2. Entschädigung bei Beschränkungen
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Für die rechtswidrige Untersagung von Rechtsgeschäften oder Handlungen steht den Betroffenen ein Anspruch auf Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff[65] oder aus Amtspflichtverletzung zu. Hingegen sind rechtmäßige Beschränkungen grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Beruhen Schäden auf Embargos und Sanktionen, die auf unmittelbar geltendes EU-Recht zurückzuführen sind, würden Entschädigungsansprüche ohnehin nur gegen den europäischen Gesetzgeber bestehen, nicht aber gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat.[66] Wird hingegen eine einmal rechtmäßig erteilte Genehmigung widerrufen, besteht nach § 49 Abs 6 VwVfG ein Anspruch auf Ersatz des Schadens, den der Genehmigungsinhaber dadurch erlitten hat, dass er auf den Bestand der Genehmigung vertraut hat. Davon umfasst sind lediglich die Aufwendungen, die er nach Erlass der Genehmigung getätigt hat.[67]
D. Rechtsquellen des US-Reexportkontroll- und Sanktionsrechts
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Schließlich ist auch für deutsche Rechtsanwender das US-Reexportkontroll- und Sanktionsrechtvon besonderer Bedeutung. Dies liegt ua daran, dass diese Vorschriften zT einen sehr weiten Anwendungsbereich aufweisen. Zu berücksichtigen sind hier insbesondere drei Regelwerke, die in unterschiedlichen Gesetzen geregelt sind und von unterschiedlichen Behörden verwaltet werden.
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Für die Kontrolle von Rüstungsgütern sind zunächst die International Traffic in Arms Regulations (ITAR) zu berücksichtigen. Auch die USA haben strenge Regelungen für Rüstungsgüter erlassen, die auf einer Liste aufgeführt sind, nämlich der US Munitions List (USML). Für den deutschen Rechtsanwender wird dies dann relevant, wenn er solche Güter aus den USA oder von einer sog US-Person geliefert bekommt. Dieser Transfer muss aus US Sicht genehmigt werden, wozu idR ein sog Technical Assistance Agreement (TAA) oder ein Manufacturing License Agreement (MLA) geschlossen wird. Hierin ist regelmäßig vorgesehen, dass die Güter weiterhin der Jurisdiktion der USA unterliegen und ein Reexport von Deutschland in andere Staaten, also auch solche der EU, genehmigungsbedürftig ist. Für die Verwaltung der ITAR ist das Directorate of Defence Trade Controls (DDTC) innerhalb des State Departments zuständig.
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Für den Reexport von Dual-Use und andere Gütern sind die Export Administration Regulations (EAR) einschlägig Nach diesen Vorschriften unterliegt der Reexport von Gütern mit US-Ursprung oder mit einem gewissen Anteil an US-Vormaterialien ebenfalls der Kontrolle. Für die Verwaltung der EAR ist das Bureau of Industry and Security (BIS) innerhalb des Departments of Commerce zuständig.
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Daneben sind die sog OFAC Sanctions von besonderer Bedeutung. Hierbei handelt es sich um Sanktions- und Embargovorschriften der USA. Diese werden durch das Office of Foreign Assets Controls (OFAC) innerhalb des Departments of the Treasury verwaltet. Die USA haben zT sehr umfangreiche Embargos gegenüber verschiedenen Staaten erlassen, insbesondere gegenüber der Krim, Kuba, Iran, Nordkorea, Sudan und Syrien. Diese Embargovorschriften sind einerseits auf sog US-Persons anwendbar, zT sind diese aber auch darüber hinaus extraterritorial auf alle Personen weltweit anwendbar, so dass Unternehmen, die auch in den USA tätig sind, überprüfen sollten, welche Risiken sich für sie aus der Anwendbarkeit dieser Vorschriften ergeben können.
E. Bedeutung für interne Compliance-Programme
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Angesichts dieser Vielgestaltigkeit von unterschiedlichsten Regelungsbereichen entspringenden, sich zT ergänzenden, ausnahmsweise aber auch widersprechenden Vorschriften, stellt es eine gewisse Herausforderung dar, ein auf das jeweilige Unternehmen und dessen Geschäft zugeschnittenes internes Compliance-Programm (ICP) zu entwickeln.[68] Hilfestellung hierzu leisten ua die Empfehlungen der Europäischen Kommission über interne Compliance Programme bei Dual-Use-Gütern[69] oder das BAFA-Merkblatt „Firmeninterne Exportkontrolle (ICP)“[70].
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In der Praxis hat es sich durchgesetzt, hierfür nicht an den jeweiligen Regelungsebenen und -quellen anzusetzen, sondern bei den Anknüpfungspunkten der verschiedenen außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften. Zu diesem Zwecke wird differenziert zwischen güterbezogenen, verwendungsbezogenen, länderbezogenen sowie personenbezogenen Regelungen.
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Die güterbezogenen Regelungen knüpfen an die verschiedenen Güterlisten an, also etwa die Liste von Rüstungsgütern in Teil I Abschn A der Ausfuhrliste oder an Güter mit doppeltem Verwendungszweck nach Anh I der Dual-Use-VO. Die Dual-Use-Liste enthält in der Regel detaillierte technische Beschreibungen der Güter, während Teil I Abschn A der Ausfuhrliste darauf abstellt, ob bestimmte Güter für militärische Zwecke besonders konstruiert oder geändert wurden. Hierfür kommt es nach der Rechtsprechung auf die objektiv-technischen Eigenschaften der Güter an.[71] In Teil I Abschn B der Ausfuhrliste sind nationale Dual-Use Güter aufgeführt, deren Ausfuhr allerdings regelmäßig lediglich in bestimmte Länder genehmigungsbedürftig ist. Ebenso wie bei den in den Sanktions- und Embargoverordnungen aufgeführten Güterlisten empfiehlt es sich daher für letztere, sie im Rahmen eines ICP zusammen mit den länderbezogenen Regeln zu berücksichtigen. Ebenfalls güterbezogen sind diejenigen Umstände, die dazu führen, dass bestimmte Güter ggf den Vorschriften der US-Reexportkontrolle gem ITAR oder EAR unterfallen.
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Verwendungsbezogene Beschränkungen ergeben sich vor allem aus den sog Catch-All-Klauseln in Art 4 Dual-Use-VOoder § 9 AWV. Hiernach kann der Export von nicht gelisteten Gütern dann beschränkt sein, wenn diese für besonders kritische Endverwendungszwecke bestimmt sind.
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Da sowohl die EU- als auch die US-Sanktions- und Embargovorschriften je nach sanktioniertem Land sehr unterschiedlich aussehen, ist ein weiterer Anknüpfungspunkt für das ICP die Ausfuhr bzw die Geschäfte mit denjenigen Ländern, die von Sanktionen und Embargos betroffen sind.
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Finanzrestriktionen gegenüber bestimmten gelisteten Personen und Organisationen können personenbezogen in den Blick genommen werden, da IT-Lösungen zur Verfügung stehen, die ein Sanktionslistenscreening von Personendaten gegen einschlägige Listen ermöglichen.
[1]
Bachmann AW-Prax 2000, 448.
[2]
Hocke/ Friedrich Einf AWG S 4; Stein/Thoms Einf AWG Rn 5.
[3]
Hocke/ Friedrich Einf AWG, S 5; Epping S 1.
[4]
Wabnitz/Janovksy/ Harder Kap 23 Rn 2 zählt die Ausfuhrvorschriften des Zollrechts zum Außenwirtschaftsrecht im engeren Sinne.
[5]
Streinz/ Nettesheim/Duvigneau Art 207 AEUV, Rn 82.
[6]
EuGH Rs C-124/95 Slg 1997, I-81 Rn 40 Centro-COM .
[7]
Petersmann ZaöRV 2005, 543, 555.
[8]
Rinnert ZfZ 2018, 110, 112f. Zu nationalen Sicherheitsinteressen vgl Glöckle EuZW 2019, 652.
[9]
Voland EuZW 2008, 70 f.
[10]
EuGH 5.5.1991, Rs 112/80, RIW 1981, 775.
[11]
AWR-Komm/ Simonsen § 21 AWV Rn 13; Streinz/ Kokott Art 346 AEUV Rn 1; Derksen NVwZ 219, 521, 522; unklar Streinz/ Nettesheim/Duvigneau Art 207 AEUV Rn 6.
[12]
Mitteilung zu Auslegungsfragen bei der Anwendung des Art 296 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften auf die Beschaffung von Verteidigungsgütern, KOM (2006) 779 endg.
[13]
Derksen NVwZ 2019, 521, 525.
[14]
AWR-Komm/ Simonsen § 21 AWV Rn 13; Streinz/ Kokott Art 346 AEUV Rn 1; Derksen NVwZ 219, 521, 522; unklar Streinz/ Nettesheim/Duvigneau Art 207 AEUV Rn 6.
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