The creation of such a new discourse representation for the addressee can be compared to the establishment of a new referential ‚file’ in the discourse register, to which further elements of information may be added in the course of conversation and which can be reopened in discourse.
Ob Referenten identifizierbar oder nicht identifizierbar sind, hängt damit zusammen, ob sie neu, »brand-new« in den Diskurs eingeführt worden sind oder bereits aktiv sind. Die kognitiven Dimensionen der Identifizierbarkeit und Aktivierung der Referenten gehen zurück auf Chafe (1987), der die »Zugänglichkeit« von Referenten im Hinblick auf den kognitiven Aufwand beschreibt, der zu ihrer Aktivierung führt. Lambrecht (1994: 165) beschreibt die Korrelation zwischen Identifizierbarkeit und Aktivierung mit einer Akzeptabilitätsskala (s. Abb. 8, S. 124), die er basierend auf den kognitiven Bemühungen für die Identifizierung von Referenten im Hinblick auf ihre Akzeptabilität beschreibt: Aktivierte Referenten weisen die höchste Akzeptabilität auf; nicht in den Diskurs verankerte, neue Referenten weisen die niedrigste Akzeptabilität auf.
Eine weitere, zentrale Kategorie der Informationsinformation ist die Dichotomie Topikund Fokus, wobei dem Topikbegriff in der Forschungsliteratur am meisten Raum gewidmet ist. Lambrecht definiert ihn folgendermassen:
A referent is interpreted as the topic of a preposition if in a given situation the proposition is construed as being about this referent, i.e., as expressing information which is relevant to and which increases the addressee’s knowledge of this referent. (Lambrecht 1994: 131)
Chini (2010) fasst weitere Interpretationen von Topic zusammen, die in der Forschungsliteratur auf Satzebene zumeist angewandt werden:
Topic im Sinne einer aboutness (Begriff eingeführt von Reinhart 1981), indem Topic das ausdrückt, worüber der Sprecher etwas sagt (vgl. Dik 1978, Molnar 1988).
Topic im Sinne des ersten Elements eines Satzes (vgl. Halliday 1967).
Topic im Sinne des grammatischen Subjekts bzw. einer bestimmten syntaktischen Funktion (vgl. Rizzi 1997).
Topic im Sinne eines frames für die Verankerung einer Äusserung (Chafe 1976, Stark 1997).
Da sich der Umgang mit dem Topikbegriff mitunter schwierig gestaltet, lehnt sich die vorliegende Arbeit an die Interpretation des Topikbegriffs an, wie er im Quaestio-Ansatz verwendet wird. Im folgenden Abschnitt wird dieser behandelt.
3.3.2. Die Quaestio und die Topik- Fokusgliederung
Entscheidend bei den Begrifflichkeiten Topik und Fokus, wie sie im Zusammenhang mit dem Quaestio-Ansatz verwendet werden ist, dass die Begriffe sich auf den Inhalt einer Äusserung beziehen und nicht auf einen sprachlichen Ausdruck, der gebraucht wird, um einen Inhalt auszudrücken.
Die Begriffe Topik und Fokus, wie wir sie hier verwenden, beziehen sich auf die konzeptuelle Struktur, die einer Äusserung zu Grunde liegt, sie sind für die Ebene der Diskursrepäsentation definiert. Sie beziehen sich nicht auf die sprachlichen Formen, die die Diskursrepräsentation zum Ausdruck bringen. Man muss deshalb zwischen Topik und Topikausdruck und Fokus und Fokusausdruck unterscheiden. (von Stutterheim 1997: 36)
Die Tatsache, dass hierbei von der sprachlichen Form abgesehen wird, vermeidet laut von Stutterheim (1997: 35) eine zirkuläre Definition, in der die Funktion eines Ausdrucks durch seine Form erklärt wird. Durchbrochen wird diese Handhabung durch eine Quaestio, die, wie oben erläutert, eine inhaltliche Vorgabe für den Text macht, indem eine bestimmte Situation in Verbindung mit einem bestimmten Referenzrahmen eingeführt wird, innerhalb dessen konzeptuelle Domänen wie Zeit, Raum und Prädikat zu besetzen sind. Die inhaltlichen Komponenten, die in der Antwort beibehalten werden (und somit auf gewisse Weise durch die Frage in irgendeiner Weise »bekannt« sind), bilden die Topikkomponente der Antwort. Gleichzeitig eröffnen diese Komponenten auch eine »Lücke«, die der Sprecher füllen muss, indem er explizite Angaben zu den unterschiedlichen konzeptuellen Domänen macht. Die »Füllung« dieser Lücke mit spezifizierten Angaben bildet die Fokuskomponente der Antwort und enthält »neue« Informationen.
Bei der Frage »Wann seid ihr zuletzt nach Mailand gefahren?« werden konzeptuelle Domänen wie Raum (Mailand), Agens (derjenige der gefragt wird samt Anhang), Prädikat (fahren) und eine Zeitangabe (Menge aller möglichen Zeiträume, in den die Reise angetreten wurde) aufgerufen, die in der Antwort beibehalten werden. Diese bilden als Topik die Menge jener Elemente, die Alternativen für die Antwort eingrenzen. Es geht darum, WANN (Zeit) der Befragte nach MAILAND (Raum) GEFAHREN (Prädikat) ist, und NICHT wann er beispielsweise zuletzt in Rom Spaghetti gegessen hat. Die Topik setzt in diesem Sinne einen Rahmen (Stutterheim 1992), der beschränkend wirkt. Es wird in der Antwort auf eben jene konzeptuellen Domänen Bezug genommen, die jedoch noch weiter spezifiziert werden, beispielsweise durch die Antwort »Wir sind im Mai zuletzt nach Mailand gefahren« . Der Sprecher wählt aus den Alternativen aus und bildet die Fokuskomponente der Antwort (Klein und von Stutterheim 2008).
Im Quaestio-Ansatz wird als Topikkomponente somit die Menge der Alternativen bezeichnet, die die referentielle Besetzung der konzeptuellen Domänen durch die Schaffung eines referentiellen Rahmens eingrenzt. Was darin spezifiziert wird, bildet die Fokuskomponente.
Die Quaestio legt also Topikbedingungen (TB) und Fokusbedingungen (FB) für den Antworttext fest. (von Stutterheim 1997: 38)
Doch wie wird der Topikbegriff gehandhabt, wenn es sich nicht um eine einzelne Äusserung, sondern um einen ganzen Text handelt, wie beispielsweise im Fall von Erzähltexten, die die Grundlage der vorliegenden empirischen Analysen bilden?
Die Funktionen von Topik und Fokus unterscheiden sich im Hinblick auf die Informationsstrukturierung in einzelnen Äusserungen und komplexen Texten nicht. Der Unterschied liegt in der Komplexität der referentiellen Struktur. In unserem Beispiel »Wann seid ihr zuletzt nach Mailand gefahren« wird lediglich eine Zeitangabe erfragt, die durch die Antwort zu spezifizieren ist. Nehmen wir nun eine Frage, die einen ganzen narrativen Text einleitet wie »Was ist Dir im Urlaub denn passiert?« . Hierbei geht es darum, dass der Sprecher eine referentielle Struktur aufbaut, die über mehrere Äusserungen hinweg vom Sprecher entwickelt wird. »Jeder einzelne Referent ist in der zugrundeliegenden Sachverhaltsrepräsentation verankert und die Quaestio führt Beschränkungen dafür ein, welche Referenten zu spezifizieren sind und wie die referentielle Verknüpfung zu leisten ist« (von Stutterheim 1997: 38).
Mit einer redeeinleitenden Frage wird ein komplexes Ereignis aufgerufen, das als Makroereignis bezeichnet wird (s. von Stutterheim und Carroll 2018). Der Sprecher muss dieses Makroereignis nun in eine Reihe von Teilereignissen untergliedern, die in Bezug auf drei Bereiche lokalisiert werden müssen:
1 Lokalisierung innerhalb eines Zeitintervalls t1, das Teil des Zeitintervalls des Makroereignisses ist.
2 Lokalisierung innerhalb eines Makroraums (macro space, sm)
3 Lokalisierung in einer realen Welt (wfac)
Durch diese Lokalisierung kann die Quaestio, die für einen ganz Text gilt, in verschiedene Subquaestiones unterteilt werden, für die folgenden Topikbedingungen gelten (Carroll und von Stutterheim 2018):
1 Was geschah Dir zum Zeitpunkt t1 innerhalb des Raumes sm und in wfac?
2 Was geschah Dir zum Zeitpunkt t2 innerhalb des Raumes sm und in wfac?
3 Was geschah Dir zum Zeitpunkt t3 innerhalb des Raumes sm und in wfac?
Aus den Subquaestiones lassen sich folglich die Topik- und Fokuskomponenten ableiten.
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