Thomas Schmelzer - Die Stille in mir

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"Was willst DU?" – Thomas Schmelzer, Moderator von MYSTICA.TV, erzählt erstmals von seinen mystischen Erfahrungen.
Eine Krebserkrankung brachte den Autor vor 25 Jahren von einer existenziellen Krise in eine tiefe Einheitserfahrung. Im Leben zurück verlor sich dieses tiefe Erleben von Frieden wieder in den Irrungen und Wirrungen des Alltagserlebens. Die Frage: «Was willst DU?», die während seiner mystischen Erfahrung vor seinem inneren Auge erschien, ließ ihn nicht mehr los.
Er machte sich auf, begegnete spirituellen Medien, Heilern, Gurus, lernte Mentaltechniken und Meditationen, um den Zustand der Stille und des Aufgehobenseins im Leben wieder zu finden und somit die einzige Frage, die übrig blieb, beantworten zu können.
Anhand seiner ganz persönlichen Geschichte, wundervollen Begegnungen mit faszinierenden Persönlichkeiten und vielen Übungen vermittelt Thomas Schmelzer seine Erkenntnisse des Bewusstseinsweges, um nach und nach zu verstehen: Der Weg des Menschen ist geführt. Es gilt, den feinen Impulsen mehr und mehr zu vertrauen und sich selbst umfassend anzunehmen.

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Der Alltag war angefüllt mit dem Aushalten von Schmerzen und den Klagen der Bettnachbarn im Krankenzimmer, mit dem Überleben mit Urinflasche, Trinkbechern, Visiten und Elternbesuchen. Immer wieder hatte ich das Gefühl, meine Eltern trösten zu müssen, die mir noch trauriger vorkamen, als ich es war. Doch dazu fehlte mir die Kraft und ich blieb einfach bei dem, was war. Ich, der Schmerz, die inneren Fragen.

Eines Nachmittags schließlich kulminierte alles in mir. Ich hielt das ganze grauenhafte Dahinleiden nicht mehr aus. Schmerz, immer nur Schmerz und quälende Fragen, ein Aushalten – wofür eigentlich? Als ein Arzt sagte, so sei es nun mal, ich würde es schon durchstehen können, wurde es mir endgültig zu viel.

Ich begann zu weinen und wurde gleichzeitig richtig wütend. Dass ich bis dahin Wut und starke Gefühle als nicht hilfreich bewertet hatte, war mir nun egal. Ich schrie und brüllte den Schmerz hinaus:

»Warum ich? Warum jetzt?

Was soll das alles bedeuten?

Verdammt noch mal, kann das nicht aufhören?«

Heilung

Eine Schwester, die mich ins Herz geschlossen hatte – vielleicht sind Krankenschwestern die wahren unerkannten Heiler in Krankenhäusern –, nahm meine Hand. Einfach so. Über diese liebevolle Geste war ich unendlich erstaunt. Mir, der zu den Menschen oft so kalt und nüchtern gewesen war, hielt in der tiefsten Not ein junges Mädchen, das noch gar nicht so lange auf der Station war, die Hand und erlaubte mir, einfach meine Gefühle zu zeigen und alles herauszulassen, was in mir war.

Wollte sich jetzt ein noch viel größerer Schmerz lösen, ein Schmerz, der sich im Laufe vieler Jahre, Jahrzehnte, Leben und Jahrhunderte angesammelt hatte? So fühlte es sich an. Und so ließ ich mich immer mehr auf den Schmerz, die Gefühle, das Verzweifeltsein ein.

Es war wie ein immer tieferes Sichfallenlassen, bedingungslos, egolos, voller endgültiger Hingabe an das, was ist.

»Soll geschehen, was geschehen mag!«, rief es in mir. Ich ließ zu, verdrängte nichts, öffnete die Arme allem, was war und sein wollte. Wenn dies das Ende war, dann war ich bereit. Ja, alles war versucht worden, nun konnte nur noch geschehen.

Ich fiel und fiel, hörte mich weiter weinen und schreien. Kämpfte ich mit meinem inneren Drachen, war ich nun – endlich – zu allem bereit? Wollte ich das Leben selbst auf die Probe stellen oder das, was die Ursache des Lebens sein könnte? Rückblickend erinnerte es mich an die Szene aus dem zweiten Teil von Herr der Ringe, in der Gandalf mit dem Drachen in die Tiefe stürzte, ständig brüllend: »Du kommst hier nicht vorbeiiiiii!«

Ja, ich fiel und fiel und fand allmählich Gefallen daran, nun endlich nichts mehr tun zu müssen, diesen Kampf endgültig aufzugeben, so beharrlich wie nie zuvor in das Auge des Hurrikans zu blicken und in den Strudel der Dunkelheit hinabzustürzen.

Langsam wurde aus dem Stürzen ein Fallen,

aus dem Fallen ein Schweben,

aus dem Schweben ein Sein.

Langsam wurde aus der Verzweiflung ein Aushalten,

aus dem Aushalten ein Zulassen,

aus dem Zulassen ein Sicheinlassen.

Bald verschwand jeglicher Kampf, jeglicher Gedanke an ein Habenwollen oder Nichthabenwollen. Es verschwand jeder Zweifel, jede Ablehnung, jedes Mental-verstehen-Wollen.

Und es wurde ruhiger. Heller. Sanfter.

Ich ließ es zu.

In mir rief es: »Endlich!«

Das Schweben erfüllte sich von innen mit Licht. Ich empfand mich nicht länger in einem schweren Körper, sondern in einem Fluidum, einem leichten, ja, federleichten Sein ohne Anhaftung, gleichermaßen gehalten vom Licht in mir und um mich herum. Gedanken entschwanden wie von selbst, waren nicht mehr nötig, konnten sich nicht mehr halten.

Gefühle, Ängste – es hatte sie nie gegeben.

Ich war im Sein.

In der Stille.

Und die Stille war in mir.

Ich wusste, ich bin nicht allein, war es nie gewesen. Tiefes Vertrauen und Klarheit erfüllten mich. War ich jemals zuvor so wach gewesen, so selig, so klar, so herzerfüllt wie in diesem Moment? Das beengende, ängstliche, zaudernde Ich – es war verschwunden.

Ich war Raum und Sein.

Ich war Bewusstsein.

Ich öffnete die Augen. Die junge Schwester war immer noch da. Ich schloss die Augen wieder und war prompt zurück im Sein. In mir war Licht, das alles erfüllte, und im Zentrum des Lichts reines Sein. Klarheit. Wissen. Wollte ich eine Frage stellen, war die Antwort schon da.

Wieder lösten sich Tränen, aber es waren Tränen der Freude. Die Wärme, das Licht breiteten sich in mir aus, gerade so, als würde mein Innerstes nun nach außen treten und alles erwärmen. Vielleicht war die Schwester noch da, vielleicht auch nicht – ich wusste es nicht, wollte es auch nicht wissen, sondern in diesem Innerlichsein verweilen.

Keine Worte.

Stille.

Liebe.

Licht.

War ich tot? Nein, ich fühlte mich wacher, bewusster, klarer als je zuvor. Und ich fühlte meinen Körper.

Aber alles hatte sich verändert. Eine eigenartige Ruhe, ein Vertrauen, eine Wärme schenkten mir Trost und das unbestreitbare Gefühl, nicht allein zu sein, beschützt zu sein. Manchmal meldete sich ein kleiner Gedanke, aber ich wollte diesen Augenblick auf keinen Fall trüben lassen und ließ den Gedanken wieder ziehen.

Badend in der Glückseligkeit wusste ich: Alles ist behütet und verbunden. Wir sind nie allein. Die Liebe ist eine reale Kraft im Herzen. Ich bin.

Unvermittelt tauchte ein Gedanke auf:

»Siehst du?

Alles ist gut!

Du bist unsterblich.

Du bist nicht allein.«

Ob es meine eigene Stimme war oder die eines Engels, eines Geistführers, meines höheren Selbst, Gottes – es war mir gleichgültig.

Die Stimme sprach wieder:

»Du siehst, alles ist gut.

Aber, WAS WILLST DU?«

Fasziniert blickte ich in diese Frage. Fürwahr – hatte ich mir je in aller Konsequenz diese eine Frage gestellt, sie zugelassen?

Warum war ich hier?

Und was wollte ich?

Möglichkeit eins: einen schnellen, schönen Tod. Damals lebte ich in einer WG im 14. Stock. So stellte ich mir vor, einfach vom Balkon zu springen. Noch mal ein netter Flug – Ende, Abspann.

Doch das war es nicht. Es war nicht schön, nicht richtig. Die Liebe im Körper auf diesem Krankenbett sagte etwas anderes: Ich wollte bleiben. Wollte etwas tun, etwas vermitteln. Und ich erinnerte mich an frühe Wünsche und Sehnsüchte.

Entschied ich mich in dieser Sekunde das erste Mal wirklich für das Leben? War dies der entscheidende Wendepunkt?

»Ja«, sagte ich innerlich, »ich will bleiben!«

»So sei es!«, sagte es in mir.

Ich badete weiter im Sein.

Ein Pfleger kam und schob mich im Bett aus dem Zimmer. Ich blieb eine Weile irgendwo auf dem Gang stehen, blickte, wenn ich zwischendurch die Augen leicht öffnete, auf eine grüne Wand. Diese verband sich sofort mit Bildern von grünen Wiesen. Hatte ich einmal in Irland gelebt, waren dies Erinnerungen? Dann wurde ich weiter durch den Gang geschoben – die innere Freude blieb und eine eigenartige Gewissheit.

Man fuhr mich in ein Einzelzimmer, in dem ich nur für mich sein konnte. Auch dies war wie ein Geschenk. Das erste, was mir einfiel, war, meinen engsten Freunden zu schreiben – jenen Freunden, die vielleicht verstehen konnten, in welchem Zustand ich mich befand. So bat ich darum, mir Papier und Stift zu geben, und ich schrieb drei Briefe.

Zwei oder drei Tage später war der erste Zyklus der Chemotherapie vorbei. Gerade hatte eine Schwester die Nadel entfernt, als die Türe auf ging und ein betroffen dreinblickender Jakob, ein Herzensfreund, herein kam. Er hatte meinen Brief erhalten und war sofort von Lanzarote hierher geflogen. Wir sahen uns in die Augen und ich spürte die Erleichterung: Endlich war da ein Mensch, dem ich erzählen konnte, was in mir geschah. Er würde mich in den nächsten zwei Wochen jeden Tag besuchen und mit mir einige intensive Prozesse und Erlebnisse teilen.

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