Es ist uns ein Anliegen, an dieser Stelle insbesondere zwei Personen zu danken.
Einmal Anna, die uns durch das ganze Buch begleitet und eingewilligt hat, ihren Weg authentisch zu veröffentlichen und dadurch die Verbindung zwischen Theorie und Praxis möglich machte – danke Anna.
Zum anderen Christoph Gassmann, unserem Lektor und Berater, der uns zu dieser Form ermutigte und uns durch seine konstruktiven Fragen, Anregungen und Kommentare während der Entstehung immer wieder darin forderte und förderte, der gemeinsamen Sache auf den Grund zu gehen – danke Christoph.
1Eine Form des Stütz- und Förderkurses; Lernende aller Berufe der entsprechenden Berufsfachschule besuchen das Trainingsmodul freiwillig. Eine Förderlehrperson betreut maximal acht Lernende. So ist eine individuelle Begleitung gewährleistet.
1
Die Situation junger Menschen beim Eintritt in die Berufsbildung
Wie sich der Übergang an der «ersten Schwelle» – von der Volksschule in eine nachobligatorische Ausbildung – für junge Menschen gestaltet, hängt massgeblich von den strukturellen Gegebenheiten des (Bildungs-)Systems ab. Neben den persönlichen Interessen und den individuellen Voraussetzungen der Jugendlichen und ihrem Umfeld ist es hauptsächlich der Schultyp auf Sekundarstufe I, der bestimmt, welche nachobligatorische Ausbildung in Angriff genommen wird. Bei einem Einstieg in die Berufsbildung sind es sowohl die allgemeine Situation auf dem Lehrstellenmarkt als auch die Auswahlverfahren der ausbildenden Betriebe, die darüber entscheiden, ob und in welche berufliche Grundbildung Jugendliche eintreten können.
Zu Beginn ihrer beruflichen Ausbildung befinden sich junge Menschen in mehrfacher Hinsicht in einem Übergangs- oder Transitionsprozess und sehen sich dabei mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert: Einerseits geht es um den Übergang von einem schulischen in einen Arbeits-Alltag im Lehrbetrieb, der in der Regel nur einmal in der Woche durch einen bis zwei Tage Berufsfachschule unterbrochen wird. Zugleich sind die Jugendlichen nun mit unterschiedlichen Ausbildungssituationen und -orten und neuen Bezugspersonen konfrontiert, an die es sich anzupassen gilt. Aus entwicklungspsychologischer Perspektive befinden sie sich im Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter, der geprägt ist durch unterschiedliche Entwicklungsaufgaben, die in dieser Lebensphase bewältigt werden müssen.
Die folgenden Unterkapitel beleuchten diese Zeit des Übergangs unter drei Blickwinkeln: einem strukturellen in → Kapitel 1.1, einem berufspädagogischen, auf die Zusammenarbeit der Berufsbildungsverantwortlichen fokussierten in → Kapitel 1.2und einem entwicklungspsychologischen in → Kapitel 1.3. Diese drei Perspektiven auf den Übergang an der «ersten Schwelle» erlauben uns, die Situation von Lernenden gleich zu Beginn ihrer Berufsausbildung genauer zu verstehen. Ein solches Verständnis bildet eine wichtige Grundlage für die in diesem Buch beschriebene systematische, alle Lernorte einschliessende Früherfassung und darauf aufbauende, gezielte, individuelle Förderung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung. Ziel dabei ist, dass möglichst alle Lernenden ihre Ausbildung erfolgreich durchlaufen und abschliessen können.
1.1 Ein struktureller Blick
Der Übertritt junger Menschen von der obligatorischen Schulzeit (Primar- und Sekundarstufe I) in eine nachobligatorische Ausbildung (Sekundarstufe II), dieser Übergang an der «ersten Schwelle», stellt eine komplexe Nahtstelle dar, die durch unterschiedlichste Faktoren beeinflusst wird, so unter anderem durch den besuchten Schultyp auf der Sekundarstufe I ( → Abschnitt 1.1.1), die Herkunft und Interessen der Jugendlichen ( → Abschnitte 1.1.2und 1.3.2), die demografische Entwicklung, strukturelle und konjunkturelle Schwankungen ( → Abschnitt 1.1.3) sowie beim Übertritt in die Berufsbildung massgeblich auch durch das Angebot an Lehrstellen ( → Abschnitt 1.1.3) und die Selektionsstrategien der Ausbildungsbetriebe ( → Abschnitt 1.1.2).
An ihrer Jahresversammlung vom 27. Oktober 2006 formulierte die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) Leitlinien zur Optimierung der Nahtstelle zwischen obligatorischer Schule und Sekundarstufe II (EDK, 2006). Das Dokument sollte die Grundlage dafür schaffen, dass möglichst alle Jugendlichen einen ihren Fähigkeiten entsprechenden Abschluss auf Sekundarstufe II erlangen können. Mit diesem Beschluss haben sich Bund und Kantone und Organisationen der Arbeitswelt (OdA) verpflichtet, mit entsprechenden Massnahmen die Abschlussquote auf Sekundarstufe II von rund 90 Prozent bis ins Jahr 2015 auf 95 Prozent zu erhöhen (inzwischen ist allerdings von einer Frist bis 2020 die Rede; vgl. BBT, 2012a, S. 3).
Eine solche Quote entspricht einem gesamtgesellschaftlichen Interesse. Das Ziel kann aber nur durch gute Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure im Bildungssystem und mit entsprechenden politischen und finanziellen Rahmenbedingungen realisiert werden. Strahm (2010) betont die Rolle, die hier der Berufsbildung zukommt; er weist auf die Zusammenhänge zwischen mangelnder (Berufs-)Bildung, gefährdeter Integration in den Arbeitsmarkt und Armutsrisiko hin und definiert Berufsbildung als soziale Absicherung: «Die beste Versicherung gegen Armut ist die Berufsbildung und Arbeitsmarktintegration» (a.a.O., S. 73).
Hier setzt unser Buch an: Es will mit seiner Zielsetzung – eine den Lernenden in der beruflichen Grundbildung angepasste individuelle Förderung – einen Beitrag dazu leisten, die angestrebte Abschlussquote zu erreichen, indem es zu zeigen versucht,
•wie möglichst viele Jugendliche im (Berufsbildungs-)System gehalten, wie also Ausbildungsabbrüche ohne Anschlusslösung möglichst vermieden werden können;
•wie Personen, die bisher ohne nachobligatorische Ausbildung geblieben sind, mit Unterstützung zu einem zertifizierenden Abschluss auf Sekundarstufe II geführt werden können.
1.1.1 Obligatorische Bildung, Sekundarstufe I
Mit Artikel 62, Absatz 4 der Bundesverfassung (BV), dem die Schweizer Bevölkerung 2006 in einer Volksabstimmung zugestimmt hat, werden die Kantone zu einer Harmonisierung des Bildungswesens im Bereich der obligatorischen Schule verpflichtet. Damit werden Faktoren, die für die aktuellen Probleme an der «ersten Schwelle» mitverantwortlich sind – der Schulföderalismus, die unterschiedlichen kantonalen Schulstrukturen und die damit einhergehende, mehrheitlich frühe Selektion –, womöglich bald an Gewicht verlieren.
So ist es beispielsweise für die Ausbildungsverantwortlichen in Lehrbetrieben derzeit noch schwierig, die schulischen Kompetenzen der Schulabgängerinnen und Schulabgänger im Rahmen der Selektion von Lernenden einzuschätzen, da bisher keine minimalen Bildungsstandards definiert waren, die von den Schülerinnen und Schülern am Ende der obligatorischen Schulzeit erreicht werden müssen. Somit waren u.a. interkantonale Vergleiche kaum möglich. Hier soll die «Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule» (HarmoS-Konkordat), in Kraft getreten am 1. August 2009, Abhilfe schaffen. Das Konkordat harmonisiert die Dauer und die wichtigsten Ziele aller Bildungsstufen der obligatorischen Schule und deren Übergänge auf nationaler Ebene. Der Entscheid für einen Beitritt zu HarmoS liegt freilich bei den einzelnen Kantonen. Einige haben einen Beitritt bisher abgelehnt.
Abbildung 1-1 zeigt auf, welche Kantone dem Konkordat bis 2013 beigetreten sind.
Abbildung 1-1
Beitrittsverfahren HarmoS-Konkordat (Quelle: www.edudoc.ch)
Читать дальше