A. Einordnung und Hintergrund
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ErwG 39 nennt die Grundsätze des Art. 5und beschreibt den Stellenwert der Begriffe bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. ErwG 39 dient dabei als erste Hilfe zur Auslegung der Grundsätze des Art. 5.
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ErwG 50 betont insbesondere in S. 8, dass die in der DS-GVO niedergelegten Grundsätze bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu anderen Zwecken zu gewährleisten sind.
II. Normengenese und -umfeld
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Art. 5übernimmt weitgehend die Inhalte des Art. 6 DSRL. Gänzlich neu im Gegensatz zu Art. 6 DSRL ist die Rechenschaftspflicht des Art. 5 Abs. 2.
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Die Grundsätze aus Art. 6 DSRL sind auf nationaler Ebene überwiegend verfassungsrechtlich verankert und wurden im Übrigen mehr oder weniger im BDSG a.F. umgesetzt. So erfuhr bspw. der Grundsatz von „Treu und Glauben“ aus Art. 6 DSRL keine ausdrückliche Erwähnung im BDSG a.F.
3. WP der Art.-29-Datenschutzgruppe
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WP 260 der Art.-29-Datenschutzgruppe zur Transparenz („Guidelines in transparency under Regulation“ 2016/679), |
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WP 172 der Art.-29-Datenschutzgruppe zum Grundsatz der Rechenschaftspflicht, |
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WP 203 der Art.-29-Datenschutzgruppe on purpose limitation. |
B. Kommentierung
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Art. 5bildet das Herzstück der DS-GVO und regelt das „Wie“ der Verarbeitung.[2]
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In Art. 5sind unmittelbar anwendbare, allgemeine Grundsätze als Rechtssätze normiert. Namentlich sind dies die Rechtmäßigkeit, die Verarbeitung nach Treu und Glauben und die Transparenz ( Abs. 1 lit. a), der Grundsatz der Zweckbindung mit Ausnahmen für Forschungszwecke ( Abs. 1 lit. b), die Datenminimierung ( Abs. 1 lit. c), die Datenrichtigkeit ( Abs. 1 lit. d), die Speicherbegrenzung ( Abs. 1 lit. e)sowie die Integrität und Vertraulichkeit ( Abs. 1 lit. f).
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Inhaltlich deckt sich Art. 5nicht vollständig mit der Vorgängerreglung des Art. 6 DSRL. So ist bereits die Überschrift des Art. 5mit der Bezeichnung „Grundsätze“ eine andere als die Überschrift des Art. 6 DSRL mit „Qualität der Daten“. Das bisher nur ungeschriebene Transparenzprinzip wird nunmehr in Art. 5 Abs. 1 lit. aausdrücklich erwähnt. Der Grundsatz der Transparenz zieht sich durch die gesamte DS-GVO. Insbesondere in den Art. 12 ff.im Rahmen der Informationspflichten und Auskunftsrechten des Betroffenen hat das Transparenzprinzip elementare Bedeutung.[3] Die weiteren, klauselartig formulierten Prinzipien des Art. 5finden ihre praktische Relevanz insbesondere an den Stellen, an denen die DS-GVO nur sehr allgemeine oder gar keine näheren Regelungen enthält. Hier entfalten sie unmittelbare Wirkung, weil sie im Rahmen gebotener Interessenabwägungen zu gewichten sind. Zu denken ist hier insbesondere an die – für den Geltungsbereich des BDSG n.F. freilich durch § 4 BDSG n.F. präzisierte[4] – Videoüberwachung oder an das Scoring.[5] In diesen Fällen müssen Rechtsanwender vor allem auf den Grundsatz von „Treu und Glauben“ nach Art. 5 Abs. 1 lit. azurückgreifen.
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Für den deutschen Rechtsanwender ist die Verwendung dieser Grundätze neu. Art. 6 DSRL war insoweit nur sehr eingeschränkt in deutsches Recht übernommen worden. Lediglich die Grundsätze der Datenvermeidung und Datensparsamkeit wurden ins BDSG (§ 3a) übernommen, aber als bloße Programmsätze bezeichnet.[6]
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Die Grundsätze des Art. 5sind trotz ihrer offenen und unbestimmten Formulierung geltendes Recht.[7] Sie sind verbindlich und stellen nicht nur bloße Programmsätze dar.[8] Bei Programmsätzen handelt es sich nämlich um allgemein gehaltene Begriffe oder Sätze, aus denen sich keine unmittelbaren Vorgaben entnehmen lassen und die auch nicht einklagbar sind.[9] Somit macht bereits die Bußgeldbewährung der Verletzung der Grundsätze[10] des Art. 5deutlich, dass im Rahmen des Art. 5nicht von Programmgrundsätzen auszugehen ist.[11]
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Eine eigenständige Bedeutung kommt den Grundsätzen des Art. 5insoweit zu, als sie den Verantwortlichen mit Blick auf die Betroffenenrechte auch Pflichten aufgeben. So ergeben sich aus Art. 15–22eigenständige Pflichten für den Verantwortlichen zur Sperrung und Löschung, auch wenn die Betroffenen diese nicht geltend machen, wenn die Verarbeitung dem Grundsatz der Richtigkeit( Abs. 1 lit. d)nicht entspricht.
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Die Nachweispflichtnach Art. 5 Abs. 2hat erhebliche praktische Bedeutung, da sie umfangreiche Dokumentationspflichten nach sich zieht und zu einer Beweislast des Verantwortlichen bei Kontrollen oder Interventionen der Aufsichtsbehörden führt. Nach Art. 5 Abs. 2hat der Verantwortliche dafür zu sorgen, dass die datenschutzrechtlichen Grundsätze eingehalten werden. Die Einhaltung derselbigen hat der Verantwortliche nachzuweisen. Zu beachten ist, dass nach dem Wortlaut der Regelung lediglich der Verantwortliche ( Art. 4 Nr. 7), nicht aber der Auftragsverarbeiter ( Art. 4 Nr. 8), von dieser Pflicht erfasst wird.[12]
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Da Art. 5als eine Kernnorm der Verordnung elementare Grundsätze der Datenverarbeitung festlegt, muss jede Datenverarbeitung, die in den Anwendungsbereich der DS-GVO fällt, kumulativden Anforderungen jedem dieser Grundsätze entsprechen.[13] Es ist somit nicht genügend, wenn etwa der Grundsatz der Datenminimierung beachtet wird, die Grundsätze der Transparenz und der Richtigkeit aber außer Acht gelassen werden.
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Über Art. 5werden die allgemeinen Grundsätze der DS-GVO vor die Klammer gezogen und damit zur Grundlage der nachfolgenden Bestimmungen gemacht.[14] Die in Art. 5 Abs. 1und 2niedergelegten Grundsätze werden in Einzelvorschriften der DS-GVO konkretisiert. So wird insbesondere der Grundsatz der Rechtmäßigkeit in den Vorschriften über die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung ausgestaltet ( Art. 6 Abs. 1) und das Transparenzprinzip ist Grundlage für die Anforderungen an die Art und Weise und den Inhalt der Information und Benachrichtigung der betroffenen Person ( Art. 7 Abs. 2, Art. 12–15und Art. 34).[15]
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Normadressaten des Art. 5sind direkt die „Verantwortlichen“. Dies war in der Vorgängerregelung in Art. 6 DSRL noch anders, da diese Regelung an die Mitgliedstaaten adressiert war. Ergebnis der Ausgestaltung als Verordnung ist, dass die Verpflichtungen der DS-GVO den Verantwortlichen unmittelbar treffen.
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Die Öffnungsklauseln der DS-GVO gestatten innerhalb ihres Rahmens, Ausnahmen von Art. 5durch mitgliedstaatliches Recht zu normieren.[16] Die Öffnungsklauseln mit dieser Möglichkeit finden sich in Art. 23hinsichtlich der Rechte der betroffenen Personen und Art. 85im Bereich des Journalismus. Außerhalb dieser beiden Normen besteht für den nationalen Gesetzgeber keine Möglichkeit von den Grundsätzen des Art. 5abzuweichen.
II. Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz, Abs. 1 lit. a(Lawfulness, Fairness, Transparency)
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In Art. 5 Abs. 1 lit. awerden drei Grundsätze aufgestellt: Rechtmäßigkeit (Lawfulness), Verarbeitung nach Treu und Glauben (Fairness) und Transparenz (Transparency). Die Grundsätze weisen wechselseitige Bezüge auf, stehen aber nicht in einem zwingenden Zusammenhang zueinander.[17] So setzen die Verarbeitung nach Treu und Glauben und die Transparenz die Rechtmäßigkeit voraus, selbst wenn sie nicht selber als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen anzusehen sind.[18] Auch nach der Rechtsprechung des EuGH sind Transparenz und Treu und Glauben im Zusammenhang zu sehen.[19]
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