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Für die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts selbst gelten die allgemeinen Grundsätze.[20] Das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 StPO begründet, wie auch die übrigen Zeugnisverweigerungsrechte, ein höchstpersönliches Recht, dessen Ausübung ausdrücklich, ggf. aber durch einen Anwalt,[21] erklärt werden muss. Ohne Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht dürfen wesentliche Tatsachen in der Vernehmung nicht verschwiegen werden.[22] Die Zeugnisverweigerung kann sich auf die gesamte Aussage, einen Teil der Aussage oder auch nur einzelne Fragen beziehen.[23] Einer Begründung bedarf es nicht.[24] Es ist jedoch zu beachten, dass aus einem Teilschweigen des Berufsträgers – entsprechend dem Teilschweigen des Angeklagten – Schlüsse für die Beweiswürdigung gezogen werden dürfen.[25] Zudem kann das Gericht bei Zweifeln an der Zeugnisverweigerungsberechtigung eine eidliche Versicherung des Berufsträgers zur Glaubhaftmachung des Verweigerungsgrundes nach § 56 S. 2 StPO verlangen.[26] Ein Verzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht kann analog § 52 Abs. 3 S. 2 StPO bis zum Abschluss der Vernehmung widerrufen werden, was die Verwertbarkeit der bereits getätigten Aussage zwar unberührt lässt, aber einer Beeidigung entgegensteht.[27]
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Macht der Berufsträger von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, wird seine Vernehmung unzulässig i.S.d. §§ 244 Abs. 3 S. 1, 245 Abs. 2 S. 2 StPO, und § 252 StPO schließt die Verwertung einer vor der Hauptverhandlung getätigten Aussage aus. Mit Ausnahme des Teilschweigens darf die Zeugnisverweigerung bei der Beweiswürdigung daher unter keinem Aspekt berücksichtigt werden.
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Sagt der Berufsträger in Unkenntnis der §§ 53, 53a StPO aus, so besteht kein Beweisverwertungsverbot, da eine Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht nicht erforderlich ist. Das Gericht darf nach herrschender Auffassung davon ausgehen, dass die Berufsträger ihre Berufsrechte und -pflichten kennen.[28] Nur bei offensichtlicher Unkenntnis kann die Fürsorgepflicht im Einzelfall eine Belehrung gebieten.[29] Das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 StPO wird neben § 53a StPO auch durch die §§ 97 und 160a StPO flankiert, die Schutz vor Umgehungen gewähren.[30]
2. Zeugnisverweigerungsberechtigte Personen
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§ 53 Abs. 1 StPO enthält einen Katalog von Berufen, deren Trägern ein Zeugnisverweigerungsrecht über Tatsachen zusteht, die ihnen in der jeweiligen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden sind. Analog § 54 Abs. 4 StPO erlischt das einmal begründete Zeugnisverweigerungsrecht nicht nachträglich mit der Aufgabe des Berufs[31] und analog § 203 Abs. 4 StGB auch nicht mit dem Tod desjenigen, dessen Vertrauen zu dem Berufsträger geschützt war.[32] Erst recht endet das Zeugnisverweigerungsrecht nicht mit der Erledigung des Auftrags.[33] Ein Zeugnisverweigerungsrecht des internen Ermittlers kann sich entweder aus § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StPO ergeben. Die übrigen Nummern, in denen u.a. Geistliche, Suchtberater oder Medienvertreter geschützt werden, sind im Zusammenhang mit internen Ermittlungen wohl nicht einschlägig.
a) Verteidiger i.S.d. § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO
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Der Begriff des Verteidigers meint alle gewählten oder bestellten Verteidiger unabhängig davon, ob sie die Verteidigung tatsächlich geführt haben.[34] Neben Rechtsanwälten können gem. § 138 StPO auch Hochschullehrer mit Befähigung zum Richteramt und einige weitere Personen, gem. §§ 139, 142 Abs. 2 StPO Referendare und gem. § 392 AO Steuerberater, zu Verteidigern bestellt werden. Ob für Rechtsanwälte, die als Verteidiger tätig werden, die Nr. 2 oder die Nr. 3 gilt, spielt zumindest seit der Gleichstellung beider Nummern in § 160a StPO praktisch keine Rolle mehr.[35] Die Tatsachen, über die der Verteidiger das Zeugnis verweigern kann, müssen ihm nicht als Verteidiger des gegenwärtig Beschuldigten bekannt geworden sein, sondern nur als Verteidiger irgendeiner Person oder als Verteidiger des Beschuldigten, aber in einem anderen Strafverfahren.[36] Ist der Beschuldigte des gegenwärtigen Strafverfahrens zugleich der Mandant des Verteidigers so besteht wohl eine Pflicht zur Zeugnisverweigerung.[37]
b) Rechtsanwälte und sonstige Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte i.S.d. § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO
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Rechtsanwälte sind unstreitig alle im Inland zugelassenen Anwälte nach § 12 BRAO, alle ausländischen Anwälte nach §§ 206 f. BRAO, alle allgemein bestellten Vertreter nach § 53 BRAO und alle Abwickler nach § 55 BRAO. Kammerrechtsbeistände i.S.d. § 209 BRAO sind den Rechtsanwälten gem. § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO gleichgestellt. Problematischer war lange Zeit die Beurteilung der Syndikusanwälte i.S.d. §§ 46 ff. BRAO. Die h. M. entschied bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte zum 1.1.2016[38] stets einzelfallbezogen.[39] Nach Hassemer u.a. stand Syndikusanwälten ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, wenn sie mit typischen anwaltlichen Aufgaben befasst waren, also im Einzelfall nach ihrer freien anwaltlichen Überzeugung handeln konnten,[40] nach Roxin u.a., wenn sie hinreichend unabhängig waren.[41] In anderen Fällen sollte demgegenüber kein Zeugnisverweigerungsrecht bestehen.
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Ganz ähnlich entschied auch die Rechtsprechung. Der BGH ließ in seiner Entscheidung über die Voraussetzungen zur Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung erkennen, dass für ihn das Vorliegen einer typisch anwaltlichen Tätigkeit davon abhing, ob und inwieweit hinsichtlich des betreffenden Falles nach den konkreten Umständen eine selbstständige, d.h. eigenständige und von fachlichen Weisungen freie Bearbeitung durch den Syndikusanwalt gewährleistet war bzw. ob umgekehrt zu besorgen war, dass die Weisungs- und Richtlinienkompetenz des Arbeitgebers eines Syndikusanwalts in dessen konkrete Tätigkeit hineinwirkte.[42] Das LG Bonn griff diese Kriterien zur Begründung eines Zeugnisverweigerungsrechts des Syndikusanwalts auf.[43] Die Weisungsgebundenheit im Einzelfall musste daher nach der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur als entscheidendes Kriterium angesehen werden. Ende 2015 hat sich der Gesetzgeber jedoch trotz erheblicher und berechtigter rechtspolitischer Kritik an diesem Vorhaben[44] gegen eine solche Differenzierung gewandt und die Möglichkeit zur Anerkennung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Syndikusanwälte (nun Syndikusrechtsanwälte) mit der Neufassung des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HS 2 StPO bewusst ausgeschlossen.[45] Damit finden also auch die übrigen in der StPO geregelten Anwaltsprivilegien der §§ 97 Abs. 1–3, 100c Abs. 6 und 160a StPO auf Syndikusrechtsanwälte keine Anwendung mehr, da diese Normen unmittelbar Bezug auf § 53 StPO nehmen.[46] Begründet wird diese Einschränkung der Anwaltsprivilegien vorrangig mit dem bereits erwähnten Gebot der effektiven Strafverfolgung, da die Einbeziehung der Syndikusrechtsanwälte in den Anwendungsbereich der §§ 97, 160a StPO – so die Gesetzesbegründung – die Gefahr hervorrufe, „dass relevante Beweismittel den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Verfügung stünden“.[47] Auch das Ziel der Einführung eines praktisch gegenüber der früheren Differenzierung besser handhabbaren Kriteriums wird angeführt. Als Gegenausnahme zum grundsätzlichen Ausschluss der Anwaltsprivilegien für Syndikusrechtsanwälte ist das Zeugnisverweigerungsrecht gesetzlich anerkannt, wenn der Syndikusrechtsanwalt als Berufshelfer für andere zeugnisverweigerungsberechtigte Personen i.S.d. § 53a Abs. 1 StPO agiert.
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Als weitere zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsträger kommen Patentanwälte i.S.d. §§ 1, 29 PAO, Notare i.S.d. § 3 BNotO, Notarassessoren i.S.d. § 7 BNotO, Wirtschaftsprüfer i.S.d. §§ 1 Abs. 1 S. 1, 15 WiPrO, auch wenn sie nach § 183 AktG als Kapitalprüfer eingesetzt werden,[48] vereidigte Buchprüfer i.S.d. § 128 Abs. 1 WiPrO sowie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte i.S.d. §§ 40, 42 StBerG in Betracht. Nicht geschützt werden z.B. Mitarbeiter von Wirtschaftsdetekteien oder sonstige Beauftragte, die keiner der vorstehend genannten Berufsgruppe angehören.
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