Und zwar ganz passend, bemerkte er.
Diese beiden nun, sprach ich weiter, zerrütten jeden Staat, in welchem sie sich ansammeln, gerade wie Verschleimung und Galle einen Körper. Der gute Arzt und Gesetzgeber eines Staates muss nun vor diesen beiden Arten wie der weise Bienenvater, von ferne schon Vorsichtsmaßregeln ergreifen. Die allerbesten Maßregeln sind die, wodurch ihr Einnisten verhütet wird, die nächstbesten solche, durch die sie da, wo sie sich eingenistet haben, so schnell wie möglich samt den Waben ausgeschnitten werden.
Ja wahrlich, bei Zeus, sagte er, auf alle Weise.
Damit wir indessen, fuhr ich fort, die Wahrheit der Antwort auf die vorliegende Frage noch leichter und verständlicher ansehen, wollen wir die Sache von folgender Seite auffassen.
Von welcher?
Teilen wir in Gedanken die Bürgerschaft einer Demokratie in drei Klassen, in die sie bekanntlich auch wirklich zerfällt, die erste, die eben erwähnte Drohnenklasse, wächst in der Demokratie infolge der übermäßigen Freiheit in nicht geringerer Zahl empor als in dem von einer Oligarchie regierten Staate.
Ja, so ist's.
Aber in ersterer ist sie weit stärkerer geltend als in letzterer.
Wieso?
Weil sie in der Oligarchie nicht in Achtung steht und von der Staatsregierung ausgeschlossen wird, kann sie sich nicht üben und nicht entwickeln und kommt zu keiner beherrschenden Kraft, in der Demokratie dagegen ist sie Diejenige, die die ganze Bürgerschaft derselben, mit Ausnahme weniger, bevormundet, der leidenschaftlichste Teil davon spielt die tätige Rolle der Politik in Wort und Tat, der übrige Schwarm umlagert mit Gesumme die Rednerbühne und lässt niemanden eine andere Meinung vortragen, so dass bei einer solchen Verfassung alle Geschäfte des Staates, mit Ausnahme weniger, von den Genannten abgemacht werden.
Ja freilich, sagte er.
Die zweite Klasse ist nun die, welche sich immer vom Volke vornehm absondert.
Von welcher Beschaffenheit denn?
Wenn irgendwo alle Gelderwerb treiben, so werden diejenigen in der Regel am reichsten, die, wenn auch nicht durch Geistesbildung, doch bloß durch eine besondere Naturanlage am meisten Sinn für Ordnung und Anstand haben.
Natürlich.
Von dieser zweiten Klasse nun, denke ich, lässt sich für jene Drohnen Honig schneiden, im reichlichsten Maße und ganz ohne alle Mühe.
Wie könnte auch einer, sagte er, bei denen Honig schneiden wollen, welche wenig haben?
Diese zweite Klasse, die Reichen, führen bekanntlich den Namen ,Drohnenfutter’.
Ja, sagte er, so ungefähr.
Die dritte Klasse der Demokratie aber wäre also das Volk, worunter alle gehören, die von eigner Handarbeit leben, die keine Freunde von Staatsgeschäften sind, die keinen großen Landbesitz haben, und dieser Teil ist der zahlreichste und zugleich der entscheidendste, wenn er versammelt ist.
Ja, sagte er, das ist er freilich, aber er hat keine sonderliche Lust, eine solche Versammlung zu bilden, wenn er keine Aussicht hat, Anteil am Honig zu bekommen.
Nun, sagte ich, er bekommt immer, wenn die rädelsführenden Volksführer imstande sind, die besitzende Klasse zu berauben und den Raub unter das Volk so zu verteilen, dass er den größten Teil davon behalten kann.
Ja freilich, sagte er, so bekommt das Volk seinen Anteil.
Die Beraubten werden dann natürlich in die Notwendigkeit versetzt, sich zur offenen Wehr zu setzen, indem sie in der Volksversammlung auftreten und Politik treiben, wie sie können.
Das müssen sie.
Dann werden sie von der Gegenpartei beschuldigt, dass sie die Volkssouveränität stürzen wollten und der Oligarchie zusteuerten, wenngleich sie gar keine Neuerung beabsichtigen.
Ja, so kommt's.
Wenn sie nun sehen, dass das Volk, nicht aus vorsätzlicher Bosheit, sondern aus Unverstand und von ihren anschwärzenden Gegnern betrogen, sie zu plündern sucht, dann werden sie endlich, sie mögen wollen oder nicht, in der Tat oligarchisch gesinnt, nicht aus innerem Antriebe, sondern auch dieses Übel impft jene Drohnenklasse ein durch ihre giftigen Stiche.
Ja, offenbar.
Es erfolgen nun öffentliche Anklagen, Rechtsstreitigkeiten und gegenseitige Belangungen.
Jawohl.
Daher die bekannte Gewohnheit des Volkes, immer irgendeinen sich an seine Spitze zu stellen, ihn zu umjubeln, zu hegen und mächtig zu machen?
Ja, freilich ist das seine bekannte Gewohnheit.
Dies wäre also, sagte ich, erstlich außer Zweifel, dass ein Tyrann, wenn er entsteht, nur aus dieser Wurzel des Hervortretens und nirgends anderswoher hervorkeimt?
Ja, ganz ohne Zweifel.
Wo ist nun der Anfang seiner Umwandlung aus einem Volksvorsteher zu einem Tyrannen? Oder ist der Anfang offenbar da, wenn der Vorsteher anfängt, dasselbe zu tun, was der Mann in der Fabel tat, die von dem Tempel des lykäischen Zeus in Arkadien erzählt wird?
Welche denn? fragte er.
Wer menschliches Eingeweide, wenn auch nur ein einziges, das unter anderes von anderen zerhackten Opfertieren hineingeschnitten ist, gekostet habe, dieser werde nach einem unabwendbaren Verhängnisse in einen Wolf verwandelt. Oder hast du von dieser Sage noch nicht gehört?
Doch.
Wer nun dem Volke vorsteht, an ihm eine auf sein Kommando gehorsam folgende Masse unter die Hände bekommt und sich nicht infolge solcher Gewalt des Blutes seiner eigenen reichen Mitbürger enthalten kann, sondern, wie es ihre Art ist, bald durch ungerechte Anklagen sie vor die Kriminalgerichte bringt und sich mit Blutschuld befleckt durch Vernichtung von Menschenleben und durch das Kosten des verwandten Blutes mit gottloser Zunge und Lippe, bald Verbannungen und Todesurteile ausspricht, bald Schuldenerlass und Ackerverteilung predigt, kommt über einen solchen hierauf nicht ebenso die zwingende Notwendigkeit und das unabwendbare Verhängnis, zwischen dem Tode von der Hand seiner Feinde und dem Tyrannenthrone zu wählen und also aus einem Menschen ein Wolf zu werden?
Ja, sagte er, die unabwendbar.
Und dieser, sprach ich, und kein anderer, wird sodann das Haupt des Bürgerkrieges gegen die Begüterten?
Ja, kein anderer.
Ist er nun etwa vertrieben worden und kehrt er dann trotz seiner Feinde wieder zurück, so ist wohl der Tyrann ausgebrütet?
Ja, offenbar.
Wenn sie aber nicht imstande sind, ihn zu vertreiben oder durch Aufhetzen der Bürger um das Leben zu bringen, so schmieden sie dann bekanntlich Pläne, ihn durch gewaltsamen Tod heimlich aus dem Wege zu räumen.
Ja, sagte er, so pflegt es wirklich zu gehen.
Daraufhin das bei allen, die bis dahin kommen, übliche Hervortreten der bekannten Tyrannenbitte, sie erbitten nämlich vom Volk sich einige Leibwächter zum Schutze, damit ihnen doch der Beschützer des Volkes am Leben bleibe!
Ganz richtig, bemerkte er.
Die Leute geben sie ihm, versteht sich, weil sie einerseits wirklich für ihn Besorgnis tragen und andrerseits wegen ihrer Personen und Freiheiten keinen Argwohn hegen.
Richtig.
Wenn nun dies ein Mann wahrnimmt, der mit Gütern und neben diesen Gütern auch im Verdacht steht ein Volksfeind zu sein, dann wird ein solcher, mein Freund, nach dem Orakel, das Kroisos bekam,
zum Ufer des kiesigen Hermos fliehen, er bleibt nicht mehr, nicht schämt er sich, feige zu heißen.
Ganz recht, sagte er, denn der würde sich auch nicht zum zweiten Male zu schämen haben!
Ja, sprach ich, wird er nämlich erwischt, da ist er, meine ich, dem Tode verfallen.
Notwendig.
Jener Vorsteher dagegen legt sich selbstverständlich nicht großmächtig hin, sondern steht nach Niederstreckung vieler anderer Thronkandidaten am Ruder des Staates und ist nun ein Tyrann in seiner Vollendung.
Ja, sagte er, das lässt er erwarten.
Wollen wir nun, fuhr ich fort, verabredetem Plane gemäß die Glückseligkeit des Lebens sowohl des Menschen wie des Staates darstellen, in dem es aufkommen konnte?
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