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Einführung eines unternehmenseinheitlichen EDV-Systems[246], sofern darin eine Betriebsänderung gem. § 111 Satz 3 Nr. 4 oder 5 BetrVG zu sehen ist, |
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betriebsübergreifende Entlassung aller Außendienstmitarbeiter mit dem Ziel, deren Aufgaben nun (freien) Handelsvertretern zuzuweisen[247] oder aller Arbeitnehmer nach Maßgabe eines einheitlichen Kriteriums (z.B. einer Altersgrenze)[248], |
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Stilllegung[249], Zusammenschluss[250] oder Spaltung[251] mehrerer oder aller Betriebe eines Unternehmens. Das gilt auch, wenn bei Beginn der Verhandlungen noch nicht feststeht, welche konkreten Betriebe betroffen sein werden.[252] |
Der Konzernbetriebsratist demgegenüber u.a. in den folgenden Situationen für die Verhandlungen zuständig:
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Stilllegung von Konzernbetrieben oder -unternehmen mit anschließender Übernahme der vormaligen Belegschaft durch andere Konzernunternehmen, |
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ggf. auch die Einführung eines konzernweit einheitlichen EDV-Systems, |
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Zusammenschluss mehrerer Konzernunternehmen zu einem einheitlichen Betrieb.[253] |
136
Erfassen die im Interessenausgleich vereinbarten Betriebsänderungen mehrere oder sogar sämtliche Betriebe des Unternehmens und ist die Durchführung des Interessenausgleichs abhängig von betriebsübergreifend einheitlichen Kompensationsregelungen in dem noch abzuschließenden Sozialplan, so kann diese Aufgabe von den Betriebsräten der einzelnen Betriebe nicht mehr wahrgenommen werden; sie ist dem Gesamtbetriebsratzugewiesen.[254]
137
Der Interessenausgleich mit Namenslisteersetzt die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats unabhängig davon, ob dieser mit dem Betriebsrat oder dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommen ist.[255]
138
Verhandlungen mit dem „falschen“ Betriebsrat genügen grundsätzlich nicht, um der Sanktion des § 113 Abs. 3 BetrVG zu entgehen und die Beratungspflicht zu erfüllen. Auf ein Verschulden des Unternehmers kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist allein das objektiv betriebsverfassungswidrige Verhalten.[256]
d) Hinzuziehung eines Beraters
139
Nach § 111 Satz 2 BetrVG kann der Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern einen Berater zu seiner Unterstützunghinzuziehen, um den Interessenausgleich zu beraten. Maßgeblich ist die Anzahl der regelmäßig Beschäftigten; das Fehlen des Zusatzes „in der Regel“ resultiert offenbar aus einem Redaktionsversehen und ist daher unbeachtlich.[257]
140
Da es auf die Anzahl der im Unternehmen (nicht: Betrieb) beschäftigten Arbeitnehmer ankommt, können auch kleinere Betriebe einen Berater hinzuziehen, sofern im Unternehmen der Schwellenwert überschritten wird. Noch nicht abschließend geklärt ist, was in gemeinsamen Betriebenmehrerer Unternehmen gelten soll, die nur zusammen den Schwellenwert überschreiten. Die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur bejaht eine entsprechende Anwendung im gemeinsamen Betrieb.[258] Die betroffenen Unternehmen können die entstehenden Kosten aber untereinander aufteilen.[259]
141
Ob es im Einzelfall eines Nachweises der Erforderlichkeitbedarf, wird uneinheitlich beantwortet. Gegen das Erfordernis eines solchen Nachweises spricht der Wortlaut der Regelung, der anders als § 80 Abs. 3 BetrVG keinen entsprechenden Vorbehalt („soweit….“) enthält. Davon, dass der Gesetzgeber die Erforderlichkeit generell unterstellt hat, wird man jedoch nicht ausgehen können. Mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung sprechen daher die besseren Gründe dafür, dass der Betriebsrat stets zu prüfen hat, ob die Hinzuziehung des Beraters auch unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber hierdurch entstehenden Kosten erforderlich ist und keine unverhältnismäßigen Kosten verursacht.[260] Nach dem Urteil des BGH vom 25.10.2012[261] ist davon auszugehen, dass der Betriebsratsvorsitzende dem beauftragten Berater nach den Regeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 179 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) haftet, wenn der Betriebsrat die Beauftragung nicht für erforderlich halten durfte.
142
Überschreitet die im Vertrag mit dem Berater vereinbarte Vergütungshöhe schon im Ansatz die Vorgaben des RVG (bei Rechtsanwälten) bzw. den marktüblichen Tarifund ist sie daher von vornherein im Rahmen des § 40 Abs. 1 BetrVG nicht voll erstattungsfähig[262], haftet danach für den Differenzbetrag – vorbehaltlich der Bestimmungen in § 179 Abs. 2 und 3 BGB – dasjenige Betriebsratsmitglied, welches den Vertrag im Namen des Betriebsrats geschlossen hat. Soweit die Erforderlichkeitsgrenze nicht bereits durch den Vertragsschluss als solchen, sondern im Zuge der Vertragsausführung durch einen das erforderliche Maß übersteigenden Beratungs- und Zeitaufwand des Beraters überschritten wird, hat für den Mehraufwand derjenige entsprechend § 179 BGB einzustehen, der die konkrete Leistung beim Berater abgerufen hat.[263]
143
Aufgrund der in § 179 Abs. 1 BGB enthaltenen Beweislastregel, wonach der als falsus procurator in Anspruch Genommene das Bestehen der Vertretungsmacht zu beweisen hat, muss im Streitfall das als rechtsgeschäftlich Handelnder in Anspruch genommene Betriebsratsmitglied beweisen, dass die Hinzuziehung des Beraters betriebsverfassungsrechtlich zulässig sowie nach Umfang und Vergütungshöhe erforderlich war, das heißt innerhalb der Grenzen des § 40 Abs. 1 BetrVG liegt.[264]
144
Mehrere Beraterkönnen nur ausnahmsweise dann hinzugezogen werden, wenn dies – etwa aufgrund des Fachwissens in verschiedenen (technischen, betriebswirtschaftlichen, arbeitswissenschaftlichen) Bereichen erforderlich ist.[265] Zudem muss der Betriebsrat stets prüfen, ob nicht ebenso geeignete, kostengünstigere Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen.[266] Die zu § 80 Abs. 3 BetrVG entwickelten Grundsätze finden insoweit entsprechende Anwendung. Die nach § 40 BetrVG vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Hinzuziehung müssen in Bezug auf die Bedeutung der Angelegenheit und der Finanzlage des Betriebes, insbesondere in der Insolvenz, verhältnismäßig sein.[267]
145
Auf Wunsch des Betriebsrats kann der Berater (z.B. Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer) bei den Verhandlungen anwesend sein und beratend tätig werden. Bei den Verhandlungen über den Sozialplan gilt hingegen nur § 80 Abs. 3 BetrVG.[268]
e) Interessenausgleichsverfahren
aa) Gegenstand, Inhalt und Form des Interessenausgleichs
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Der Interessenausgleich soll das Ob, Wann und Wieder geplanten Betriebsänderung regeln.[269] Ungeachtet des Umstands, dass Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen in der Praxis regelmäßig miteinander verbunden und parallel geführt werden, enthält der Interessenausgleich daher nur die Beschreibung der Maßnahmenund Folgen einschließlich der Terminefür die Änderungs- bzw. Beendigungskündigungen und Freistellungen etwaige Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen sowie in besonderen Fällen auch Auswahlrichtlinienfür die erforderlichen Kündigungen.
147
Die Vereinbarung einer Namensliste, d.h. eine Nennung der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer ist insbesondere in Fällen der Insolvenz üblich (§ 125 InsO; vgl. dazu Kap. 6 Rn. 478), kommt aber auch losgelöst davon in Betracht (§ 1 Abs. 5 KSchG) und ist aufgrund der damit einher gehenden Vermutungswirkungen ein attraktives Gestaltungsmittel, um die Betriebsänderung und etwaige daran anschließende Kündigungsschutzverfahren zu beschleunigen (zu den Voraussetzungen und Folgen ausführlich Kap. 6 Rn. 478.
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