Und noch etwas ist wichtig: Die Integration der Akzeptanz- und Commitment-Therapieperspektive beschränkt sich nicht nur auf die Einbeziehung der funktionalen Prozesse. Auch die Akzeptanz-orientierte Grundhaltung wird integriert. Sie ist – besonders in der zweiten Hälfte der Therapie – ein wichtiger Ausgleich der veränderungsorientierten Nachbeelterungshaltung und stellt eine sanfte Art der empathischen Konfrontation dar. Bekanntlich neigen Schematherapierende stark zur Nachbeelterung. Aber bei vielen Behandelten sind (aus inneren oder äußeren Gründen) die Ressourcen zur Veränderung begrenzt. Dieser Begrenzung müssen wir wohlwollend begegnen können. Dabei ist Akzeptanz und die Einnahme einer Haltung der sogenannten »kreativen Hoffnungslosigkeit« eine wichtige Erweiterung unseres therapeutischen Repertoires im Sinne von Marsha Linehans Modell der dialektischen Wippe zwischen Veränderung und Akzeptanz. Damit wird Schematherapie zu einer wirklichen Therapie der sogenannten »dritten Welle« der Verhaltenstherapie, ohne ihre Emotionsfokussierung zu verlieren. Die therapeutische Beziehungsgestaltung wird nur noch flexibler und »breiter« in der Anwendung, gerade bei den »schwierigen Fällen«. Viele dieser Chronifizierten haben über die Jahre einen »Therapieroutine-Modus« entwickelt, in den sie sich in der Therapie zurückziehen. Um mit diesen Menschen auch in Phasen der Stagnation effektiv weiter arbeiten zu können, bietet der Fundus der in diesem Buch enthaltenen Übungen ein schier unerschöpfliches Repertoire.
Sie sehen, es gibt doch einige gute Gründe, warum dieses Buch geschrieben wurde – und ich habe gerne dieses Geleitwort beigesteuert. Nun wünsche ich Ihnen viel Freude beim Lesen. Vielleicht überträgt sich die Begeisterung des Autors etwas auf Sie. Und vor allem: Probieren Sie die Übungen wirklich aus! Mit den konkreten Anleitungen in diesem Buch ist das gar nicht so schwer. Außerdem gibt es ja auch noch die Videos dazu, auf die der Autor im Laufe des Buches immer wieder hinweist. Viel Erfolg dabei!
Eckhard Roediger |
Frankfurt, im Juni 2021 |
Wendy T. Behary, Präsidentin (2010–2014) der Internationalen Gesellschaft für Schematherapie (ISST)
Als mein Kollege und Freund Dr. Matias Valente mir über sein Buchprojekt »Schematherapie: Ein Leitfaden für die Praxis« erzählte, freute ich mich sehr. Daraus resultierte ein ausführliches Werk, das auf wunderschöner und sehr praktischer Art und Weise die Anwendung der evidenzbasierten Schematherapie nach Dr. Jeffrey Young für die Arbeit mit sehr komplexen und herausfordernden Patienten in der Psychotherapie darstellt.
Dr. Valente führt den Leser sehr bedacht in Richtung eines tiefen Verständnisses der Schematheorie und zeigt die konkrete Anwendung diagnostischer Instrumente und strategischer Interventionen. Er vermittelt uns systematisch eine sorgfältige Betrachtung des Narrativen des Patienten unter Berücksichtigung von dessen unbefriedigten emotionalen Grundbedürfnissen, Beziehungstraumata und lebenslangen Lebensfallen, welche vor uns im Behandlungszimmer ans Licht kommen. Dem Autor gelingt es, zahlreiche Techniken und Strategien sehr lebendig in die Schematherapie zu integrieren, und zeigt dem Leser die Wichtigkeit eines integrativen Vorgehens, um sehr früh erworbene dysfunktionale Erlebnismuster unserer Patienten effektiv zu korrigieren, neu zu organisieren und letztendlich zu heilen.
Das vorliegende Buch bietet dem Behandler einen sehr anwenderfreundlichen und gut zugänglichen Wegweiser für die Arbeit mit Persönlichkeitsstörungen und anhaltenden destabilisierenden klinischen Symptomen. Dr. Valente ist nicht nur ein sehr talentierter Kliniker und Psychotherapeut, sondern auch ein Experte der Schematherapie und ein erfahrener Trainer und Supervisor. Er zeigt uns, wie effektiv die Kombination aus einer sicheren nachbeelternden Beziehung, einer gut formulierten Fallkonzeptualisierung mit entsprechenden Veränderungszielen sowie der strategisch-zielgerichteten Anwendung zahlreicher Techniken zur Reduktion dysfunktionaler Schemaaktivierungen, intensiver Emotionsregulationsstörungen und verinnerlichter selbstkritischer »Botschaften« führen kann. Pathologische kognitiv-emotionale Muster und Bewältigungsreaktionen werden dann allmählich durch gesunde und adaptivere ersetzt.
Ich fühle mich geehrt und möchte meine Unterstützung und meine Begeisterung für dieses Buch zum Ausdruck bringen, das eine Bereicherung für jeden klinisch Tätigen darstellt.
Wendy T. Behary |
New York, im Mai 2021 |
Liste der Übungsanleitungen
ÜbungTechnikSeite
Wenn Sie diese Zeilen lesen, dann haben Sie möglicherweise dieses Buch bereits erworben – wofür ich mich zunächst einmal von Herzen bedanken möchte! Oder vielleicht schauen Sie gerade rein, um herauszufinden, ob sich der Kauf lohnt. Dann hoffe ich, die Leseprobe gefällt Ihnen! In den nächsten Seiten möchte ich Ihnen zunächst etwas über meinen persönlichen Hintergrund, meine Erfahrungen mit Schematherapie und den Aufbau dieses Buches erzählen.
Die Rivalität zwischen verschiedenen Methoden und »Schulen« hat eine sehr lange Tradition in der Geschichte der Psychotherapie. Bereits in den 1910er Jahren zeigte sich die Rivalität zwischen US-amerikanischen behavioristischen Forschern, insbesondere J. Watson, und den europäischen tiefenpsychologischen und analytischen Therapien. Während wir uns in der Bundesrepublik Deutschland bei der Wahl des Verfahrens vor Beginn der Psychotherapie-Weiterbildung »nur« zwischen Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch-fundierter Psychotherapie und analytischer Psychotherapie sowie (seit 2020) Systemischer Psychotherapie entscheiden müssen, werden bspw. in Österreich oder in der Schweiz 23 Methoden im Rahmen der GKV-Leistungen anerkannt. Und auch wenn die altbekannte, fast dogmatische und rigide »Rivalität« zwischen Vertretern verschiedener Therapiemethoden in den letzten Jahren und v.a. innerhalb der jüngeren Generationen von Psychotherapeuten 1 1 Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird in der Regel die neutrale bzw. männliche Form verwendet. Diese gilt für alle Geschlechtsformen (weiblich, männlich, divers).
mehr und mehr überwunden werden konnte, begegnet uns im Alltag – spätestens im Rahmen von Tagungen und Kongressen – immer wieder diese alte »Feindseligkeit« zwischen den unterschiedlichen Verfahren.
Lassen Sie mich kurz etwas »Selbstöffnung« üben – übrigens eine Technik, die Sie in diesem Buch später finden werden: Ich habe sehr wohl solche Kämpfe und dogmatischen Diskussionen geführt. Und das Lustige dabei? Nicht immer spielte ich bei solchen Kämpfen für die gleiche Mannschaft! Zu Beginn meines Werdeganges und insbesondere im Rahmen meines Psychologiestudiums in Buenos Aires dominierten die Psychoanalyse und verschiedene tiefenpsychologische Entwicklungen mein psychotherapeutisches Verständnis. Und ich war immer gerne an der Diskussionsfront, um Abstand zu nehmen von den »oberflächlichen, mechanistischen, extrem reduktionistischen Verhaltenstherapeuten«. Ich ließ mich vielleicht auf Gespräche mit Systemikern ein, aber auch das war nicht immer leicht, denn dabei musste ich immer wieder gewisse »Schuldgefühle« in mir spüren, als würde ich »fremdgehen« und meine Ideale missachten. Etwas später im Leben kam die große Wendung: Ich begann die Weiterbildung zum Psychotherapeuten und stellte auf einmal fest, dass man diese Kämpfe auch mit einem anderen »Trikot« führen kann. Kämpfen ist sicherlich schön und unterhaltsam, aber auf Dauer auch ermüdend.
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