Originalcopyright © 2021 Südpol Verlag
Südpol-Verlag, Grevenbroich
Autor: Frank Maria Reifenberg
Umschlaggestaltung und Illustrationen: Sonja Kurzbach
E-Book Umsetzung: Leon H. Böckmann, Bergheim
ISBN: 978-3-96594-104-5
Alle Rechte vorbehalten.
Unbefugte Nutzung, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung,
können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Mehr vom Südpol Verlag auf:
www.suedpol-verlag.de
Eine Katzengeschichte.
Oder eine Hundegeschichte.
Oder beides?
Nun, jedenfalls kommt eine Spitzmaus darin vor.
Das ist sicher.
Inhalt
Herr K ist anders
Mimosa sieht keinen Unterschied
Mit Wuff und Wau und Wedelschwanz
Herr K macht Wiau
Die Herren Blötschnase sind verwirrt
Foufou hat eine Idee
Ein abenteuerlicher Ausritt
Wie sieht ein Hund aus?
Stubentiger gegen Hundewiese
Ein Schuss, kein Tor!
Und er bellt doch!
Herr K ist anders
Als Herr K an jenem Tag aufwacht, ist etwas anders als sonst. Er blinzelt und schaut sich vorsichtig um. Der Laden liegt im Dämmerlicht.
Die Regale mit den vielen Büchern, die er so liebt, sind noch da. Auch die Kasse steht an ihrem Platz, daneben stapeln sich Lesezeichen und Schlüsselanhänger mit kleinen Plüschkatzen. Herr K saugt die Luft durch seine samtweiche Nase: der staubtrockene Geruch von Papier. Alles scheint so wie immer zu sein.
Herr K spürt, dass nicht etwas anders ist, sondern er ist anders.
Nur die Ruhe bewahren, denkt Herr K, nicht zuletzt, weil seine Verlobte Mimosa – eingekugelt zwischen den Vorderpfoten von Herrn K – leise schnarchend schläft. Ihr spitzes Näschen zuckt dabei, die Barthaare zittern und Herr K glaubt sogar, ein Lächeln auf ihrem Gesichtchen zu entdecken.
Wahrscheinlich träumt sie von einem üppigen Frühstück, denn Mimosa ist eine verfressene Spitzmaus. Das würde Herr K natürlich niemals laut aussprechen, aber es ist nun einmal so.
Es hilft jedoch alles nichts: Herr K muss Mimosa wecken.
„Wag es nicht, mich zu wecken“, piepst Mimosa in diesem Moment. „Nicht, bevor ich diesen leckeren Käfer verspeist habe, von dem ich gerade träume.“
„Oh, Mimosa“, erwidert Herr K, „das ist doch fies. Du bist keine normale Maus, du verspeist keine Käfer, sondern nur die Kekse, die eigentlich für die Kunden bestimmt sind.“
„Und du bist kein normaler Kater“,
gibt Mimosa zurück, weigert sich jedoch standhaft, ihre Mauseäuglein zu öffnen.
Herr K zuckt zusammen. Nicht normal? Hat sie es schon bemerkt? Wissen es vielleicht schon alle, nur ihm selbst geht als Letztem ein Licht auf? Das wäre möglich, denn er schaut selten in den Spiegel.
„Äh, was meinst du mit: kein normaler Kater?“, fragt Herr K.
„Mausebärchen –“
„Sag nicht Mausebärchen!“, sagt Herr K. Er findet es einigermaßen unwürdig, wenn ein ausgewachsener Kater von seiner Verlobten, zudem einer Spitzmaus, so angesprochen wird. Mausebärchen! Bärchen, das wäre noch in Ordnung gewesen, aber Mausebärchen?
„Ehrenwertester Herr K“, säuselt Mimosa nun, „findest du einen Kater normal, der mit einer Spitzmaus verlobt ist, zudem in einem Buchladen lebt und samstags am liebsten die Fußballübertragung im Radio hört?“
Herr K lächelt sein verliebtestes Lächeln und maunzt: „Ich habe dich eben zum Fressen gerne, da kann man nichts machen. In der Liebe ist selten etwas normal.“
„Alles schön und gut, aber eigentlich solltest du es tun, wie die Natur es vorgesehen hat“, sagt Mimosa.
„Was?“, fragt Herr K.
„Mich fressen. Mit Haut und Haaren. Ich bin eine Maus und du ein Kater. Da ist das so. Kater fressen Mäuse!“
Fast wäre Herr K aufgesprungen, aber er beherrscht sich, denn Mimosa kuschelt immer noch in der Kuhle, die seine Vorderbeine bilden. „Das wäre doch schrecklich, entsetzlich, grauenhaft, wenn ich dich fressen würde.“
Mimosa erhebt sich, reckt und streckt sich und spitzt ihre Spitzmauslippen für einen Kuss. Herr K spitzt sein Samtmaul ebenfalls und empfängt einen sehr zarten und gleichzeitig laut geschmatzten Spitzmauslippenkuss. Er schnurrt, seine Barthaare wackeln und Mimosa kichert. Das tut sie immer, denn die Schnurrhaare von Herrn K kitzeln so herrlich.
„Aber Kater fressen nun einmal Mäuse“, sagt Mimosa. „Normalerweise. Du bist eben nicht normal. Und das ist auch gut so.“
Mimosa sieht keinen Unterschied
Mimosa ist die beste Spitzmaus auf der Welt, denkt Herr K, besonders an diesem Morgen, seit er spürt, dass alles anders ist. Auf jeden Fall ist es ein großes Glück, wenn man eine so verständnisvolle Verlobte hat. Trotzdem fällt es ihm immer noch schwer, mit seinem Geheimnis herauszurücken.
Er springt nun endlich auf und rennt zur Tür des Ladens, um sein Spiegelbild darin zu betrachten. Herr K sieht aus, wie Herr K aussehen sollte und wie Herr K gestern ausgesehen hat, als noch alles nichtanders war.
Nichtanders, denkt er, von außen bin ich genauso nichtanders wie am Tag zuvor: Meine Augen sind gelb, von meiner linken Ohrenspitze fehlt ein Stück, mein Fell ist unter dem Bauch weiß und obendrauf grau mit schwarzen Streifen und lang und ein bisschen zottelig.
„Da ist mal ein bisschen was Exotisches dazwischengeraten“, hat der eine Herr Wieselhupf gesagt.
Herr K hatte eine gewisse Zeit darüber nachdenken müssen, was der eine Herr Wieselhupf damit meinte, bis Mimosa es ihm erklärt hatte.
Alle anderen Katzen im Viertel haben kurzes, glattes Fell. Auch die Mutter von Herrn K. Eines Tages war jedoch ein ganz vornehmer Kater in die Straße gekommen, mit wunderschönem langem und glänzendem Fell. Restlos alle Katzen hatten sich in ihn verliebt und hier und da hatte es dann plötzlich Katzenbabys mit zotteligen Haaren gegeben. Solche wie Herrn K.
Aber das ist schon lange her.
Herr K dreht und wendet sich noch einmal. Das Spiegelbild in der Tür dreht und wendet sich mit ihm. „Alles noch ganz nichtanders“, sagt er. Er kann keine Veränderung erkennen. Und trotzdem fühlt er sich anders.
„Du hast ein bisschen zugelegt. Da gibt es zwei mause-kleine Röllchen an deinen Hüften“, sagt Mimosa und kichert, weil sie weiß, wie eitel Herr K ist.
Herr K überhört die Bemerkung. „Ich muss dir etwas gestehen“, bringt er endlich hervor.
„Du hast eine andere?“, fragt die Spitzmaus. „Etwa eine Katze?“ Kampfeslustig stellt sie die Barthaare hoch und fletscht die Zähne, womit sie noch süßer aussieht als sonst.
„Viel schlimmer“, stammelt Herr K.
„Sie haben dir gekündigt?“, fragt Mimosa. „Oh, ich habe es dir immer gesagt, dass es kein gutes Ende nimmt, wenn du dauernd faul herumliegst und Bücher liest“, strömen die Worte aus dem Spitzmausmündchen. „Wir brauchen ein paar Jagdopfer, die du ihnen hinlegen kannst. Das erwarten sie, schließlich haben sie sich einen Kater angeschafft, damit er den Buchladen von Mäusen befreit.“
Читать дальше