IV. Art. 38 Abs. 1 GO Formales Außenvertretungsrecht ohne entsprechende Vertretungsmacht
JURIQ-Klausurtipp
Denken Sie bei gemeindlichem Handeln bei Prüfung der Zuständigkeit an die gebotene Zweiteilung zwischen Verbands- und Organkompetenz. Sofern der erste Bürgermeister gehandelt hat, beginnen Sie Ihre Prüfung mit der Erörterung von Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO, gehen im Anschluss kurz auf die Art. 37 Abs. 2 und 37 Abs. 3 GO ein. Schließlich legen Sie dar, dass Art. 38 Abs. 1 GO ein formales Außenvertretungsrecht ohne die erforderliche Vertretungsmacht begründet. Sofern kein Fall von Art. 37 GO einschlägig ist, handelt der erste Bürgermeister ohne Kompetenz; sein Handeln ist rechtswidrig, da folglich der Gemeinderat bzw. ein beschließender Ausschuss organkompetent ist. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GO stellt dies klar.
[1]
Lissack § 4 Rn. 14.
[2]
Bauer/Böhle/Ecker Art. 39 Rn. 2.
[3]
Bauer/Böhle/Ecker Art. 37 Rn. 3 ff.
[4]
BayVGH BayVBl. 2006, 370 ff.
[5]
Bauer/Böhle/Ecker Art. 37 Rn. 11.
[6]
Hölzl/Hien/Huber Art. 37 Anm. IV; BayVGH BayVBl. 2015, 91 ff.
[7]
Lissack § 4 Rn. 25; Knemeyer 5. Kap. Rn. 243, 244; a.A. Bauer/Böhle/Ecker Art. 37 Rn. 13.
[8]
Bauer/Böhle/Ecker Art. 59 Rn. 4.
[9]
BayVGH BayVBl. 2012,177 ff.; BayVGH BayVBl. 2012, 341; OLG München Beschluss vom18.6.2010, Az. 34 Wx 65/10 –; juris; kritisch zu dieser Rechtsprechung BGH BayVBl. 2017, 389 ff.; BAG NVwZ-RR 2016, 924 f.; Bauer/Böhle/Ecker Art. 38 Rn. 3; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke Art. 38 Anm. 1.1; Hölzl/Hien/Huber Art. 38 Erl. 2.1; zum Streitstand; Widtmann/Grasser/Glaser Art. 38 Rn. 3.
[10]
BayVGH BayVBl. 2012, 177.
[11]
Bauer/Böhle/Ecker Art. 38 Rn. 5.
[12]
Vgl. hierzu VG Augsburg Urteil vom 22.11.2012, Az: Au 5 K 11.1754 – juris; BayVGH NVwZ-RR 2014, 693.
[13]
Bauer/Böhle/Ecker Art. 38 Rn. 3.
[14]
BGH BayVBl. 1967, 277 ff.
[15]
Kopp/Ramsauer § 44 Rn. 25.
4. Teil Organe der Gemeinde und deren Aufgaben› B. Der Gemeinderat
4. Teil Organe der Gemeinde und deren Aufgaben› B. Der Gemeinderat› I. Zusammensetzung des Gemeinderats
I. Zusammensetzung des Gemeinderats
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Der Gemeinderat wird ebenfalls für die Dauer von 6 Jahren gewählt, Art. 23 Abs. 1 GLKrWG.
Der Gemeinderatist nach Art. 30 Abs. 1 S. 1 GO das Vertretungsorgan der Gemeindebürger.
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Gemäß Art. 31 Abs. 1 GO besteht der Gemeinderat aus dem ersten Bürgermeister und den Gemeinderatsmitgliedern. Der erste Bürgermeister ist (geborenes) Mitglied des Gemeinderats, nicht aber Gemeinderatsmitglied. Wie viele ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder eine Gemeinde hat, bestimmt sich nach Art. 31 Abs. 2 S. 2 GO.
Lediglich für die Städte Nürnberg und München wurde eine gesetzliche Zahl an Stadtratsmitgliedern festgelegt, Art. 31 Abs. 2 S. 3 GO.
Hinweis
Sie sehen auch an der vom Gesetz vorgenommenen Differenzierung in Art. 31 Abs. 1 und 2 GO, dass der erste Bürgermeister kein Gemeinderatsmitglied ist, sondern eben (geborenes) Mitglied des Gemeinderats.
Beispiel
Wenn eine kreisangehörige Gemeinde 2500 Einwohner zählt, umfasst der Gemeinderat 14 Gemeinderatsmitglieder und zusätzlich den ersten Bürgermeister, Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 GO.
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Beachten Sie in Klausuren stets, dass sich aus Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 eine ungerade Zahl von Mitgliedern des Gemeinderats ergeben muss. Dies vor dem Hintergrund, dass sich bei Abstimmungen im Gemeinderat eine Mehrheit ergeben muss, Art. 51 Abs. 1 S. 1 GO.
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Einen Ausschlussgrundfür die Funktion als ehrenamtliches Gemeinderatsmitglied schafft Art. 31 Abs. 3 S. 1 GO. Danach können insbesondere Beamte und leitende oder hauptberufliche Angestellte der Gemeinde nicht gleichzeitig Gemeinderatsmitglied sein (Art. 31 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GO).
4. Teil Organe der Gemeinde und deren Aufgaben› B. Der Gemeinderat› II. Aufgaben des Gemeinderats
II. Aufgaben des Gemeinderats
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Ausgehend von Art. 29 GO und Art. 30 Abs. 2 GO lässt sich die Zuständigkeit des Gemeinderats nur negativ bestimmen.
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Der Gemeinderat ist nur dann zur Willensbildungaufgerufen, wenn keine Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters nach Art. 37 GO bzw. eines beschließenden Ausschusses nach Art. 32, 88 GO gegeben ist.
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Daneben hat der Gemeinderat nach Art. 30 Abs. 3 GO die Befugnis, die gesamte Gemeindeverwaltung und die Ausführung seiner Beschlüsse (Vollzugsorgan ist nach Art. 36 S. 1 GO der erste Bürgermeister) zu überwachen.
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Weiter kann der Gemeinderat nach Art. 32 Abs. 3 S. 1 GO Entscheidungen beschließender Ausschüsse nachprüfenund nach Art. 32 Abs. 5 GO Ausschüsse jederzeit auflösen. Dem Gemeinderat wird aus dieser Kompetenz zur Auflösung von Ausschüssen auch ein Rückholrecht im Einzelfallbezüglich einer Entscheidung in Ausschüssen eingeräumt.[1]
Beispiel
Wenn der Gemeinderat einen Bauausschuss zur Behandlung baurechtlicher Angelegenheiten gebildet hat, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Gemeinderat sich z.B. die Entscheidung für einen als besonders wichtig erachteten Bebauungsplan im Einzelfall wieder an sich zieht. Wenn der Gemeinderat nach Art. 32 Abs. 5 GO beschließende Ausschüsse jederzeit wieder auflösen kann, muss es ihm erst recht möglich sein, die hinter der Auflösung zurückbleibende Einzelfallentscheidung „zurückzuholen“.
4. Teil Organe der Gemeinde und deren Aufgaben› B. Der Gemeinderat› III. Rechtsstellung ehrenamtlicher und berufsmäßiger Gemeinderatsmitglieder
III. Rechtsstellung ehrenamtlicher und berufsmäßiger Gemeinderatsmitglieder
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Ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder üben ein Ehrenamt nach Art. 19 GO aus. Sie können damit aus den Gründen des Art. 19 Abs. 2 GO abberufen werden.
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Das ehrenamtliche Gemeinderatsmitglied hat folgende wesentliche Mitgliedschaftsrechte(Organrechte):
Aus Art. 48 Abs. 1 S. 1, S. 2 GO korrespondiert zur Anwesenheits- und Abstimmungsverpflichtung, ein Teilnahmerecht (auch ein Recht auf Ladung zur Sitzung und auf Abstimmung) an der gemeindlichen Sitzung.[2] Daneben hat das Gemeinderatsmitglied ein Antragsrecht (auch auf Aufnahme von Tagesordnungspunkten in die Tagesordnung der Sitzung).[3] Weiter besteht ein Anspruch auf Entschädigung, Art. 20a GO.
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Wesentliche Pflichtensind die Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1 S. 1 GO, an den Sitzungen und Abstimmungen teilzunehmen. Kein Mitglied darf sich nach Art. 48 Abs. 1 S. 2 GO der Stimme enthalten. Daneben bestimmt Art. 20 Abs. 2 GO die Pflicht zur Verschwiegenheit.
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Art. 40 GO eröffnet für bestimmte größere Gemeinden die Möglichkeit berufsmäßige Gemeinderatsmitglieder zu wählen. Diese haben nach Art. 40 S. 2 GO in den Sitzungen von Gemeinderat und Ausschüssen nur beratende, nicht aber beschließende Stimme.
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Damit kann auch die Nichtladung eines berufsmäßigen Gemeinderatsmitglieds nicht die Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses zur Folge haben. Die Beschluss(!)fähigkeit des Gemeinderats wird nicht in Frage gestellt.
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