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Absatz 1 Buchst. b): Tod der Ehegattin/des Ehegatten, der Lebenspartnerin/des Lebenspartners im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes, eines Kindes oder Elternteils:zwei Arbeitstage
Im Todesfall der von Buchst. b) erfassten Personen erhält der Beschäftigte zwei Tage Arbeitsbefreiung.
Kinder im Sinne dieser Regelungen sind neben den leiblichen Kindern auch Adoptivkinder. Gleiches gilt für Adoptiveltern. Nicht vom Regelungskreis enthalten sind Großeltern, Schwiegereltern, Pflegeeltern und Stiefeltern, Geschwister, Pflegekinder und Enkel; eine Norm, die ebenfalls in der Praxis daher heftige Kritik auslöst.
Der häuslichen Gemeinschaft bedarf der Anspruch ebenfalls nicht.
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Absatz 1 Buchst. c): Umzug aus dienstlichem Grund an einen anderen Ort:ein Arbeitstag
Muss derBeschäftigte aus dienstlichen Gründen seinen Wohnort wechseln, so soll der damit einhergehende Aufwand gleichfalls durch Arbeitsbefreiung honoriert werden.
Ein privat veranlasster Umzug löst den Anspruch allerdings nicht aus.
Erfolgt ein Arbeitgeberwechsel im öffentlichen Dienst, bedarf es, um den Anspruch auszulösen, einer schriftlichen Anerkennung des dienstlichen bzw. betrieblichen Interesses am Umzug.
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Absatz 1 Buchst. d): 25- und 40-jähriges Arbeitsjubiläum:ein Arbeitstag
Als Dank für die langjährige Treue zum Arbeitgeber wird dem Tarifbeschäftigten zum 25- und 40-jährigen Arbeitsjubiläum ein Tag Arbeitsbefreiung gewährt.
Dies setzt nach § 23 Abs. 2 TVöD einen Anspruch auf Zahlung des Jubiläumsgeldes voraus. Nicht mehr aufgenommen wurde, im Gegensatz zu der beamtenrechtlichen Regelung, das 50-jährige Dienstjubiläum. Warum hiervon Abstand genommen wurde in Anbetracht dessen, dass diese Fälle verschwindend gering sind, erschließt sich nicht auf den ersten Blick.
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Absatz 1 e): schwere Erkrankung von Angehörigen, eines Kindes oder einer Betreuungsperson:bis zu vier Arbeitstage im Kalenderjahr
Erkrankt ein im Haushalt lebender Angehöriger– wozu neben Ehegatten, Verlobten, Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie, Geschwister, Schwiegereltern und Pflegekinder zählen –, so dass deren Pflege unerlässlich ist, besteht ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung, § 29 Abs. 1 e) aa und bb TVöD – eine insoweit sehr praxisrelevante Regelung.
Obschon der Wortlaut eine schwereErkrankung fordert, wird diese von der Praxis nicht verlangt; bereits eine Erkrankung genügt, die einen Betreuungs- bzw. Pflegeaufwand erforderlich macht.
Der Nachweis hierzu ist mittels einer ärztlichen Bescheinigung zu erbringen, § 29 Abs. 1 S. 2 TVöD.
Die Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 1 S. 2 TVöD hat indes nur zu erfolgen, soweit eine andere Person zur Pflege oder Betreuung nicht sofort zur Verfügung steht; ansonsten bedarf es keiner Arbeitsbefreiung.
Der Anspruch steht jedem Beschäftigten zu und muss nicht etwa unter Ehepaaren aufgeteilt werden. Ist ein Elternteil Tarifbeschäftigter und der andere Elternteil Beamter, so steht dem Tarifbeschäftigten der volle Anspruch zu und dem Beamten aufgrund der SUrlV ebenfalls der dort genannte Maximalanspruch.
Hinzuweisen ist ebenfalls darauf, dass der Anspruch nicht etwa deshalb reduziert werden kann, weil der Beschäftigte einer Teilzeittätigkeit nachgeht. Selbst wenn der Beschäftigte erst im Verlauf des Kalenderjahres seine Arbeit antritt, steht ihm der volle Freistellungsanspruch zu.
Gleiches gilt auch im Falle eines Statuswechsel im laufenden Kalenderjahr, soweit etwa ein Tarifbeschäftigter zum Beamten ernannt wird. Mangels entsprechender Anrechnungsregelung können insoweit jeweils Ansprüche nach der Tarifnorm sowie nach der SUrlV geltend gemacht werden.
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Für den Umfang der Arbeitsbefreiung ist schließlich das Alter der zu betreuenden Person ausschlaggebend. Auffangvorschrift ist insoweit § 29 Abs. 1 e) aa) TVöD, der einen TagArbeitsbefreiung gewährt, soweit der erkrankte Angehörige ab 12 Jahre alt ist.
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Handelt es sich um ein erkranktes Kind, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendethat, besteht ein Befreiungsanspruch auf bis zu vier Arbeitstage, § 29 Abs. 1 e) bb) TVöD. Gewährt wird dieser Anspruch einmalig für jedes Kindpro Kalenderjahr; die tarifierte Begrenzung nach § 29 Abs. 1 S. 3 TVöD wird nicht angewandt.[56]
Um den Beschäftigten mehr Flexibilität zuzugestehen, können diese Tage auch regelmäßig als halbe Tage in Anspruch genommen werden, so etwa damit sich die Betreuungspersonen vor- und nachmittags mit der Betreuung und Pflege abwechseln können.
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Ausgeschlossen wird der Anspruch, um eine doppelte Absicherung zu verhindern, soweit ein Anspruch auf Krankengeld nach § 45 SGB V besteht.
Dies trifft etwa bei nicht gesetzlich Versicherten, sondern privatversicherten Beschäftigten zu oder bei nicht unter die Familienversicherung nach § 10 SGB V fallenden Kindern.
Ist ein Elternteil Tarifbeschäftigter und gesetzlich krankenversichert und sind der andere Elternteil sowie auch die gemeinsamen Kinder privatversichert, greift § 45 SGB V nicht. Insoweit findet ausschließlich die Tarifnorm Anwendung.
Eine gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmerin wird zum 1.5.2021 in einer 3-Tage-Woche eingestellt. Ihr gleichfalls tarifbeschäftigter und gesetzlich krankenversicherter Ehemann befindet sich bereits seit 2018 in Vollzeit in einem Arbeitsverhältnis. Ihr einziges 8-jähriges Kind erleidet im September beim Sportunterricht eine Fraktur der rechten Hand und ist infolgedessen 21 Tage erkrankt. Hier steht jedem Elternteil ein 10-tägiger Anspruch auf Arbeitsbefreiung zu. Über die Aufteilung können die Eltern dabei grds. frei entscheiden.
§ 26 Abs. 1 e) bb) TVöD ist insoweit nicht (zusätzlich) neben § 45 SGB V anwendbar. Ein Freistellungsanspruch wird entweder nach dem TVöD oder nach dem SGB V gewährt.
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Ist der Anwendungsbereich des SGB V eröffnet, umfasst der sozialrechtliche Anspruch des § 44 SGB V neben dem Krankengeldanspruch nach § 45 Abs. 1 SGB V einen unbezahlten Freistellungsanspruch für jedesKind von längstens 10 Arbeitstagen, für Alleinerziehende längstens 20 Arbeitstage je Kalenderjahr.
Begrenzt ist der Anspruch nach § 45 Abs. 2 SGB V, soweit der Beschäftigte mehrere Kinder unter 12 Jahren hat, auf 25 Tage bzw. 50 Tage für Alleinerziehende je Kalenderjahr. Unerheblich ist es nach Auffassung des BSG,[57] ob die Alleinerziehende das gemeinsame Sorgerecht über das Kind hat; maßgeblich ist, dass sie in häuslicher Gemeinschaft allein mit dem Kind lebt.
Im Gegensatz zu § 29 Abs. 1 e) bb) TVöD gewährt das Sozialrecht nicht nur einen Anspruch bei bis zu zwölfjährigen Kindern. Darüber hinaus wird auch ein Freistellungsanspruch gewährt, soweit es sich um ein behindertes und auf Hilfe angewiesenes Kind handelt. Ein bestimmter Grad der Behinderung ist nicht Voraussetzung. Vielmehr muss das behinderte Kind einen Entwicklungsstand haben, der einem unter zwölfjährigen Kind entspricht.
Für nichtgesetzlich versicherte Beschäftigte kommt der tarifliche Anspruch hingegen zur Anwendung. Sind die vier Tage nicht ausreichend, kommt ein Freistellungsanspruch bis zur in § 45 Abs. 2 SGB V genannten Gesamthöhe nach § 45 Abs. 5 SGB V in Betracht, da diese Vorschrift einen unbezahlten Freistellungsanspruch unabhängig vom Versichertenstatus gewährt.
Dem Anspruch steht nicht entgegen, wenn sich das Kind in stationärer Behandlung befindet. Nach dem Urteil des LSG Berlin [58]ist der Anspruch auf Krankengeld auch zu gewähren, wenn es medizinisch erforderlich ist, dass der Versicherte zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege seines erkrankten Kindes im Krankenhaus (Mitaufnahme als Begleitperson) der Arbeit fernbleibt.
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