PLUTZERKERN. Gut, vielleicht wird aus dem Knecht Ihr künftiger Herr.
FLORA. Warum nicht gar! Von mir bekommt jeder einen Korb.
PLUTZERKERN. Leider, das g’spür ich! Jetzt müssen Sie ihn aber wieder nehmen, wenn ich zum G’vattern soll. (Gibt ihr den bepackten Korb.)
FLORA. Mach Er geschwind, langweiliger Mensch! (Ab in die Gartentüre.)
PLUTZERKERN (allein) . Hm, hm! Der Garten ist doch nicht so verwahrlost, und wie’s die treibt um den flinken, rüstigen Gartenknecht – hm, hm! (Geht rechts ab.)
Titus Feuerfuchs tritt während des Ritornells des folgenden Liedes erzürnt von rechts vorne auf.
Lied
1.
Der hat weiter nit g’schaut,
Beinah hätt ich ’n g’haut;
Der Spitzbub, ’s is wahr,
Lacht mich aus weg’n die Haar’!
Wen geht’s denn was an,
Ich hoff doch, ich kann
Haar’ hab’n, wie ich will,
Jetzt wird’s mir schon z’ viel!
Rote Haar’ von ein’ falschen Gemüt zeig’n soll’n?
’s is ’s Dümmste, wann d’ Leut nach die Haar’ urteil’n woll’n.
’s gibt G’schwufen g’nug mit ein’ kohlrab’nschwarzen Haupt,
Und jede is ang’schmiert, die ihnen was glaubt;
Manch blondg’lockter Jüngling is beim Tag so still
Und schmachtend – warum? Bei der Nacht lumpt er z’ viel!
Und mit eisgraue Haar’ schaun die Herrn aus so g’scheit
Und sein oft verruckter noch als d’ jungen Leut!
[13]Drum auf d’ Haar’ muss man gehn,
Nachher trifft man’s schon schön.
2.
(Drohend in die Szene blickend, von woher er gekommen.)
Mir soll einer traun,
Der wird sich verschaun,
Auf Ehr, dem geht’s schlecht,
Denn ich beutl’ ihn recht;
Der Kakadu is verlor’n,
Wenn ich in mein’ Zorn
Über d’ Haar’ ein’ kumm,
Der geht glatzkopfet um.
Die rothaarig’n Madeln, heißt’s, betrüg’n d’ Männer sehr;
Wie dumm! Das tun d’ Madeln von jeder Couleur.
Die schwarz’n, heißt’s, sein feurig, das tut d’ Männer locken,
Derweil is a Schwarze oft d’ fadeste Nocken.
Die Blonden sein sanft? Oh! A Blonde is a Pracht!
Ich kenn eine Blonde, die rauft Tag und Nacht.
Doch mit graue Haar’ sein s’ treu, na, da stund man dafur,
Nit wahr is, die färb’n sich s’ und geb’n auch keine Ruh –
Drum auf d’ Haar’ muss man gehn,
Nachher trifft man’s schon schön.
[14] So kopflos urteilt die Welt über die Köpf, und wann man sich auch den Kopf aufsetzt, es nutzt nix. Das Vorurteil is eine Mauer, von der sich noch alle Köpf, die gegen sie ang’rennt sind, mit blutige Köpf zurückgezogen haben. Ich hab meinen Wohnsitz mit der weiten Welt vertauscht, und die weite Welt is viel näher, als man glaubt. Aus dem Dorngebüsch z’widrer Erfahrungen einen Wanderstab geschnitzt, die Chiappa-via-Stiefeln angezogen und ’s Adje-Kappel in aller Still geschwungen, so is man mit einem Schritt mitten drin in der weiten Welt. – Glück und Verstand gehen selten Hand in Hand – ich wollt’, dass mir jetzt ein recht dummer Kerl begegnet’, ich sähet das für eine gute Vorbedeutung an.
Titus. Plutzerkern.
PLUTZERKERN. Der Weg war auch wieder umsonst! – (Titus erblickend.) Ein Fremder gestaltet sich vor meinem Blick?
TITUS (für sich) . Schicksal, ich glaub, du hast mich erhört.
PLUTZERKERN (Titus musternd) . Der B’schreibung nach, die mir der Herr Polz g’macht hat, könnt das der sein, den er erwart’t. Wuchs groß, Mund groß, Augen sehr groß, Ohren verhältnismäßig – nur die Haar’ –? (Zu Titus.) Sucht der Herr hier ein Brot?
TITUS. Ich such Geld, ’s Brot wüsst ich mir nachher schon z’ finden.
[15]PLUTZERKERN (für sich) . Er sucht Geld – und das verdächtige Aussehen – (laut) auf d’ Letzt is Er ein Schatzgraber?
TITUS. Wenn mir der Herr ein’ Ort zeigt, wo einer liegt, so nimm ich gleich bei ein’ Maulwurf Lektion.
PLUTZERKERN. Oder is Er gar ein Rauber?
TITUS. Bis jetzt noch nicht, mein Talent ist noch in einer unentwickelten Bildungsperiode begriffen.
PLUTZERKERN. Versteht Er die Gartnerei?
TITUS. Ich qualifiziere mich zu allem.
PLUTZERKERN (für sich) . Er is es! (Zu Titus.) Er möcht also bei unserer jungen, saubern Gartnerin-Witwe Gehilfe werden?
TITUS. Gehilfe der Witwe? – Wie g’sagt, ich qualifizier mich zu allem.
PLUTZERKERN. Mit so einem G’hilfen wär ihr schon g’holfen – wie die mich jaget, wann ich ihr das Florianiköpfel brächt!
TITUS (erzürnt) . Herr, diese Äußerung empört mein Innerstes.
PLUTZERKERN. Fahrst ab, rote Rub’n? (Geht stolz in die Gartentür ab.)
Titus allein, Plutzerkern mit stummem Ärger nachsehend.
TITUS. Ich bin entwaffnet! Der Mensch hat so etwas Dezidiertes in seiner Grobheit, dass es einem rein die Red verschlagt. Recht freundlich, recht liebreich kommt man [16]mir entgegen! In mir organisiert sich aber auch schon Misanthropisches – ja – ich hass dich, du inhumane Menschheit, ich will dich fliehen, eine Einöde nehme mich auf, ganz eseliert will ich sein! – Halt, kühner Geist, solcher Entschluss ziemt dem Gesättigten, der Hungrige führt ihn nicht aus. Nein, Menschheit, du sollst mich nicht verlieren. Appetit is das zarte Band, welches mich mit dir verkettet, welches mich alle Tag drei-, viermal mahnt, dass ich mich der Gesellschaft nicht entreißen darf. – (Nach rechts sehend.) Dort zeigt sich ein Individuum und treibt andere Individuen in ein Stallerl hinein, Ganseln sind’s – Ganseln! – O Hüterin, warum treibst du diese Ganseln nicht als a brat’ner vor dir her, ich hätt mir eines als Zwangsdarlehen zugeeignet.
Titus. Salome von rechts auftretend, ohne Titus zu bemerken, hat einen großen halben Laib Brot und ein Messer in d er Hand.
SALOME. Ich muss trinken, mi druckt’s im Magen. (Sie geht zum Brunnen und trinkt.)
TITUS (für sich) . Die druckt’s im Magen! Oh, könnt ich dieses selige Gefühl mit ihr teilen!
SALOME (ihn bemerkend, für sich) . Ein fremder junger Mensch – und die schönen Haar’, grad wie ich!
TITUS (für sich) . Bin neugierig, ob die auch »rote Rub’n!« sagt. (Laut.) Grüß dich Gott, wahlverwandtes Wesen!
SALOME. Gehorsamste Dienerin, schöner Herr!
[17]TITUS (halb für sich) . Die find’t, dass ich schön bin, das ist die Erste unter allen –
SALOME. Oh, hören S’ auf, ich bin die Letzte hier im Ort, ich bin die Ganselhüterin, die arme Salome.
TITUS. Arm? Ich bedaure dich, sorgsame Erzieherin junger Gänse! Deine Kolleginnen in der Stadt sind viel besser daran, und doch erteilen sie häufig ihren Zöglingen in einer Reihe von Jahren eine nur mangelhafte Bildung, während du die deinigen alle Martini vollkommen ausgebildet für ihren schönen Beruf der Menschheit überlieferst.
SALOME. Ich versteh Ihnen nit, aber Sie reden so schön daher – wer is denn Ihr Vater?
TITUS. Er ist gegenwärtig ein verstorbener Schulmeister.
SALOME. Das ist schön! Und Ihre Frau Mutter?
TITUS. War vor ihrem Tod längere Zeit verehelichte Gattin ihres angetrauten Gemahls.
SALOME. Ah, das is schön!
TITUS (für sich) . Die find’t alles schön, ich kann so dumm daherreden, als ich will.
SALOME. Und darf man Ihren Namen wissen – wenigstens den Taufnamen?
TITUS. Ich heiß Titus.
SALOME. Das is ein schöner Nam’.
Читать дальше