Die Roten Schlangentropfen stehen in Verbindung zur biologischen Mutter des Eingeweihten, die Weißen Schlangentropfen zum biologischen Vater. Wenn die beiden sich vermischen, können verschiedene Dinge geschehen. Es kann sich ein süßer Geschmack im hinteren Gaumenbereich einstellen – die Yogis nennen das »Amrita« – doch wir vom Isis-Kult nennen dies die Quellwasser, denn sie scheinen von einer Quelle im Kopf zu stammen.
So zeigt es sich manchmal zuerst, und wenn der oder die Eingeweihte sich auf die Empfindung der Quellwasser konzentriert, entsteht eine Art Ekstase. Manche Eingeweihte empfinden ein Licht in ihrem Kopf. Auch hier: Wenn sie sich auf diese Wahrnehmung konzentrieren, entsteht Ekstase.
Manchmal entsteht bei der Vermischung der Roten und der Weißen Schlangentropfen spontane Ekstase. Wie auch immer sie hervorgerufen wird: Die Ekstase ist unerlässlich für diese Art der Alchemie, denn Ekstase ist Nahrung für das Ka.
Es besteht die Tendenz, dass die Ekstase in den höheren Zentren bleibt, denn da wurde sie bei dieser Praxis ja hervorgerufen. Doch bei dieser Übung muss der Eingeweihte beim ersten Auftreten der Ekstase seine Aufmerksamkeit auf den ganzen Ka-Körper lenken. Dadurch verteilt sich die Ekstase über den gesamten physischen Khat-Körper und wird dann vom Ka absorbiert. Dies stärkt und belebt das Ka. Das ist die grundlegende Übung.
Bei denjenigen, die in einer Partnerschaft sind und die Sexualmagie der Isis praktizieren, entsteht der ekstatische Zustand auf natürliche Art. Diejenigen, die alleine üben, müssen die Ekstase selbst hervorbringen.
Auf jeden Fall ist es jedoch notwendig, dass die Eingeweihten sich im Moment der Ekstase ihres Ka bewusst werden, so dass der Ka-Körper an den reichhaltigen Magnetfeldern, die durch solche Wonnen hervorgerufen werden, teilhaben kann.
In einem sehr realen Sinn ist der männliche Eingeweihte in der Sexualmagie der Isis am meisten gefordert, denn er muss sich scheinbar gegen seine Natur verhalten. Das Männliche ist aus alchemistischer Sicht vom Wesen her elektrisch, während das Weibliche magnetisch ist.
Elektrizität will sich bewegen, agieren, während Magnetismus sich einbetten will, sich einhüllen.
In der Praxis konzentrieren wir uns darauf, den Ka-Körper zu stärken, indem wir die, durch den sexuellen Akt freigesetzten Magnetfelder in ihn aufnehmen. Direkt nach dem Orgasmus fahren die von der Frau erschaffenen Magnetfelder damit fort, sich aufzuwickeln und zu kreisen. Dies ist eine Zeit, um zu ruhen und dem Magnetismus nachzuspüren, doch ihrer Natur nach neigen die Männer dazu, dann aufzustehen und etwas zu tun oder einzuschlafen.
Der männliche Eingeweihte muss also üben, sich einzunisten, den erzeugten Magnetfeldern zu erlauben, sich in sein Ka und in seinen Körper hineinzudrehen.
Das ist von dem, was normalerweise geschieht, verschieden, denn im Mann beschränkt sich der Orgasmus auf den Beckenbereich und breitet sich manchmal aus. Doch in der Frau, vor allem in einer, die sich in die Erfahrung hinein fallen lassen kann, breitet sich der Orgasmus durch den gesamten Körper aus und kann sich in unterschiedlicher Intensität über mehrere Stunden hinziehen.
Manche Männer mögen befürchten, dass sie, wenn sie sich verändern und sich einnisten, weniger männlich würden, doch ich versichere euch, das Gegenteil ist der Fall.
In Wahrheit wird der Ka-Körper des Eingeweihten stärker, wenn er sich in die Magnetfelder einnistet, und seine sexuelle Energie wird potenter. Eine der Aufgaben des männlichen Eingeweihten ist es, sich für neue Ebenen der Empfindsamkeit zu öffnen, damit er die, durch den Sex freigesetzten Magnetfelder in seinen Körper und in sein Ka aufnehmen kann.
Das Sich-Einnisten bedeutet nicht notwendigerweise, dass das Glied des Mannes in der Frau bleibt. Es bedeutet, dass der Mann der Frau nahe ist, sie berührend, streichelnd, ganz bei den Körperempfindungen und Emotionen bleibend, die dem Orgasmus folgen. Durch das Sich-Einnisten kann der Mann Zugang zu den weiblichen Schöpfungsmysterien finden.
Ein weiterer Aspekt, dessen sich der männliche Eingeweihte bewusst werden muss, wird die »Verehrung der Geliebten« genannt.
Wenn die Alchemie der Sexualmagie stärker wird, so treten bestimmte Zeichen auf. Eines davon ist die Verehrung oder Bewunderung der oder des Geliebten.
Dies geschieht sowohl dem männlichen als auch der weiblichen Eingeweihten. Wenn die Verehrung des/der Geliebten beidseitig ist, wird die Alchemie der Sexualmagie um ein Vielfaches verstärkt, denn die Harmonien und magnetischen Kräfte, die durch solches Empfinden hervorgerufen werden, unterstützen die Magie sehr.
Ich möchte an dieser Stelle über den Begriff der »Magie« sprechen.
Wir verwenden diesen Begriff, weil er sich auf die Transformation des einzelnen Menschen in einen Gott bezieht. Das ist in der Tat magisch. Das Symbol dafür ist der Gott Horus, der halb Mensch, halb Falke ist, und der durch die alchemistischen Praktiken zu dem erhabenen Gott Horus wird, was bedeutet, dass er den allerhöchsten Bewusstseinszustand erreicht hat.
Die Sexualmagie der Isis ist also genau genommen eine Methode zur Anhebung des Bewusstseins, was eigentlich auch Magie ist, und sie verwendet die Energien und die Ekstase, die beim sexuellen Akt erschaffen werden.
Ein weiterer Grund, weshalb der Begriff der Magie verwendet wird, liegt in den Methoden, die man anwenden kann, wenn der Ka-Körper gestärkt ist, um die eigene Realität auf so direkte Weise zu beeinflussen, dass es magisch erscheint. Wenn wir zum Beispiel die grundlegenden Übungen der alchemistischen Praktiken des Horus betrachten – das Aufsteigen der Schwarzen und der Goldenen Schlange entlang der Wirbelsäule, die Erschaffung des Kelches, die Aktivierung des inneren Ra-Feuers, das Vermischen der Roten und der Weißen Schlangentropfen – dann sind das alles magische Handlungen, in denen Absicht und sowohl persönlicher als auch spiritueller Wille zusammenkommen. Deswegen nennen wir es Magie.
Zurück zu dem Paradox, dem sich der männliche Eingeweihte gegenüber sieht, dass nämlich diese Praktiken, besonders die Sexualmagie, in gewisser Weise seiner Natur zuwider laufen. Denn wenn sein Ka gestärkt ist, will er naturgemäß aktiv werden, er will etwas tun. Doch wenn er sich beherrschen kann, es übt, bei seiner Geliebten zu bleiben, kann er sich in die reichhaltigen Magnetkräfte einnisten, die durch ihrer beider Sexualität und Liebe hervorgerufen wurden und sein Ka noch umfassender nähren.
Der männliche Eingeweihte muss sich in diesem Prozess einem weiteren Aspekt stellen, den wir in den Tempeln »Flughindernisse« nannten, doch in eurer Sprache würdet ihr das wohl eher »psychologische Probleme« nennen. Der Ausdruck »Flughindernisse« bezieht sich auf Behinderungen bei der Entfaltung der eigenen Horus-Natur, insbesondere den Anteil von ihr, der sich zu erhöhten Bewusstseinzuständen aufschwingen kann.
Es gibt Haltungen, Überzeugungen und emotionale Gewohnheiten, die den »Flug«, also die Anhebung des Bewusstseins, behindern. Das meinen wir, wenn wir von »Flughindernissen« sprechen. Dies ist eine der verzwicktesten Passagen für den männlichen Eingeweihten, und sie erfordert hoch entwickelte Fähigkeiten.
Als Kind wurde der Mann im Leib seiner Mutter getragen und danach von ihr geschützt und genährt, bis er autonom genug war, eigenständig zu handeln. Dann schiebt der Junge die Mutter sozusagen beiseite, um sich der Welt zu stellen.
Es kann vorkommen, dass er sich an dieser Stelle seiner Entwicklung von der Mutter eingeengt fühlt oder begrenzt, und dass es zu Auseinandersetzungen kommt. Als Mann trägt er möglicherweise immer noch diese emotionalen Gewohnheiten mit sich herum. In dem Fall wird es schwer für ihn sein, sich entspannt in die Magnetfelder einzunisten, da er es auf der psychologischen Ebene als eine Hingabe an das Weibliche empfindet.
Читать дальше