirkungen im Vergleich zu anderen Konkurrenzprodukten und -systemen. Des Weiteren wird analysiert, wie das Produkt im Spannungsfeld „Beitrag zur Befriedigung bisher unbefriedigter Grundbedürfnisse und Umweltvorteile gegenüber Konkurrenzprodukten und -systemen“ (s. Öko-Institut 1999, S. 75) einzuordnen ist. Als Hilfsmittel dienen dabei Checklisten, Ökobilanzen, Sozialbilanzen und Lebenszykluskostenanalysen (s. Grießhammer et al. 2007).
3.2.4.55. Schritt: Ableitung konkreter Handlungsoptionen
Aus den bisher erarbeiteten Schritten erfolgt die Ableitung von Handlungsoptionen für das Unternehmen. Diese sind somit abhängig von der Positionierung der Produkte in Bezug auf Nachhaltigkeit, von den Rahmenbedingungen und vor allem von den jeweiligen Entwicklungspotenzialen. Ausgehend von den im vorherigen Arbeitsschritt gebildeten Szenarien bieten sich dem Unternehmen Entwicklungspfade, die umgesetzt werden können. Aus den Optionen werden, wiederum gegliedert nach den Betrachtungsebenen, konkrete Maßnahmen erarbeitet. Die Handlungsoptionen sollten einen definierten Zeitbezug haben und Handlungsebenen sowie Kostenabschätzungen über die Umsetzung enthalten (s. Grießhammer et al. 2007).
Im Folgenden soll, anknüpfend an die hier dargestellten Konzepte, eine Fallstudie präsentiert werden. Diese Fallstudie setzt nicht unmittelbar eines der dargestellten Konzepte um, allerdings sind die Anleihen an den dargestellten Ansätzen unverkennbar.
3.3Fallstudie „Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen“
Mit dem Begriff der Globalisierung ist für multinationale Unternehmen in den vergangenen Jahren eine neue Qualität, Dynamik und Komplexität wirtschaftlichen Handelns erwachsen. Firmen erschließen zunehmend Beschaffungs- und Absatzmärkte in Schwellen- und Entwicklungsländern. Die Anzahl an Lieferanten, auf die ein Unternehmen für den Bezug seiner Rohstoffe bzw. Vorprodukte zurückgreifen kann, ist auf Basis dieser Entwicklungen stark gestiegen.
Diese weltweite Ausdehnung der Beschaffung birgt neben vielen Vorteilen auch neue ökonomische, umweltbezogene und soziale Verantwortlichkeiten und Risiken, die sich auf nationaler sowie globaler Ebene sich in einer Vielzahl von Nachhaltigkeitsberichten wiederfinden (s. Roloff 2006; Stark 2008; Förstl et al. 2009). Unternehmen bekennen sich damit öffentlich zur Einhaltung und Durchsetzung internationaler Umwelt- und Sozialstandards (s. Hahn und Scheermesser 2004; Heid2006; ICC 2007; Steinkirchner u. a. 2007; Winterstein 2007).
Konzepte und Mechanismen zur Integration und Kontrolle umweltbezogener und sozialer Standards in Wertschöpfungsketten nehmen somit an Bedeutung immer mehr zu und sind mittlerweile bei vielen multinationalen Unternehmen implementiert. Angesichts der aktuellen Skandale (z. B. in der IT-Industrie bei Foxconn) ist anzunehmen, dass Umsetzungsdefizite in den beschriebenen Konzepten bestehen. Beispielsweise wurde für die Sicherstellung ökologischer Produktkonzepte von Clausen, Keil und Jungwirth (2002) aufgezeigt, dass diese Systeme keine ausreichende Reichweite besitzen. Die Übertragung dieser Feststellung auf das Thema Nachhaltigkeitskonzepte im Gesamten liegt nahe.
Die im Folgenden dargestellte Fallstudie beschreibt die Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für das Beschaffungsmanagement der Volkswagen AG und unterzieht dieses anschließend einer kritischen Wirkungsanalyse in der Praxis, auf Basis der Darstellung von Optimierungspotenzialen für die einzelnen Konzeptelemente.
3.3.1Zielsetzung und Aufbau
Das erste Forschungsprojekt „Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen“ der Volkswagen AG wurde 2003–2005 in Kooperation mit der Universität Oldenburg durchgeführt. Ziel war die Entwicklung eines systemübergreifenden Konzepts zur Integration und Kontrolle umweltbezogener und sozialer Anforderungen im globalen Beschaffungs- bzw. Lieferantenmanagement des gesamten Konzerns. Das Forschungsprojekt kann in vier Projekteinheiten gegliedert werden (Koplin 2006a):
Vorbereitende Analysen zu den Herausforderungen für Unternehmen, die sich durch umweltbezogene und soziale Aspekte innerhalb der Lieferantenbeziehungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit ergeben,
Projektteamtreffen und Workshops zum Diskurs der gesammelten Daten sowie zur Reflexion des jeweilig vorherrschenden Forschungsstandes,
Bestandsaufnahme der Strukturen und Prozesse (Ist-Analyse) der Volkswagen AG zur Entwicklung verschiedener Lösungspfade für das Gestaltungsmodell eines Nachhaltigkeitskonzepts und
Einbeziehung mehrerer Lieferanten der Volkswagen AG als externe Anspruchsgruppe des Unternehmens und direkt Betroffene für die Prüfung der Umsetzbarkeit des Gestaltungsmodells in der Praxis.
Читать дальше