Ein Seufzer der Wonne glitt mit der Atemstange aus mir heraus, bevor sich unsere Lippen zu einem innigen Kuss trafen.
Wie ich diese Küsse liebte! Jacob brauchte seinen Mund nur in meine Nähe zu bringen und ich schmolz vor Verlangen dahin.
„Was für Neidhammel!“, schmunzelte er in meinen Mund hinein, als neben uns ein fröhliches Hupkonzert startete.
„Lass sie doch“, schmunzelte ich zurück.
Seit mehr als drei Stunden waren wir mit dem Auto unterwegs. Das hieß, seit einer halben Stunde pausierten wir wegen der Reifenpanne.
Davor war es nur langsam vorangegangen, was mir im Grunde entgegenkam, da ich Raserei verabscheute. Hauptsache, Jacob und ich waren zusammen.
Die Fahrerei hatte nur einen Nachteil: Bis auf Händchenhalten war wenig möglich. Da war es doch kein Wunder, dass ich mich so sehr nach einem Kuss sehnte.
Umso schöner war es, dass wir jetzt endlich ein wenig knutschen konnten.
Jacob begehrte mit seiner Zunge Einlass und ich ließ ihn gern zu mir. Zärtlich spielte er mit meiner Zungenspitze und ich erschauderte wonnig.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf unseren Urlaub freue“, sagte er.
„Und ich erst. Sieben Tage nur wir zwei in deinem Ferienhäuschen“, gab ich zurück und intensivierte den Kuss.
„Die Nächte nicht zu vergessen“, grinste Jacob.
Mit einem dumpfen Ton landete der elektronische Wagenheber im Schnee. Ich erschrak kurz.
„Kümmere dich nicht um den. Werkzeug, das nur im Sommer arbeitet, kann mir gestohlen bleiben.“
Ein warmes Gefühl durchzog mich. Welche Lässigkeit Jacob doch auszeichnete. Er war durch nichts und niemanden aus der Ruhe zu bringen. Nein, das stimmte nicht ganz. Eine winzige Kleinigkeit brachte ihn in Aufruhr. Und diese Kleinigkeit war ich.
Ich konnte nicht widerstehen, meine rechte Hand aus Jacobs Nacken zu nehmen und sie zwischen uns zu schieben. Wie von selbst legte sie sich auf den pulsierenden Eiszapfen, der sich in meinen Bauch drückte.
Jacob stöhnte leise auf. Der Griff seiner Hände in meinem Rücken wurde stärker. Auch der Druck von dem Eiszapfen. Feuchtigkeit sammelte sich zwischen meinen Schenkeln. Ich wusste ja auch nicht, was mit mir los war. Es musste die Freude darüber sein, dass wir nach zwei Wochen, in denen wir nur telefoniert hatten, endlich eine ganze Woche zusammen sein konnten. Was machte es, wo wir die verbrachten? Mir war sogar der Standstreifen auf dem Highway recht.
Möglicherweise war es ratsamer, wenn wir auf die andere Seite des Wagens wechselten. Nur wegen des Hupkonzerts und der neugierigen Gesichter, die aus beschlagenen Autoscheiben zu uns guckten. Aber das war es auch schon. Die Leute waren verrückt. Die wischten sich Gucklöcher, um uns zuzuschauen.
Jacob hatte anscheinend denselben Gedanken. Mit einem Ruck hob er mich an und trug mich um den Jeep herum. Er drückte mich mit dem Rücken gegen den Wagen, umfasste meine Handgelenke und hob sie über meinen Kopf.
Es zwiebelte ein klein wenig, als Jacob seine Lippen von meinen löste, denn wir waren ein bisschen aneinander gefroren. Wir mussten beide lachen. Doch als Jacob seinen Mund über die zarte Haut meines Halses gleiten ließ, stöhnte ich vor Verlangen auf. Nur plötzlich öffnete er die Beifahrertür und setzte mich auf meinen beheizbaren Sitz.
Empört wollte ich wieder aussteigen. Oder Jacob, der sich zurückzog, zu mir in den Wagen zerren. Doch er lächelte so herzzerreißend zerknirscht, dass ich innehielt.
„Was ist?“, erkundigte ich mich besorgt.
„Keine Sorge, Eisprinzessin. Ich regele das.”
„Was denn?”
„Die Cops sind im Anmarsch.“
Jacob hatte alles geregelt und wir waren wieder auf vier intakten Reifen unterwegs. Die verstopfte Autobahn hatten wir schon vor Stunden hinter uns gelassen.
Träumerisch wanderte mein Blick über die winterweiße Landschaft. Eine dicke Schneeschicht lag über Feldern, Wiesen und Bäumen. Wobei ich schon längere Zeit nur noch vereinzelt Häuser sah, deren schneebedeckte Dächer aus dem Boden zu schauen schienen.
Nicht mehr lange und wir würden das Indianerreservat erreichen, wo Jacobs Ferienhäuschen stand. Und dann hieß es nur noch: Jacob und Emma. Emma und Jacob. Jacob und Emma …
Keine Manager, die mir auf den Arsch glotzten, wenn ich ihnen Drinks brachte. Keine Bewerbungen schreiben und dabei jedes Mal einen Blick auf meine miese Note werfen. Und auch keine Challenge und kein Ekel-Bailey. Nur wir beide, ganz allein.
Wir würden die Tage im Bett verbringen und die Nächte vor dem Kamin. Zwischendurch romantische Spaziergänge im Schnee. Danach heißen Kakao, den wir im Bett oder vor dem Kamin zu uns nahmen. Wir hatten viel Zeit, um uns richtig kennenzulernen.
„Ich fühle mich, als hätten wir Weihnachten. Und die Hilfe der Cops war unser Weihnachtsgeschenk.“ Glücklich seufzend zog ich die Beine an und umarmte sie. Bald würde Jacob mich umarmen. Allein der Gedanke machte mich ganz wuschig.
„Die Hilfe der Cops? So so. Ich dachte eigentlich, ich wäre dein Geschenk“, knurrte Jacob eifersüchtig.
Hingerissen betrachtete ich sein schönes Profil. „Das bist du ja auch. Du bist das wunderbarste Geschenk der Welt.“
„Nein, das bist du”, sagte er.
„Nein, du!“
„Nein, Emma, du bist mein schönstes Geschenk!“
„Na gut“, gab ich mich geschlagen, fügte aber doch noch hinzu: „Ohne den mechanischen Wagenheber der Cops säßen wir immer noch mit einem platten Reifen auf der Autobahn fest.“
Aber ich sagte es nur ganz leise, ohne jeglichen Vorwurf, und Jacob nickte zustimmend.
„Uns wäre schon eine Beschäftigung eingefallen“, grinste er und legte eine Hand besitzergreifend auf meinen Schenkel, was bei mir sofort eine Gänsehaut hervorrief.
Ich legte meine Hand auf seine und lächelte ihn glücklich an. Und er erwiderte mein Lächeln. Die goldenen Sprenkel in seinen Augen funkelten wie Sterne.
„Siehst du die große Tanne?“, fragte Jacob nach insgesamt sieben Stunden Fahrt.
Seelig lächelnd folgte ich seinem Fingerzeig. Ich spürte schon die Herzchen in meine Augen aufsteigen. Jacobs Heimat war ein Paradies für ein weihnachtsverrücktes Wesen wie mich. Ich wusste, es war albern, aber eine sentimentale Schwäche musste doch auch eine sonst logisch denkende Mathematikerin haben dürfen. Neben der Schwäche für Jacob natürlich.
„Die Bäume sind alle ziemlich groß.“
„Eine Tanne ist besonders groß. Und zwar die am Eingang des Reservats. Da ist sie. Schau mal nach rechts, Emma.“
„Oh. Wir sind da! Da ist ja auch der Laden, wo wir Brötchen gekauft haben. Und da hinten ist der Parkplatz, auf dem ich damals meinen Mietwagen abstellen musste!”
Ehrlich gesagt war ich ziemlich erleichtert, denn ich hatte nicht die ganze Fahrt über geglaubt, dass Jacob heute noch den Weg finden würde. Aber in diesem Jeep gab es sogar eine Standheizung. Und wenn wir irgendwo liegen geblieben wären … So what?
„Jetzt kommt der Endspurt. Jetzt visieren wir gemeinsam unser Ziel an.” Jacob sah zu mir.
Ich lächelte. „Tun wir das nicht sowieso?“
Jacobs Zähne waren blitzweiß, als er sie mir beim Lachen zeigte. „Und ob! Ich hab echt ein gutes Gefühl bei dir. Du bist so wunderbar entspannt. So sind nicht viele Frauen. Genau genommen habe ich noch keine erlebt, die so ist wie du. Und damit meine ich nicht deine Brille.“
„Die habe ich doch gar nicht auf“, protestierte ich lachend.
„Aber das weiß ich doch. Ich wollte es nur noch mal betonen. Hätte ich nur all deine positiven Eigenschaften aufzählen sollen?“
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