Primäre Hüftendoprothetik
In Deutschland werden jährlich ca. 87.000 primäre Hüftendoprothesen implantiert. Ausgenommen das Jahr 2020, in dem aufgrund der Corona-Pandemie die Fallzahl auf ca. 76.000 Fälle zurückgegangen ist. Gemäß o. g. Definition betrug der Anteil geriatrischer Patienten im analysierten Zeitraum zwischen 11,3 und 12 % aller Fälle mit Hüftprothesen-Implantation bei Über-70-Jährigen. Dabei stieg der Anteil geriatrischer Patienten mit zunehmendem Alter kontinuierlich an und betrug in der Altersgruppe der 85- bis 89-Jährigen 23 %.
Die mittleren Fallkosten blieben von 2017 bis 2020 bei nicht geriatrischen Fällen weitgehend konstant (
Tab. 2.1,
Abb. 2.1), wobei die Mehrkosten pro Fall in der geriatrischen Gruppe im Jahr 2017 1.843 € höher (21 %) lagen und bis 2020 auf 2.662 € (27 %) angestiegen sind.
Tab. 2.1: Mittelwert (MW) und Summe der für Deutschland hochgerechneten stationären Kosten mit primärer Hüftendoprothesenimplantation (BARMER-Daten)
MW-Fallkosten (€)Summe Fallkosten (€)Jahr/Gruppegeriatrischnicht geriatrischgeriatrischnicht geriatrisch
Abb. 2.1: Mittlere Fallkosten des stationären Aufenthaltes mit primärer Hüftendoprothetik bei geriatrischen (G) und nicht geriatrischen Patienten (NG) je Alters- und Geschlechtsgruppe im Jahr 2018 (BARMER-Daten)
Der Anteil geriatrischer Patienten, die eine primäre Hüftprothese erhalten, steigt an. Die damit verbundenen Kosten waren 2020 um 27 % höher als bei nicht geriatrischen Patienten mit gleicher Versorgung. Dies ist auch eine Folge der Coronapandemie.
Primäre Knieendoprothetik
Im Jahr 2017 wurden in Deutschland fast 80.000 Knieendoprothesen bei Patienten, die älter als 70 Jahre waren, implantiert. Dabei betrug der Anteil geriatrischer Patienten 9,3 % in 2017 und 9,7 % in 2018 bis 2020, wobei fast doppelt so viele Frauen wie Männer versorgt wurden.
Die mittleren Fallkosten waren bei geriatrischen Patienten mit Knieendoprothesen im analysierten Zeitraum zwischen 1.160 bis 1.910 € (13–19 %) höher als bei nicht geriatrischen Patienten. Dabei zeigte sich insbesondere bei Männern eine altersabhängige Kostensteigerung um ca. 20 % vom 70. bis zum 90. Lebensjahr (
Tab. 2.2,
Abb. 2.2).
Tab. 2.2: Mittelwert (MW) und Summe der für Deutschland hochgerechneten stationären Kosten mit primärer Knieendoprothesenimplantation (BARMER-Daten)
MW-Fallkosten (€)Summe Fallkosten (€)Jahr/Gruppegeriatrischnicht geriatrischgeriatrischnicht geriatrisch
Abb. 2.2: Mittlere Fallkosten des stationären Aufenthaltes mit primärer Knieendoprothetik bei geriatrischen (G) und nicht geriatrischen Patienten (NG) je Alters- und Geschlechtsgruppe im Jahr 2018 (BARMER-Daten)
Während der Anteil geriatrischer Patienten in der primären Knieendoprothetik in den letzten Jahren relativ konstant geblieben ist, zeigen sich deutlich höhere Behandlungskosten (13–19 %) als bei nicht geriatrischen Patienten.
Aseptischer einzeitiger Wechsel von Hüft- und Knieendoprothese
Aufgrund eines Wechsels der Codierung in der DRG-Systematik wurden hier nur die Jahre 2018 bis 2020 analysiert. Der Anteil geriatrischer Fälle bei den 70- bis 74-Jährigen lag beim Hüftprothesenwechsel zwischen 19 % (m) und 29 % (w), bei den 80- bis 84-Jährigen zwischen 39 % (m) und 49 % (w). Beim Knieprothesenwechsel lag der geriatrische Fallanteil bei den 70- bis 74-Jährigen zwischen 18 % (w) und 22 % (m) und bei den 80- bis 84-Jährigen in 2018 bei 20 % (m) und 22 % (w), mit einem signifikanten Anstieg in 2020 auf 35 % (m) und 34 % (w).
Tab. 2.3: Mittelwert (MW) und Summe der für Deutschland hochgerechneten stationären Kosten mit einzeitigem aseptischem Hüftprothesenwechsel (BARMER-Daten)
MW-Fallkosten (€)Summe Fallkosten (€)Jahr/Gruppegeriatrischnicht geriatrischgeriatrischnicht geriatrisch
Tab. 2.4: Mittelwert (MW) und Summe der für Deutschland hochgerechneten stationären Kosten mit einzeitigem aseptischem Knieprothesenwechsel (BARMER-Daten)
MW-Fallkosten (€)Summe Fallkosten (€)Jahr/Gruppegeriatrischnicht geriatrischgeriatrischnicht geriatrisch
Die durchschnittlichen Fallkosten bei Knieprothesenwechseln waren bei geriatrischen Patienten um 21,4 % (2.770 €) höher als bei nicht geriatrischen Patienten. Dieser Effekt war beim einzeitigen aseptischen Hüftprothesenwechsel noch deutlich stärker ausgeprägt mit 26,2 % (3.671 €) Mehrkosten pro Fall. Bei der Wechselendoprothetik am Hüftgelenk zeigte sich zudem, dass die geriatrische Fallkostensumme aller behandelten Fälle in 2019 und 2020 höher war als die Summe der Fallkosten aller nicht geriatrischer Patienten, was die ökonomische Relevanz der Behandlung dieses Patientenkollektivs noch einmal deutlich macht.
Die Fallkosten für die geriatrische Fallgruppe sind beim einzeitigen aseptischen Prothesenwechsel, mit 21 % (Knie) und 26 % (Hüfte) deutlich höher als im nicht geriatrischen Kollektiv.
Der Einblick in die Versorgungssituation geriatrischer Patienten am Beispiel der Knie- und Hüftendoprothetik macht deutlich, dass der Anteil geriatrischer Patienten in allen beobachteten Gruppen vergleichsweise ansteigt und die Kosten, die mit der Versorgung geriatrischer Patienten einhergehen, deutlich höher sind als bei altersgleichen nicht geriatrischen Patienten. Das Gesundheitssystem wird sich diesen Veränderungen stellen müssen. Eine Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen und medizinischen Innovationen ist unumgänglich. Auch auf die Frage, wie sich die zunehmende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen finanzieren lässt, müssen Antworten gefunden werden.
3 Herausforderungen in der Betreuung orthogeriatrischer Patienten
Karsten E. Dreinhöfer und Clemens Becker
Krankheitslasten
Weltweit sind Muskel- und Skeletterkrankungen die führende Ursache für körperliche Funktionseinschränkungen, chronische Schmerzen und Verlust an Lebensqualität (Briggs et al. 2018b). In der Studie »Gesundheit in Deutschland aktuell« (GEDA) des Robert Koch-Instituts wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer telefonisch befragt, ob bei ihnen muskuloskelettale und andere ausgewählte Erkrankungen ärztlich diagnostiziert wurden. Die für Deutschland repräsentativen Ergebnisse zeigen eindrücklich, wie sich die Prävalenz dieser chronischen Erkrankungen mit zunehmendem Lebensalter erhöht. Insbesondere die älter werdende Bevölkerung leidet an einer oder sogar mehreren muskuloskelettalen Erkrankungen (MSK), hier liegen die höchsten Prävalenzen mit 63,7 % bei Frauen und 45,8 % bei Männern in der Altersgruppe 75 Jahre und älter. Im Vordergrund der Beschwerden stehen degenerative Gelenkerkrankungen, Rückenschmerzen und Osteoporose. In der Befragung von 2014 sind knapp die Hälfte aller Frauen und fast jeder dritte Mann über 70 Jahre von einer degenerative Gelenkerkrankung betroffen, jede dritte Frau und jeder vierte Mann hat chronischen Rückenschmerz und jede vierte Frau Osteoporose (Fuchs et al. 2013, 2017) (
Abb. 3.1).
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