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Wie bereits erwähnt, unterscheiden wir bei den Realsicherheiten solche, die Mobilien und solche, die Immobilien zum Gegenstand haben. Gemeinsam haben beide Formen der Kreditsicherung, dass der Gläubiger nicht auf die Zahlungsfähigkeit des Sicherungsgebers vertraut (so wie bei den Personalsicherheiten), sondern auf den Wert des Sicherungsgegenstandes.
Beispiel
Wenn der künftige Pilot aus dem Beispiel in Rn. 2keine Bürgschaft seines Vaters beibringt, sondern seine Großmutter überzeugen kann, zugunsten der Bank auf ihrem Grundstück eine Hypothek zu bewilligen, so wird die Bank nicht prüfen, ob die Großmutter aus eigenen Einkünften die Schuld des Flugschülers begleichen könnte, sondern vielmehr, ob der Wert des Grundstückes (nebst Gebäude sowie mithaftendes Zubehör) im Falle der Zwangsversteigerung das Darlehen wird ausgleichen können.
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Die gesetzliche Grundform aller Mobiliarsicherheiten ist das Pfandrecht. Ein Pfandrecht kann an einer beweglichen Sache ( §§ 1204 ff. )sowie an Rechten ( §§ 1273 ff. )bestellt werden. Beide Pfandrechte gehören zu den akzessorischen Sicherheiten. Beiden ist zudem gemeinsam, dass sie vom Gesetzgeber als Instrumente der Kreditsicherung geschaffen wurden und beide haben schließlich die Gemeinsamkeit, dass ihre praktische Bedeutung gering ist.
Exkurs: Gelegentlich finden Sie in der Literatur die Unterscheidung zwischen gesetzlichen und kautelarischen Sicherungsmitteln[6].Gemeint ist damit Folgendes. Das BGB bot ursprünglich nur akzessorische Sicherungsmittel an. Bewegliche Sachen sollten zum Beispiel rechtsgeschäftlich nur dann verpfändet werden dürfen, wenn der Eigentümer für die Zeit des Pfandrechts den unmittelbaren Besitz auf den Pfandgläubiger überträgt. Dieses sogenannte Faustpfandrecht entsprach aber nicht den Bedürfnissen der Praxis. Es musste ein Sicherungsmittel gefunden werden, mit dem einerseits der Gläubiger gesichert ist, andererseits die Sache weiter genutzt werden kann. Die Kautelarpraxis entwickelte daher das Institut der Sicherungsübereignung.
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Das vertragliche Pfandrechtan beweglichen Sachen entsteht durch ein Verfügungsgeschäft.
Hinweis
Sie erinnern sich: Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar auf die Aufhebung, Übertragung, Belastung oder inhaltliche Veränderung eines bestehenden Rechtes gerichtet ist.[7]
Lesen Sie hierzu §§ 1205, 1206 im Gesetz mit.
Gemäß § 1205 muss der Eigentümer (Sicherungsgeber) mit dem Gläubiger darüber einig sein, dass ein Pfandrecht an der Sache entstehen soll, und muss ihm die Sache übergeben. Von der Struktur her ähnelt also § 1205 für die Bestellung des vertraglichen Pfandrechts dem § 929 bei der Eigentumsübertragung beweglicher Sachen.
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Das Problem beim vertraglichen Pfandrecht liegt aber im Übergabeerfordernis. Da das vertragliche Pfandrecht die Übergabesurrogate der §§ 930 ff. nicht kennt,[8] verliert der verpfändende Eigentümer den Besitz und kann die verpfändete Sache bis zum Erlöschen des Pfandrechts nicht mehr nutzen.
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Beispiel
Zwar könnte man bei einem mithilfe eines Darlehens finanzierten Kauf eines Kraftfahrzeuges das Fahrzeug der Bank als Sicherheit verpfänden. Dazu muss aber die Bank alleinige Besitzerin werden – bildlich gesprochen muss das Auto also in der Tiefgarage der Bank stehen. Das ist aber mit dem wirtschaftlichen Sinn des finanzierten Abzahlungskaufs nicht zu vereinbaren.
Deshalb ist die Bedeutung des vertraglichen Pfandrechts gering. In der Praxis kommt es bei den Pfandleihhäusern vor sowie beim sog. Lombardgeschäft der Banken.[9] Das vertragliche Pfandrecht ist fast vollständig durch die Sicherungsübereignung (siehe Rn. 175 ff.) verdrängt worden.
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Größere Bedeutung hat hingegen das gesetzliche Pfandrecht, das Sie vor allem aus dem Mietrecht (§ 562 ff.) und Werkvertragsrecht (§ 647) kennen.[10] Weil gemäß § 1257 die Regeln des vertraglichen Pfandrechts auch beim gesetzlichen Pfandrecht anwendbar sind, müssen wir zunächst das vertragliche Pfandrecht bearbeiten, bevor wir das gesetzliche Pfandrecht verstehen können.
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Das gleiche Schicksal wie das vertragliche Pfandrecht an beweglichen Sachen hat das vertragliche Pfandrecht an Rechten ereilt. Ursprünglich vom (historischen) Gesetzgeber als Kreditsicherungsmittel gedacht, ist es für den praktisch wichtigsten Fall durch die Sicherungszession ersetzt. Die Ursache liegt in § 1280. Ist das zu verpfändende Recht nämlich eine Forderung, muss neben der Einigung zwischen Sicherungsgeber und Gläubiger auch noch eine Anzeige an den Drittschuldner erfolgen. Eine „stille Verpfändung“ (ohne dass der Drittschuldner davon etwas mitbekommt) ist daher nach den §§ 1273 ff. nicht möglich.
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Die größte praktische Bedeutung haben im Bereich der Mobiliarsicherheiten daher die Sicherungsübereignung, die Sicherungszessionsowie der Eigentumsvorbehalt. Alle drei sind nicht akzessorische Sicherungsrechte. Und alle drei sind sogenannte fiduziarische Sicherungsrechte.[11] Dies bedeutet, dass der Gläubiger vom Sicherungsgeber mehr an Rechtsmacht erhält, als er im Innenverhältnis soll ausnutzen dürfen:
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Bei der Sicherungsübereignungüberträgt der Sicherungsgeber dem Gläubiger das volle Eigentum an der Sache nach den §§ 929 ff. Der große Vorteil hierbei: Im Gegensatz zum Pfandrecht kann ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbart werden, sodass z.B. der Eigentümer eines Autos dieses zu Sicherheit übereignen kann und trotzdem weiter Besitzer bleiben darf. Die Probleme entstehen aber dadurch, dass der Gläubiger mehr erhält (volles Eigentum), als er wirtschaftlich erhalten soll (nur Absicherung seiner Forderung gegen den Schuldner).
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Ganz ähnlich verhält es sich mit der Sicherungszession. Hier tritt der Sicherungsgeber eine (oder in der Praxis gleich mehrere) Forderungen gegen Drittschuldner an den Gläubiger ab. Wirtschaftlich soll aber nur die Verbindlichkeit des Schuldners abgesichert werden. Regelmäßig wird die Abtretung aber den Drittschuldnern nicht offenbart (angezeigt). Das ist bei der Zession auch nicht notwendig, wohl aber bei der Verpfändung (§ 1280, s.o. Rn. 21).
Daraus resultieren die Schwierigkeiten dieses Sicherungsinstrumentes: Die Drittschuldner können befreiend an den Sicherungsgeber zahlen (obwohl dieser gar nicht mehr Inhaber der Forderung ist). Das ergibt sich aus § 407.
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Beim Eigentumsvorbehaltschließlich geht es um die Sicherung von Lieferantenkrediten. In der wirtschaftlichen Praxis liefern fast alle Unternehmen „auf Ziel“. Das heißt im Ergebnis, dass sie ihre Ware liefern, bevor sie vom Käufer das Geld dafür erhalten.[12] In dieser Zeit ist der Verkäufer ungeschützt. Deshalb vereinbaren fast alle Lieferanten mit ihren Kunden einen sogenannten Eigentumsvorbehalt, der gesetzlich in § 449 anerkannt ist.
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Wenn wir also die nicht akzessorischen Mobiliarsicherheiten erörtern, werden wir einen besonderen Schwerpunkt auf die aus dem Charakter der Sicherungsübereignung, des Eigentumsvorbehaltes sowie der Sicherungszession als fiduziarische Sicherungsrechte resultierenden Schwierigkeiten einzugehen haben.
4. Immobiliarsicherheiten
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Die Tatsache, dass es nur zwei Arten der Realsicherheiten bei Immobilien gibt, mag zunächst zur Annahme verleiten, dass hier kein Schwerpunkt im Recht der Kreditsicherheiten liegt. Das Gegenteil ist, wie Sie bemerken werden, der Fall.
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