Marlies Gruber: Mut zum Genuss
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© 2015 edition a, Wien
www.edition-a.at
Lektorat: Sebastian Maurer
Cover: Kyungmi Park
Gestaltung: Hidsch
Gesetzt in der Premiéra
Gedruckt in Europa
1 2 3 4 5 — 18 17 16 15
Print-ISBN: 978-3-99001-121-8
eBook-ISBN 978-3-99001-128-7
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
VORWORT VORWORT Sich mit Genuss zu beschäftigen, finde ich genussvoll. Und ich beschäftige mich schon einige Jahre mit dem Thema. Anfänglich war ich skeptisch, ob Genuss denn etwas gar Oberflächliches ist. Bei der Durchführung und der Sichtung der Ergebnisse des Ersten Österreichischen Genussbarometers, einer Umfrage mit 2000 Personen zu ihrem Genussverständnis und den wesentlichen Faktoren für das Genießen, wurde schnell klar: Genießen ist nicht nur Spaß, Genießen kann eine ernste Sache sein. Wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema häufen sich. Das war 2010 auch Anlass, den ersten Genuss-Kongress zu organisieren: Wenn es sonst beim Thema Essen vorrangig um das WAS geht, stand hier das WIE zur Diskussion – nicht die Hard Facts, sondern die Soft Skills. Wie sehr Soft Skills das Leben glätten können, kennen wir aus vielen anderen Bereichen. Genießen zu können, hat großes Potenzial: Es lässt einen gelassener, optimistischer, froher, kreativer, ausgeglichener und schließlich auch gesünder durchs Leben gehen. Der Großteil der Befragten gibt an, ein Genussmensch zu sein. Schaut man genau hin, zeigt sich, dass sieben von zehn zwar gerne genießen, aber das nicht völlig genießen können. Das schlechte Gewissen macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Oftmals gründet es auf falschen Annahmen über »gesund« und »ungesund«, oft in tief verankerten Selbstrestriktionen, gesellschaftlichen Geboten und Verboten oder auf unmündigen Entscheidungen. Es ist definitiv nicht leicht. Genießen zu lernen gleicht dem Erlernen einer Lebenskunst. Selbst wer schon gut unterwegs ist, kann immer noch ein we nig nachlegen, Neues entdecken, Neues erfahren. Es gibt also immer Luft nach oben. Dabei kann sich Genießen über zahlreiche Lebensbereiche erstrecken. Entscheidend dafür, ob wir etwas als genussvoll wahrnehmen, sind in erster Linie unsere grundlegende Haltung und Einstellung, unser Denken, unsere Erwartungen, auch unsere Aufmerksamkeit und Wahrnehmung über unsere Sinne. Wie unterscheidet sich Genuss von Lust, von Gier, von Sucht? Viele Basics in dem Buch sind allgemein gehalten und lassen sich auf etliche Erfahrungswelten umlegen. Der Haupttenor liegt jedoch beim Essen und Trinken – aus zwei Gründen: Zum einen, weil das die Themen sind, mit denen ich mein Brot verdiene. Zum anderen bildet Kulinarik eine fantastische Ressource für das Genießen. Und das tagtäglich. Tauchen Sie ein in eine lukullische Welt!
1 EINLEITUNG ODER: WARUM MUTIG SEIN? 1 EINLEITUNG ODER: WARUM MUTIG SEIN? Ich könnte kurz antworten: Weil viele Angst haben. Angst vor dem zu dick werden, vor Pestiziden, vor Zusatzstoffen, vor zu viel Technologie, vor Unverträglichkeiten, vor Krankheiten, vor Täuschung … Angst davor, etwas falsch zu machen, Grenzen zu überschreiten, sich gehen zu lassen. Dass grundsätzlich Angst mitschwingt, liegt in der Natur der Sache: Evolutionär geht es um die Urangst, vergiftet zu werden. Heute dagegen werden in vielen Schattierungen Ängste vor dem Essen geschürt. Auf Angst gründet auch ein verkrampfter, unentspannter Umgang. Dabei kann Essen und Trinken wie ein herrliches Panorama zu absoluten Höhenflügen verleiten. Man muss sich nur trauen. Jemand, der an Höhenangst leidet und dennoch über schmale Grate einen Berggipfel erreicht, wird mit Glücksgefühlen belohnt. Ängste zu überwinden macht frei. Wer sie verdrängt, verstärkt sie nur. Wer sie nicht kennt, vermeidet oder verleugnet, dem fehlt das Selbstvertrauen zum Mutigsein. Denn Mut gibt es nur im Bewusstsein der Angst. Mut zum Genuss ist deswegen gefordert, weil sich eine Verbots- und Verzichtskultur beginnt auszubreiten. Nicht mehr rauchen, Wein und Bier alkoholfrei trinken, fettarm essen. Sich Restriktionen unterzuordnen mag für manche der rechte Weg sein. Doch sich zu fügen bedeutet immer, einen Kompromiss einzugehen. Ein Kompromiss: wofür? Die Einen ha ben Angst vor Erkrankung, die Anderen bangen vor sozialer Ausgrenzung. Natürlich macht krank sein ebenso wenig froh, wie nicht dazuzugehören. Doch abgeschliffen, eingepasst, ordentlich und kontrolliert – fremdbestimmt zu leben, widerspricht gänzlich einem guten Leben. Uns von äußeren Begrenzungen zu lösen, Widerstände zu überwinden, kostet Kraft und ist mit Aufwand verbunden. Doch das macht innere Freiheit aus, selbstbestimmt zu entscheiden, was für einen gut ist und was glücklich macht. Mutig ist, Ängste nicht abzulehnen, sondern sie einzubeziehen. Sich nicht für das Eine oder das Andere zu entscheiden, sondern den richtigen Ausgleich zu finden.
2 DIE KUNST ZU GENIESSEN ODER: WOVON IST DIE REDE?
2.1 Was ist Genuss?
2.2 Wahre Feinspitze entkommen der Gier
2.2.1 Ein Kommen und Gehen: Genuss und Askese
2.2.2 Vom Genuss der Genügsamkeit
2.2.3 Schätzen, was man hat
2.2.4 Fülle durch Konzentration
2.3 Sucht sucht
2.4 Können wir genießen?
3 EINE KULTURTECHNIK IN DER KRISE ODER: WARUM KLAPPT ES OFT NICHT?
3.1 Die Gesundheitsgesellschaft: vom sechsten Kondratieff zur Ideologie
3.2 Gesunde Bürger im gesunden Staat
3.3 Schlanker Wahn
3.4 Stigmatisierung des Körperlichen
3.5 Die Wirkung von Verboten
3.6 Infantile Züge: freiwillige Schranken
3.7 Hin zu mündigen Entscheidungen
3.8 Risiko, Gefahr und Entfremdung
4 DER GESUNDHEIT ZULIEBE ODER: WARUM LOHNT ES SICH?
4.1 Was heißt schon gesund?
4.2 Wie entsteht Gesundheit?
4.3 Genuss fördert Gesundheit
4.4 Genuss gegen Stress
4.5 Genuss stärkt Abwehrkräfte
4.6 Genießer essen anders
4.7 Wer genießt, hat gute Chancen auf Normalgewicht
4.8 Genuss macht glücklich
4.9 Genuss für Toleranz und Respekt
5 GENIESSEN TRAINIEREN ODER: WIE GEHT’S?
5.1 Vier Wege zum Genuss
5.1.1 Selbstfürsorge
5.1.2 Zeitsouveränität
5.1.3 Achtsamkeit und Finetuning der Sinne
5.1.4 Wissen und gutes Gewissen
6 EPILOG ODER: FREI VON GEWISSENSBISSEN
QUELLEN
Sich mit Genuss zu beschäftigen, finde ich genussvoll. Und ich beschäftige mich schon einige Jahre mit dem Thema. Anfänglich war ich skeptisch, ob Genuss denn etwas gar Oberflächliches ist. Bei der Durchführung und der Sichtung der Ergebnisse des Ersten Österreichischen Genussbarometers, einer Umfrage mit 2000 Personen zu ihrem Genussverständnis und den wesentlichen Faktoren für das Genießen, wurde schnell klar: Genießen ist nicht nur Spaß, Genießen kann eine ernste Sache sein. Wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema häufen sich. Das war 2010 auch Anlass, den ersten Genuss-Kongress zu organisieren: Wenn es sonst beim Thema Essen vorrangig um das WAS geht, stand hier das WIE zur Diskussion – nicht die Hard Facts, sondern die Soft Skills. Wie sehr Soft Skills das Leben glätten können, kennen wir aus vielen anderen Bereichen. Genießen zu können, hat großes Potenzial: Es lässt einen gelassener, optimistischer, froher, kreativer, ausgeglichener und schließlich auch gesünder durchs Leben gehen.
Der Großteil der Befragten gibt an, ein Genussmensch zu sein. Schaut man genau hin, zeigt sich, dass sieben von zehn zwar gerne genießen, aber das nicht völlig genießen können. Das schlechte Gewissen macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Oftmals gründet es auf falschen Annahmen über »gesund« und »ungesund«, oft in tief verankerten Selbstrestriktionen, gesellschaftlichen Geboten und Verboten oder auf unmündigen Entscheidungen. Es ist definitiv nicht leicht. Genießen zu lernen gleicht dem Erlernen einer Lebenskunst. Selbst wer schon gut unterwegs ist, kann immer noch ein we nig nachlegen, Neues entdecken, Neues erfahren. Es gibt also immer Luft nach oben.
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