187
Bei der AG ist zudem die Übernahme von Geldstrafen, Geldbußen oder Geldauflagen, die einem Vorstandsmitglied im Rahmen eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens auferlegt wurden, nur mit Einschränkungen möglich. Nach aktueller Rechtsprechung des BGH bedarf die Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage gegen den Vorstand durch die AG der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG immer dann, wenn die Handlung, die Gegenstand des Ermittlungs- oder Strafverfahrens war, gleichzeitig eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft darstellt.[21]
[1]
Vgl. Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14.
[2]
Göpfert/Merten/Siegrist NJW 2008, 1703, 1704.
[3]
Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14, 15.
[4]
Vgl. Lutz BB 200, 677, 682; Göpfert/Merten/Siegrist NJW 2008, 1703, 1704; Reichert/Ott NZG 2014, 241, 247.
[5]
Vgl. hierzu Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14, 18; Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 723.
[6]
Zur arbeitsrechtlichen Problematik bei Amnestieprogrammen vgl. Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14, 20; Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 721, 724 f.; Göpfert/Merten/Sigrist NJW 2008, 1703 ff.; Lützeler/Müller-Sartori CCZ 2011, 19 ff.; Wastl/Pusch RdA 2009, 376 ff.
[7]
So auch Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14; Göpfert/Merten/Siegrist NJW 2008, 1703, 1704.
[8]
Siehe auch Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14 f.; Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 722; siehe auch Annuß S. 170 ff.
[9]
Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 722; Wastl/Putsch RdA 376, 377 ff.; rechtlich lässt sich dies in Form einer dauerhaften Stillhaltevereinbarung oder einem Verzicht auf Schadensersatzforderungen gestalten, siehe zur Abgrenzung der beiden Rechtsgebilde Staudinger/Rieble BGB, 13./14. Bearbeitung 1990 ff., § 397 Rn. 26, 31.
[10]
KK-StPO/ Griesbaum § 158 Rn. 25; vgl. auch Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 727; RGSt 77, 157, 159; LG Kiel NJW 1964, 263; BGH NJW 1991, 1046; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben § 77 Rn. 31; MK-StGB/ Mitsch § 77d Rn. 7.
[11]
Vgl. hierzu BGH NJW 1991, 990; Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14, 16; Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 721, 722 f.; Göpfert/Merten/Sigrist NJW 2008, 1703, 1704; Kapp NJW 1992, 2796 ff.; Scholl NStZ 1999, 599 ff.
[12]
Vgl. hierzu BAG NJW 2001, 1962, 1963.
[13]
Siehe hierzu Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 721, 723.
[14]
Vgl . Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 721, 724.
[15]
Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 721, 724.
[16]
Vgl. auch Moosmayer S. 101.
[17]
Siehe dazu auch MK-GmbHG/ Liebscher § 48 Rn. 1.
[18]
Vgl. hierzu www.handelsblatt.com/unternehmen/management/strategie/fehlentscheidungen-manager-fuerchten-klagen-wegen-missmanagement/4674900.html, zuletzt besucht am 10.5.2012.
[19]
BGH NJW 1997, 1926.
[20]
BGH NJW 1997, 1926, 1927.; siehe auch KöKo–AktG/ Mertens § 111 Rn. 37; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff § 112 Rn. 12; Münch. Hdb. AG/ Wiesner § 26 Rn. 24.
[21]
BGH NZG 2014, 1058.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen› 2. Kapitel Gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen und Beratung der Unternehmensführung› V. Verwendung der gewonnenen Ergebnisse
V. Verwendung der gewonnenen Ergebnisse
188
Nach Abschluss der unternehmensinternen Untersuchungen stellt sich regelmäßig die Frage, wie die gewonnenen Ergebnisse durch das Unternehmen verwendet werden können und dürfen. Die Frage nach der zulässigen Verwendung stellt sich zum einen unternehmensintern, zum anderen gegenüber den staatlichen Behörden sowie gegenüber den Geschäftspartnern des Unternehmens.
1. Unternehmensinterne Verwendung
189
Zunächst muss im Nachgang einer unternehmensinternen Untersuchung sichergestellt werden, dass das Unternehmen aufgrund der erlangten Erkenntnisse intern die angemessenen Konsequenzen zieht. Hat ein Unternehmen durch eine unternehmensinterne Untersuchung zuverlässige Informationen über das Vorliegen von Gesetzes- und/oder Richtlinienverstößen durch Unternehmensangehörige erhalten, so sollten hieraus drei Konsequenzen gezogen werden: Zum einen sollte das Unternehmen die bekannt gewordenen Verstöße – sofern sie nicht in der Vergangenheit liegen und keinerlei Auswirkungen mehr haben – abstellen. Das Unternehmen sollte zudem die notwendigen Konsequenzen gegenüber den betroffenen Mitarbeitern ziehen. Konsequenz des Fehlverhaltens kann eine Abmahnung oder sogar Entlassung, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder eine andere Maßnahme (wie z.B. Versetzung) sein. Lassen die aufgedeckten Verstöße auf einen Fehler in der Unternehmensorganisation oder im bestehenden Compliance-System schließen, so sollte die Unternehmensorganisation überarbeitet und das Compliance-System angepasst werden, damit zukünftige Verstöße vermieden werden.
190
Diese drei Maßnahmen sind Teil der allgemeinen Compliance-Verpflichtung. Geht man nicht von einer rein präventiven Funktion der Compliance aus, sondern definiert Compliance weiter auch als Sicherstellung des gesetzestreuen Verhaltens eines Unternehmens,[1] so gehört auch die Reaktion auf Verstöße und die Anpassung des aktuellen Systems zur Compliance, wie auch das Siemens/Neubürger-Urteil zeigt.[2]
2. Einschaltung staatlicher Behörden
191
Bei der Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden sind zwei Konstellationen zu unterscheiden. Es ist von großer Bedeutung für die Handhabung der Informationsweitergabe durch das Unternehmen, ob staatliche Behörden, seien es die Kartellbehörden oder die Staatsanwaltschaft, bereits Kenntnis von Verstößen erlangt und daraufhin Ermittlungen gegen das Unternehmen bzw. dessen Angehörige eingeleitet haben oder ob das Unternehmen proaktiv die Behörden erst über festgestellte Verstöße in Kenntnis setzt.
a) Keine Verpflichtung zur Meldung
192
Zu den in Betracht kommenden Aufklärungsmaßnahmen zählt auch die Option, den Verdachtsfall gegenüber den staatlichen Ermittlungsbehörden anzuzeigen. Seiner Aufklärungspflicht kann sich der Vorstand auf diesem Wege allerdings nicht entledigen, da staatliche Behörden nicht im Auftrag des Unternehmens tätig werden. Vielmehr bedarf es in aller Regel auch weiterhin einer eigenen internen Untersuchung, um ein angemessenes Informationsniveau zu schaffen und risikoadäquate Handlungs- und Kooperationsstrategien entwickeln zu können.[3]
193
Ob eine Anzeige als Aufklärungsoption in Frage kommt, entscheidet sich wiederum nach den vom Unternehmensinteresse getragenen Erfolgsaussichten. Zu berücksichtigen ist dabei einerseits, dass staatliche Behörden über ein umfangreiches Instrumentarium an Eingriffs- und Zwangsmöglichkeiten verfügen, die im Unternehmen gerade nicht zur Verfügung stehen. Andererseits ist zu bedenken, dass bei staatlicher Ermittlungstätigkeit eine planvolle Lenkung der Untersuchung im Unternehmensinteresse kaum mehr möglich ist.[4] Bei Wettbewerbsverstößen ist außerdem die kartellrechtliche Kronzeugenregelung in Betracht zu ziehen, die einen vollumfänglichen Erlass des drohenden Bußgeldes ermöglicht.[5]
194
Im Falle einer gesetzlichen Anzeigepflicht reduziert sich das Ermessen des Vorstands auf Null, sodass der Verdacht eines betrieblichen Rechtsverstoßes im erforderlichen Umfang aufzuklären und bei Bestätigung anzuzeigen ist.[6] Eine Anzeigepflicht existiert etwa gem. § 138 StGB bei schweren Verbrechen (z.B. Mord, Totschlag, Raub), sofern der Erfolg noch abgewendet werden kann, im Falle eines auf Tatsachen gestützten Verdachts der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung (§ 11 GWG) sowie eines Insidergeschäftes oder einer Marktmanipulation (§ 10 WpHG) und gem. § 153 AO auch für die Erkenntnis, dass die betriebliche Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist.
Читать дальше