Meins , hatte das urtümliche Biest in ihm rufen wollen.
Sie gehört mir , wollte die Bestie heulen, jetzt, da die Frau, die perfekt zu ihm passte, in seinen Armen lag. Dort, wo sie hingehörte.
Grizz entwand sich Pattys Griff. In der Ferne sah er Keaton auf sie zusteuern. Grizz wusste, dass jemand wie er, jemand mit seiner Vergangenheit nicht der Richtige für ein Mädchen wie Patty war. Und angesichts der Ungewissheit über seine finanzielle Zukunft wusste er, dass er das nie sein würde.
»Patty Cakes? Bist du das?«
Patty wandte nur zögerlich den Blick von Grizz ab. Keaton öffnete die Arme, und sie eilte zu ihm. Er stellte ihr seine Frau Brenda vor, die er erst von ein paar Tagen geheiratet hatte. Grizz nutzte die Zeit, um Patty zu betrachten.
Er hatte mit sich selbst einen Deal abgeschlossen. Er durfte an sie denken, solange er sie nicht traf. Oh Mann, wie oft hatte er in den Jahren an sie gedacht. Daran, sie zu halten und zu küssen. Manchmal auch daran, ihr einfach nur in die Augen zu schauen. Patty hatte ihn immer wie einen Helden angesehen. Doch welcher Held stellte der kleinen Schwester des besten Freundes nach? Für Grizz war das der Gipfel des Verrats. Etwas, das Grizz’ Vater tun würde.
»Solltest du nicht in der Schule sein?«, fragte Keaton.
»Frühlingsferien«, entgegnete Patty munter.
Doch da war ein seltsamer Unterton in ihrer Stimme. Sie verschwieg etwas.
»Deine Ferien dauern eine Woche, oder?« Brenda klang aufgeregt. »Wirst du die ganze Woche bei uns verbringen?«
Grizz wollte protestieren. Eine ganze Woche Patty aus dem Weg gehen? Das würde er nicht überleben.
Pattys Blick fand seinen. Übermut strahlte ihm entgegen. »Falls es nicht zu viele Umstände macht.«
Und was für Umstände. Riesige Umstände. Eine Woche mit Patty Keaton würde mit nichts als Umständen verbunden sein.
Patty hatte sich immer eine Schwester gewünscht. Brenda war ein wenig unerwartet. Sie fuhr einen Traktor, fing Bullen ein und ritt Pferde. Der Wildfang in Patty drängte sie, bequeme Jeans anzuziehen, aufzusatteln und die Haare hinter sich herfliegen zu lassen, wenn sie über die Weiden ritt und Hüja rief.
Patty holte tief Luft und ließ den Gedanken beim Ausatmen los. Sie war nicht länger ein Wildfang, sie war jetzt erwachsen. Eine gebildete, vornehme, erwachsenen Frau, die für einen ganz bestimmten Soldaten die perfekte Ehefrau abgäbe, wenn besagter Soldat in der Nähe bleiben und sie beachten würde.
Drei Jahre war es her, dass sie Grizz das letzte Mal gesehen hatte. Drei lange Jahre. In dieser Zeithatte sie hier und da einen Blick auf ihn erhascht, wenn sie mit Keaton Videotelefonate geführt hatte. Grizz hielt allerdings nie still vor der Kamera. Meist winkte er ihr nur kurz zu und entschuldigte sich dann gleich wieder, um nicht mehr mit ihr sprechen zu müssen.
Auch an den Feiertagen kam Grizz nicht nach Hause. Er blieb auf der Militärbasis, während Keaton nach Hause fuhr. Grizz achtete darauf, dass seine Besuche in die Zeit fielen, in der Patty bis zum Hals in Examen und Prüfungen steckte. Es schien, als würde er sie bewusst meiden.
»Das hier war mein preisgekrönter Stier«, sagte Brenda.
Pattys Aufmerksamkeit kehrte in die Gegenwart zurück. Ein großes Tier stolzierte zum Zaun, an dem sie standen. Der Stier war ein beeindruckendes Biest. Mit kräftigen Beinen und breitem Rücken. Seine Nüstern blähten sich, als er Patty musterte. Eine richtige Dame wäre bei dem Anblick des mächtigen Tieres davongelaufen.
Pattys Blick traf den des Bullen. Eine unglaubliche Sanftheit lag in den dunklen Augen. In der Weise, wie das Tier sich näherte, zeigte sich eine Art Erschöpfung, die sagte: ›Ich könnte dich verletzen, wenn ich wollte.‹ Patty wusste jedoch, dass der Stier nicht die Absicht hatte, ihr wehzutun. Sie streckte ihre Hand nach den Hörnern aus.
»Vorsicht«, mahnte Brenda.
Doch ihre neue Schwägerin kam damit zu spät. Der Stier hatte bereits den Kopf gesenkt und erlaubte Patty, ihn zu streicheln. Sein haariges Haupt war mit groben Locken bedeckt. Er stieß ein verhaltenes Schnauben aus, das in Pattys Ohren resigniert klang. Sie hatte mal gehört, dass müde Welpen dieses Geräusch machten.
»Großartig«, seufzte Brenda. »Er könnte auch gleich kastriert werden.«
»Was meinst du damit?« Patty kratzte den Kopf des Tieres.
»Dieser Bulle sollte mit den Mädels Party machen, wenn du verstehst, was ich meine«, entgegnete Brenda. »Aber er hat mit deinem Bruder gekämpft und ist nun total außer Gefecht gesetzt.«
»Für mich sieht er vollkommen in Ordnung aus.«
»Er sollte ein rasender Bulle sein, allzeit geschäftsbereit, und dir nicht erlauben, ihn zu tätscheln.«
»Nun, ich kann mit großen Biestern ganz gut umgehen.«
Pattys Blick wanderte über das Feld, wo ihr Bruder, Mac und Grizz Heuballen stapelten. Pattys Blick blieb am Spiel von Grizz’ Muskeln unter seinem feuchten T-Shirt hängen.
Brenda folgte Pattys Blick und grinste. »Das glaube ich dir sofort.«
Eigentlich stimmte es nicht.
Den Rest des Abends vermied es Grizz, mit Patty allein zu sein. Beim Abendessen setzte er sich so weit weg von ihr, wie er konnte. Er ging früh zu Bett, während alle anderen aufblieben und Brettspiele spielten. Am Morgen hatte er bereits vor Sonnenaufgang das Haus verlassen.
Grizz verbrachte den Morgen in der Scheune bei den Tieren. Um die Mittagszeit verschwand er dann mit den anderen Jungs zum Trainingscamp. Patty war zu diesem Zeitpunkt bereits vierundzwanzig Stunden auf der Ranch und hatte mit Grizz seit ihrer Ankunft kein weiteres Wort mehr gewechselt. Die Dinge liefen so gar nicht nach Plan.
Es war der alte Plan, ein einfacher Plan. Nur ein klein wenig verändert, da sie wusste, dass Grizz etwas für sie empfand. Bestätigt durch die Art und Weise, wie er sie auf Schritt und Tritt mied.
Pattys Plan bestand darin, Grizz dazu zu bringen, ihr seine Gefühle offen zu gestehen. Um das zu bewerkstelligen, musste sie ihn in eine Ecke treiben und das beenden, was sie vor drei Jahren auf der Abschlussfeier begonnen hatte. Sie wusste, dass, wenn sie Grizz dazu bringen konnte, ihr ihren ersten Kuss zu schenken, das den Deal über ihr zukünftiges Glück besiegeln würde.
Als Patty ihr Handy einschaltete, prüfte sie ihre E-Mails und sah eine Reihe an Nachrichten von Lehrern ihrer Schule. Ein Teil der E-Mails betraf fehlende Abgaben von Hausarbeiten. Andere fragten, wo sie während des Prüfungszeitraums war. Drei E-Mails stammten vom Dekan und betrafen ihre schlechter werdenden Noten.
Patty löschte alle. Sie waren nicht länger relevant. Genauso wenig wie das College. Patty hatte ihre Prioritäten bereits festgelegt. Deshalb war sie hier. Sie hatte die Jahre mit einem Abschluss vergeudet, für den sie keine Verwendung hatte. Nun war sie wieder auf dem richtigen Weg zu dem einzigen Zertifikat, das sie immer haben wollte, dem, das ihr eine MRS einbrachte.
Diese drei Buchstaben waren wieder in Reichweite. In dem Moment, in dem sie erfahren hatte, dass ihr Bruder und seine Freunde in den Ruhestand gingen, hatte sie begonnen, ihren Plan zu schmieden. Und kaum wusste sie, wo sie sich aufhielten, war sie in den Wagen gehüpft und quer durchs Land gefahren.
Jetzt war sie hier. Auf einer Ranch. In einer Küche. Und sie wusste nicht so recht, was sie als nächstes tun sollte.
»Du musst Patricia sein.«
Patty drehte sich um. Vor ihr stand ein hochgewachsener Mann auf der Türschwelle. Der Mann hatte das, was ihre Mutter ein vertrauenswürdiges Gesicht nannte. Seine Gesichtszüge waren entspannt, sein Lächeln selbstsicher. Er kannte seinen Platz im Leben. Doch da lag auch etwas Verschmitztes in der Art, wie er die grünen Augen hob.
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