3. In dieser Eigenschaft anvertraute oder bekanntgewordene Tatsachen
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Der Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts ist auf diejenigen Tatsachen beschränkt, die dem Berufsträger in seiner jeweiligen Eigenschaft anvertraut oder bekanntgeworden sind. Voraussetzung des Zeugnisverweigerungsrechts ist daher, dass das Wissen unmittelbar aus der Berufstätigkeit erwächst oder zumindest mit ihr in unmittelbarem Zusammenhang steht.[49] Die Person des Mitteilenden und das Ob und Wie des Kontakts werden vom Zeugnisverweigerungsrecht mit umfasst,[50] so etwa die Frage, ob ein Steuerberater mit der Abgabe einer Steuererklärung beauftragt worden ist.[51]
13
Unter einer anvertrauten Tatsache versteht man eine unter Verlangen oder stillschweigender Erwartung der Geheimhaltung schriftlich oder mündlich mitgeteilte Tatsache sowie eine solche, die der Berufsträger dadurch erlangt, dass ihm Gelegenheit zur Beobachtung und Untersuchung gegeben wird.[52] Ob die Tatsache dem Berufsträger vom jeweiligen Beschuldigten oder einem Dritten anvertraut worden ist und wessen Sphäre das Geheimnis angehört, ist gleichgültig.[53]
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Eine bekanntgewordene Tatsache ist eine solche, die der Berufsausübende von dem Beschuldigten oder einem Dritten erfahren hat, ohne dass sie ihm anvertraut worden ist.[54] Der Begriff ist nach dem BGH und der herrschenden Lehre weit auszulegen.[55]
4. Keine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht gem. § 53 Abs. 2 S. 1 StPO
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Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht führt in den Fällen des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2–3b StPO gem. § 53 Abs. 2 S. 1 StPO zu einer Aussagepflicht des Berufsträgers. Die Entbindungserklärung ist eine Prozesshandlung, die Handlungsfähigkeit voraussetzt.[56]
b) Entbindungsberechtigter
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Entbindungsberechtigt ist jeder, dessen Vertrauensschutz § 53 StPO dient. Ausschlaggebend ist regelmäßig das Mandatsverhältnis.[57] Sind mehrere Personen geschützt, so müssen alle eine entsprechende Erklärung abgeben oder es muss eine gemeinsame Erklärung abgegeben werden.[58] Dies gilt insbesondere für eine Mehrheit von Geschäftsführern einer GmbH[59] oder einen Wechsel der Geschäftsführung oder des Vorstandes.[60] Hat ein nicht geschützter Dritter dem Berufsträger ein Geheimnis anvertraut, kann nur der Geschützte die Entbindung erklären.[61] Wenn allerdings der Beschuldigte dem Berufsträger das Geheimnis eines Dritten anvertraut hat, können sowohl der Beschuldigte als auch der Dritte die Entbindung erklären.[62]
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Die Entbindungserklärung kann ausdrücklich oder konkludent[63] erfolgen und ist analog § 52 Abs. 3 S. 2 StPO frei widerrufbar.[64] Ist dies vom Geschützten gewollt, kann die Entbindungserklärung rechtlich wirksam auf bestimmte Tatsachenkomplexe beschränkt werden, nicht aber auf einzelne Tatsachen.[65] Der Widerruf der Entbindung muss im Gegensatz zur Entbindung selbst ausdrücklich erklärt werden.[66] Widerruft der Geschützte die Entbindung von der Schweigepflicht erst nach der Aussage des Berufsträgers, bleibt die Aussage prozessual verwertbar und eine Niederschrift über die Vernehmung kann verlesen werden.[67] § 252 StPO erfasst den Fall des Widerrufs der Entbindung von der Schweigepflicht nicht.[68] Eine Vertretung ist sowohl hinsichtlich der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht als auch hinsichtlich ihres Widerrufs wegen des höchstpersönlichen Charakters beider Erklärung ausgeschlossen.[69]
[1]
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 1.
[2]
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 1.
[3]
Vgl. HK-GS/ Trüg § 52 StPO Rn. 1, zu § 52 StPO.
[4]
Vgl. HK-GS/ Trüg § 52 StPO Rn. 1, zu § 52 StPO.
[5]
KK-StPO/ Senge § 53 Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 2.
[6]
Vgl. BVerfGE 33, 367, 383; 38, 312, 321; Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 2.
[7]
BVerfGE 33, 367.
[8]
BVerfGE 38, 312.
[9]
BVerfG NJW 1979, 1286.
[10]
BVerfG NJW 1988, 2945.
[11]
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 3.
[12]
LG Frankfurt/Main NJW 1954, 688, 690; HK-GS/ Trüg § 53 Rn. 5. Ein Bankgeheimnis wird vom deutschen Strafrecht nicht anerkannt, vgl. die Vorgenannten.
[13]
Vertiefend Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 4.
[14]
Die Pflicht ergibt sich aus § 70 Abs. 1 StPO.
[15]
Fischer § 203 Rn. 39 m.w.N.
[16]
Vertiefend zur Entbindung von der Schweigepflicht Rn. 15 ff.
[17]
HK-GS/ Trüg § 53 Rn. 2 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH.
[18]
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 5.
[19]
Vertiefend Rn. 15 ff.
[20]
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 41.
[21]
BGH NStZ 2007, 712, 713.
[22]
BGHSt 2, 90, 92; 7, 127, 128.
[23]
Meyer-Goßner/Schmitt § 52 Rn. 15 und § 53 Rn. 41.
[24]
BGH NJW 1980, 794, 794.
[25]
Vgl. BGHSt 32, 140, 142; Meyer-Goßner/Schmitt § 261 Rn. 21.
[26]
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 41.
[27]
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 42.
[28]
Vgl. BGH NJW 1991, 2844, 2846; Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 44.
[29]
BGH MDR 1980, 815, 815.
[30]
HK-GS/ Trüg § 53 Rn. 1.
[31]
LR-StPO/ Ignor/Bertheau § 53 Rn. 18.
[32]
OLG Düsseldorf NJW 1959, 821, 821; Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 10.
[33]
OLG Düsseldorf NJW 1958, 1152, 1152; Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 10.
[34]
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 13.
[35]
Vgl. zur alten Rechtslage HK-GS/ Trüg § 53 Rn. 7.
[36]
Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 13.
[37]
LR-StPO/ Ignor/Bertheau § 53 Rn. 27.
[38]
Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I, 2517 ff.
[39]
Roxin NJW 1995, 17, 18, m.w.N.; für ein uneingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht demgegenüber Redeker NJW 2004, 889, 890; gegen jedes Zeugnisverweigerungsrecht bspw. SK-StPO/ Rogall § 53 Rn. 90. Einen guten Überblick über die bislang vertretenen Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung liefern Hamm/Maxin AnwBl 2015, 376, 376 f.
[40]
Hassemer wistra 1986, 1, 13 f. und 17; Meyer-Goßner/Schmitt § 53 Rn. 15.
[41]
Roxin NJW 1992, 1129, 1129 ff.; ders . NJW 1995, 17, 18 ff., m.w.N.
[42]
BGH StV 2003, 883, 884; auch der EuGH stellt maßgeblich auf das Kriterium der Unabhängigkeit ab, vgl. EuGH NJW 2010, 3557, 3560 Rn. 56 f. Vertiefend zur Rechtsprechung des EuGH Hustus NStZ 2016, 65, 66 f.
[43]
LG Bonn NStZ 2007, 605, 606.
[44]
Vgl. Hamm/Maxin AnwBl 2015, 376, 377 f.; Merkt AnwBl 2015, 552, 559; Merkt/Müller ZRP 2015, 173, 175. Die rechtspolitische Kritik an dieser Stelle zu wiederholen und zu ergänzen, ist nicht der Ort. Die Verneinung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Syndikusrechtsanwälte dürfte jedoch dazu führen, dass entscheidende Fragen und Aufträge nicht mehr den unternehmenseigenen, sondern stets externen Rechtsanwälten zur Beantwortung und Bearbeitung vorgelegt werden.
[45]
Vgl. BT-Drucks. 18/5201, 40; vertiefend Hustus NStZ 2016, 65, 69 f.
[46]
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