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Systematisch gehört der in § 778 geregelte Kreditauftrag nicht ins Bürgschaftsrecht, sondern in das Recht der Geschäftsbesorgungsverträge. Wenn jemand im Rahmen eines Auftrags (§ 662) bzw. Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675) einen anderen damit beauftragt, einem Dritten einen Kredit zu gewähren, haftet der Auftraggeber dem Gläubiger für diesen Kredit als Bürge.
Damit ist § 778 keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern eine Brückennorm. Obwohl „eigentlich“ kein Bürgschaftsvertrag im Sinne des § 765 vorliegt, gelten die Vorschriften trotzdem, weil der Auftraggeber unter den Voraussetzungen des § 778 „wie ein Bürge“ haftet.
JURIQ-Klausurtipp
Liegt ein Kreditauftrag vor, lautet die Anspruchsgrundlage wie folgt:
A könnte gegen B einen Anspruch aus einem Kreditauftrag gemäß §§ 778, 765 haben.
Anspruch gegen Auftraggeber gemäß § 778 – Anspruchsvoraussetzungen
I.Wirksamer Kreditauftrag i.S.d. § 778
Rechtsgeschäftlicher Verpflichtungswille Rn. 116
II.Kreditgewährung im eigenen Namen und für eigene Rechnung
III.Valutierung des Kredits
Wenn I. bis III. (+) → weitere Prüfung wie beim allgemeinen Bürgschaftsanspruch, oben Rn. 43
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Zwischen den Auftraggeber und dem Auftragnehmer (der spätere Gläubiger) muss ein Vertrag zustande gekommen sein, der zum Inhalt hat, dass sich der Auftragnehmer verpflichtet, einem Dritten Kredit zu gewähren.
Lesen Sie § 662 und § 675 – worin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen Auftrag und Geschäftsbesorgungsvertrag?
Es handelt sich also um einen Auftrag i.S.d. § 662 oder um einen Geschäftsbesorgungsvertrag[1] nach § 675. Das entscheidende Problem ist häufig, ob der „Auftraggeber“ sich wirklich rechtsgeschäftlich binden wollte oder ob es sich beim „Auftrag“ doch nur einen bloßen Rat oder eine unverbindliche Empfehlung handelte.
Beispiel
Wenn Geschäftsmann G seine Hausbank anruft und ankündigt, dass sein Freund F wegen einer Kreditanfrage vorbeikommen würde, so liegt in diesem Verhalten kein Auftrag des G an die Bank, dem F den Kredit auch wirklich zu geben.
Maßgeblich für die Abgrenzung ist das Kriterium des eigenen Interesses des Auftraggebers an der Kreditgewährungdurch den Auftragnehmer.[2]
Beispiel 1
Der Architekt A soll für B ein Haus errichten. B will mit A den entsprechenden Vertrag aber nur schließen, wenn A ihm eine Finanzierung für das Vorhaben „besorgt“.
Beispiel 2
Kreditvermittler K arbeitet mit verschiedenen Banken zusammen. Er erhält für die erfolgreiche Vermittlung von Darlehensverträgen, die die Banken mit seinen Kunden dann abschließen, eine Provision.
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Weiter setzt § 778 voraus, dass der Auftragnehmer (also in der Regel die Bank) dem Dritten den Kredit im eigenen Namen und für eigene Rechnunggewährt.
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Schließlich ist Voraussetzung für die Haftung des Auftraggebers als Bürge gegenüber dem Auftragnehmer, dass dieser den Kredit auch tatsächlich dem Dritten valutiert (ausgezahlt) hat.
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Sind diese drei Voraussetzungen gegeben, haftet der Auftraggeber wie ein Bürge. Für Sie bedeutet das, dass Sie nunmehr das Prüfungsschema für den allgemeinen Bürgschaftsanspruch in Rn. 43durcharbeiten.
2. Teil Die Personalsicherheiten› B. Andere akzessorische Sicherungsmittel› II. Die Patronatserklärung
II. Die Patronatserklärung
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In der Praxis wichtig, aber von geringer Examensrelevanz[3] ist die sogenannte Patronatserklärung. Deshalb in der gebotenen Kürze:
Mittels einer Patronatserklärung erklärt eine Gesellschaft („Patron“), in der Regel die „Konzernmutter“, gegenüber einem Gläubiger einer anderen, mit ihr verbunden Gesellschaft („Konzerntochter“), dass sie für die Zahlungsfähigkeit der Tochtergesellschaft Sorge tragen werde. Man unterscheidet dabei die harte von der weichen Patronatserklärung.
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Eine Patronatserklärung ist „weich“, wenn sie – etwa als reine Absichtserklärung – in rechtlich unverbindlicher Weise erklärt wird.
Beispiel
„Wir nehmen prinzipiell Einfluss auf unsere Tochtergesellschaften, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen.“
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Liegt dagegen eine harte Patronatserklärung vor, bindet sich der Patron rechtlich verbindlich.
Beispiel
„Wir übernehmen die Verpflichtung, unsere Tochtergesellschaft so auszustatten, dass sie stets in der Lage ist, ihren Verbindlichkeiten Ihnen gegenüber fristgerecht nachzukommen.“
Wenn der Patron eine solche harte Patronatserklärung abgibt und die Verpflichtung dann verletzt wird (also die Tochtergesellschaft nicht fristgerecht zahlt), hat der Gläubiger aus der Verletzung der Patronatserklärung einen Schadenersatzanspruch gegen den Patron.[4]
[1]
Vgl. dazu Palandt- Sprau vor § 675 Rn. 1 ff.
[2]
Palandt- Sprau § 778 Rn. 2.
[3]
In vielen Lehrbüchern findet sich nicht einmal das Stichwort!
[4]
Looschelders Schuldrecht Besonderer Teil Rn. 948.
2. Teil Die Personalsicherheiten› C. Nichtakzessorische Sicherungsmittel
C. Nichtakzessorische Sicherungsmittel
2. Teil Die Personalsicherheiten› C. Nichtakzessorische Sicherungsmittel› I. Der Schuldbeitritt
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Den Schuldbeitritt haben wir oben Rn. 47schon kennengelernt. Wir haben geprüft, ob eine Haftungserklärung als Bürgschaft zu verstehen ist oder ob der Erklärende der schon bestehenden Schuld des Schuldners kumulativ beitreten will.
Weil der Schuldbeitritt noch gefährlicher ist als die Bürgschaft, ist die herrschende Meinung zu Recht sehr vorsichtig, einen Schuldbeitritt anzunehmen. Nur dann, wenn der Beitretende ein eigenes, unmittelbares wirtschaftliches oder rechtliches Interesse an der Tilgung der Hauptschuld hat, kann die Annahme eines Schuldbeitritts gerechtfertigt sein.
JURIQ-Klausurtipp
Beginnen Sie bei der Prüfung von Personalsicherheiten immer zuerst mit dem Bürgschaftsanspruch. Dieser ist der noch vergleichsweise ungefährlichere und vor allem gesetzlich eingehend geregelte Anspruch. Sie sollten also, wie die Rechtsprechung auch, mit der Annahme des Schuldbeitritts sehr zurückhaltend sein.
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Liegen aber die Voraussetzungen eines Schuldbeitritts vor, haftet der Beitretende als Gesamtschuldner gemäß § 421 neben dem eigentlichen Schuldner und nicht subsidiär als Bürge.
Beispiel
GmbH-Gesellschafter und Geschäftsführer G tritt durch mündliche Erklärung persönlich einer Kaufpreisverbindlichkeit der GmbH bei und erreicht so eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Gläubiger. Auf diese Weise kann die drohende Insolvenz der Gesellschaft abgewendet werden.
2. Teil Die Personalsicherheiten› C. Nichtakzessorische Sicherungsmittel› II. Der Garantievertrag
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Eine ähnliche Behandlung wie der Schuldbeitritt erfährt in der Praxis der sogenannte Garantievertrag, den wir ebenfalls bereits in Abgrenzung zur Bürgschaft kennengelernt haben (oben Rn. 48).
Auch bei ihm gilt, dass ein Garantievertrag nur dann in Betracht kommt, wenn der Garant ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse an der Erfüllung der Hauptforderung hat.[1]
Online-Wissens-Check
Unter welchen Voraussetzungen kann der Bürge seine Bürgschaftserklärung widerrufen?
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