1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 Wer auf sich selbst achtet, muss möglicherweise zunächst innere Blockaden überwinden und der Überzeugung, Selbstfürsorge sei egoistisch, etwas entgegensetzen. Oder er stößt auf äußere Widerstände, die ihm signalisieren, er sei auf dem Holzweg und müsse sich ausschließlich um die Bedürfnisse seiner Mitmenschen kümmern. In diesem Kapitel erfahren Sie, warum es so bedeutsam ist, seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen. Außerdem lernen Sie, wie Sie Ihre Selbstwirksamkeitserwartung erhöhen und Ihr Leben intensiv genießen können.
Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow hat eine Hierarchie der menschlichen Bedürfnisse erstellt, um besser erklären zu können, was den Menschen antreibt (siehe Abbildung 2.1). Er unterscheidet Defizit- und Wachstumsbedürfnisse: Alles, was notwendig für das Überleben ist, bezeichnet Maslow als Defizitbedürfnis. Dabei handelt es sich um körperliche Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wärme, Sexualität und Schlaf, Sicherheitsbedürfnisse wie Stabilität, Schutz und Geborgenheit, soziale Bedürfnisse wie Liebe, Zugehörigkeit und Kontakt. Diese drei Existenzbedürfnisstufen sichern das Überleben und müssen zwingend befriedigt werden – nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Tieren. Erst wenn eine Bedürfnisstufe erfüllt ist, kann die nächste erreicht werden.
Die vierte und fünfte Stufe der Bedürfnispyramide sind die Wachstumsbedürfnisse, die spezifisch menschlich sind: Individualbedürfnisse nach Anerkennung, Macht, Einfluss und Wertschätzung sowie Selbstverwirklichungsbedürfnisse wie Sinnfindung, Persönlichkeitsentwicklung und Transzendenz. Von diesen Faktoren kann man nicht genug bekommen; Wachstumsbedürfnisse sind quasi unstillbar und ermöglichen stetige Weiterentwicklung. Die Bedürfnispyramide kann Ihnen helfen, Klarheit über Ihre eigenen Bedürfnisse zu gewinnen, um konsequente Selbstfürsorge betreiben zu können.
Abbildung 2.1: Die Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow
Haben Sie Lust auf eine Reise in Ihr Inneres? Nutzen Sie das AGIOH-Prinzip (Achtsamkeit, Gelassenheit, Innenschau, Optimismus, Handeln) und holen Sie das AGIOH-Werkzeug »Innenschau« aus Ihrer Selbstfürsorgekiste, um sich beim Lesen dieses Kapitels intensiv mit sich selbst zu beschäftigen. Ziel dieser Reise ist die Selbsterkenntnis, also das Finden ehrlicher Antworten auf folgende Fragen:
Wer bin ich?
Wie bin ich?
Was kann ich?
Was tue ich gerne?
Wen und was liebe ich?
Was habe ich?
Was will ich?
Was brauche ich?
Wer ist mir wichtig?
Was fehlt mir?
Wovon träume ich?
Was wünsche ich mir?
Wonach sehne ich mich?
Was erhoffe ich?
Was will ich erreichen?
Nehmen Sie einen Block oder legen Sie ein Dokument im Computer an und schreiben Sie diese und ähnliche Fragen auf. Notieren Sie alles, was Ihnen zu diesen Fragen einfällt – möglichst ehrlich und ohne Schere im Kopf. Lassen Sie Ihren Assoziationen freien Lauf und nehmen Sie sich Zeit. Vielleicht unterbrechen Sie die Bestandsaufnahme und machen am nächsten Tag weiter. Sammeln Sie Details und versuchen Sie, Dinge zutage zu fördern, die Sie im Alltag oft gar nicht präsent haben.
Beobachten Sie, welche Gefühle Sie haben, während Sie sich mit Ihren Bedürfnissen und Ihrem Selbstbild beschäftigen: Vielleicht fühlen Sie Freude, Stolz und Zuversicht, vielleicht aber auch Beklemmung, Trauer oder gar Scham. Diese Gefühle zeigen deutlich, welche Prägung Ihre Eltern Ihnen mitgegeben haben: Wenn Sie über sich nachdenken und eher positive Gefühle haben, wurden Sie vermutlich als Kind geliebt, unterstützt, gefördert, wertgeschätzt und anerkannt. Empfinden Sie eher negative Gefühle, wurden Sie möglicherweise von klein auf eingeschränkt, überfordert, kritisiert oder gar abgelehnt. Bleiben Sie gefühlsleer, während Sie Ihre Bedürfnisse reflektieren, ist es Ihnen vielleicht völlig fremd, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Nehmen Sie Ihre Gefühle und Gedanken, aber auch Ihre Erinnerungen an früher aufmerksam zur Kenntnis. Sie helfen Ihnen dabei, Ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Nehmen Sie alte Fotoalben zur Hand, wenn Sie neugierig auf sich sind. Versuchen Sie sich zu erinnern, wie Sie als Kind und im Jugendalter waren. Betrachten Sie Ihren Gesichtsausdruck auf den Fotos und spüren Sie nach, was Ihr kindliches Ich jetzt bei Ihnen auslöst: Mögen Sie sich? Fühlen Sie Wärme und Liebe für sich selbst? Nehmen Sie sich Zeit, sich selbst besser kennenzulernen. Sprechen Sie mit Familienangehörigen über deren Erinnerungen und machen Sie sich so in der Rückschau ein möglichst vollständiges Bild Ihrer Entwicklung.
Nach Ihrer Bestandsaufnahme folgt ein wichtiger Schritt: Sie erlauben sich Ihre Bedürfnisse, gehen also vom Wollen zum Dürfen. Schauen Sie sich die Antworten auf Ihre Fragen nach Wünschen, Sehnsüchten, Träumen und Hoffnungen an: Haben Sie bislang immer gedacht, andere Menschen müssten oder würden etwas tun, damit Ihre Wünsche in Erfüllung gehen? Oder sind Sie bisher davon ausgegangen, dass Träume Schäume sind und sowieso nicht wahr werden? Verabschieden Sie sich von diesen Konzepten und überlegen Sie, wie es wäre, wenn Sie Zeit und Möglichkeiten hätten, all Ihre Hoffnungen zu realisieren.
Gestehen Sie sich Ihre Bedürfnisse zu, räumen Sie ihnen eine hohe Priorität ein und nehmen Sie sich vor, künftig alles daranzusetzen, glücklich und zufrieden zu sein. Wenn Sie möchten, sortieren Sie Ihre Bedürfnisse nach Wichtigkeit und nehmen Sie sich vor, die drei bedeutendsten Bedürfnisse jeden Tag zu erfüllen. Machen Sie abends eine Bestandsaufnahme: Welches Bedürfnis haben Sie wie erfüllt? Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Und was können Sie morgen tun, um Ihre Bedürfnisse erneut zu erfüllen?
Nutzen Sie die Macht positiver Formulierungen: Überlegen Sie, was Sie wollen und brauchen, und beschreiben Sie es detailliert. Verzichten Sie auf negative Beschreibungen, streichen Sie also beispielsweise »Ich will dies und das nicht mehr« oder »Das werde ich nicht mehr so und so machen«, und verleihen Sie Ihren Bedürfnissen Nachdruck: »Ich will dies und das und werde es künftig so und so machen.« Positiv formulierte Annäherungsziele sind deutlich wirksamer als negativ formulierte Vermeidungsziele.
Aus den Bedürfnissen, die Sie ernst nehmen und hoch priorisieren, erwächst eine starke Motivation. Denn Bedürfnisse beschreiben einen Mangelzustand, also etwas, was Sie brauchen oder wollen, aber derzeit nicht haben. Daraus entstehen sowohl das Verlangen, den gewünschten Zustand zu erreichen, als auch der Ansporn, sich in Bewegung zu setzen. Diese zielgerichtete Bewegung nennt man Motivation, also Streben oder Handlungsorientierung.
Wichtig sind außerdem die Erfolgsaussichten und der subjektive Wert des Zielzustands: Wenn Sie davon überzeugt sind, dass Sie den Mangel beheben können, und wenn die Aussicht auf Bedürfnisbefriedigung eine hohe Anziehungskraft hat, werden Sie Kräfte mobilisieren und Hindernisse überwinden. Sie werden überrascht feststellen, wie groß der Sog Ihrer Wünsche und Hoffnungen ist, wenn Sie sich intensiv damit beschäftigen. Nutzen Sie diesen Sog, denn er sorgt für Aktivität und Zielstrebigkeit.
Wünsche und Hoffnungen ernst nehmen
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