201
Da die im Rahmen von unternehmensinternen Untersuchungen gewonnenen Informationen originär Firmeneigentum sind, stehen sie zur Disposition des Unternehmens. Das Unternehmen kann mit diesen Unterlagen nach eigenem Ermessen verfahren und somit auch seinen Geschäftspartnern zur Verfügung stellen. Ist eine solche Weitergabe aus Unternehmenssicht geboten, so ist insbesondere auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen zu achten. Sofern nicht personenbezogene Daten von Interesse sind, kann eine Anonymisierung von Unterlagen sinnvoll und notwendig sein. Wegen der besonderen datenschutzrechtlichen Anforderungen wird auf das Kapitel zum Datenschutz ( 12. Kap.) verwiesen.
[1]
Lösler NZG 2005, 104; Hauschka § 1 Rn. 2; Passarge NZI 2009, 86; Schneider ZIP 2003, 645, 646.
[2]
Für die Umfassung der Reaktion durch Compliance Schaupensteiner NZA Beil. 2011, 8, 12; Fleischer NZG 2014, 321, 329; LG München NZG 2014, 345, 347.
[3]
Arnold ZGR 2014, 76 (83 f.); Spindler/Stilz/ Fleischer § 91 Rn. 57.
[4]
Reichert/Ott NZG 2014, 241, 243.
[5]
Vgl. Schockenhoff NZG 2015, 409, 410.
[6]
So auch Arnold ZGR 2014, 76, 85.
[7]
Reichert/Ott NZG 2014, 241, 242.
[8]
OLG Düsseldorf AG 2013, 171.
[9]
Zu den Voraussetzungen der Inanspruchnahme einer Bonusregelung s. Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7.3.2006; abrufbar unter: www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Merkblaetter/Merkblaetter_deutsch/06_Bonusregelung.pdf; Potinecke/Gottschalk CB 2015, 444, 446.
[10]
Bürgers/Körber/Israel § 76 Rn. 11; Hüffer § 76 Rn. 13.
[11]
Inderst/Bannenberg/Poppe /Poppe 7. Kap. Rn. 20.
[12]
Bürgers/Körber/Pelz § 404 Rn. 2, § 93 Rn. 47 ff.
[13]
Hüffer § 93 Rn. 7.
[14]
Bürgers/Körber/Pelz § 404 Rn. 3.
[15]
MK-AktG/ Hefermehl/Spindler § 93 Rn. 62.
[16]
Bürgers/Körber/Pelz § 404 Rn. 5 zur Offenlegung von Informationen im Rahmen der due diligence.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen› 2. Kapitel Gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen und Beratung der Unternehmensführung› VI. Haftung im Rahmen von unternehmensinternen Untersuchungen
VI. Haftung im Rahmen von unternehmensinternen Untersuchungen
202
Kommt die Unternehmensleitung ihrer Pflicht zur Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung nicht oder nicht ausreichend nach oder wird eine Untersuchung ohne Berechtigung durchgeführt, stellen sich aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Haftungsfragen. Da die Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung Teil der Sorgfalts- und Treuepflichten der Unternehmensleitung ist, kann somit eine diesbezügliche Pflichtverletzung zu einer persönlichen Haftung der Organe führen. Meistens wird es dabei um eine unterlassene, aber sachlich gebotene unternehmensinterne Untersuchung gehen. Denkbar sind aber auch Konstellationen, in denen eine Untersuchung nicht in der gebotenen Art und Weise durchgeführt worden ist oder durchgeführt wurde, obwohl sie in diesem Ausmaß nicht notwendig war und nicht im Unternehmensinteresse stand.[1] Als Haftungssubjekte kommen grds. der Vorstand bzw. die Geschäftsführung, der Aufsichtsrat und die Gesellschafter in Betracht.
1. Haftung der Unternehmensleitung
203
Wie dargestellt, ist der Vorstand einer AG oder die Geschäftsführung einer GmbH als Unternehmensleitung beim Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für Gesetzesverstöße zur Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung berechtigt und verpflichtet. Wird diesen Pflichten nicht ordnungsgemäß entsprochen oder bei der Durchführung einer Untersuchung eine Pflichtverletzung begangen, ist eine Haftung der Unternehmensleitung gegenüber der Gesellschaft, Aktionären bzw. Gesellschaftern sowie gegenüber Dritten denkbar.
a) Haftung der Unternehmensleitung gegenüber der Gesellschaft
204
In Betracht kommen Schadensersatzansprüche der Gesellschaft aus § 93 Abs. 2 AktG (bei der AG), aus § 43 Abs. 2 GmbHG (bei der GmbH), aus § 43 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 708 BGB (bei der GmbH & Co. KG) sowie deliktrechtliche Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz.[2] Für die Haftung der Unternehmensleitung gegenüber der eigenen Gesellschaft sind insbesondere die Fragen, wann die Unternehmensleitung eine Pflichtverletzungbegangen hat und welcher Schadender Gesellschaft hieraus entstanden ist, von Bedeutung.
205
Begeht die Unternehmensleitung im Rahmen einer unternehmensinternen Untersuchung eine schuldhafte Pflichtverletzung und entsteht der Gesellschaft dadurch ein Schaden, dann ergibt sich die Haftung des Vorstandes einer AG aus § 93 Abs. 2 AktG, der Geschäftsführung einer GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbHG und der Geschäftsführung einer GmbH & Co. KG aus §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 708 BGB.
206
Daneben ist eine Haftung des Vorstandes bzw. der Geschäftsführung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz denkbar. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheidet bei einer internen Untersuchung aus, da der Vermögensschaden nicht zu den geschützten absoluten Rechtsgütern des § 823 Abs. 1 BGB gehört. Schutzgesetze können grds. aus allen Rechtsbereichen stammen. Zunächst ist dabei insbesondere an die Normen §§ 91 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG und § 130 OWiG zu denken. Alle diese Normen begründen eine gesellschaftsinterne Organisationspflicht, die grds. nur gegenüber der Gesellschaft und nicht im Verhältnis zu Außenstehenden oder den Gesellschaftern besteht.[3] Deshalb handelt es sich bei §§ 91 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG und § 130 OWiG nicht um allgemeine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Die Haftung gegenüber der Gesellschaft wird insofern auch nicht beeinträchtigt, da sich diese bereits aus § 93 Abs. 2 AktG bzw. aus § 43 Abs. 2 GmbHG ergibt.
207
Denkbar ist allerdings ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB. § 266 StGB stellt ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar.[4] Durch ihre Bestellung trifft die Unternehmensleitung eine besondere Treuepflicht i.S.d. § 266 StGB gegenüber der Gesellschaft.[5] Somit ist eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB durchaus denkbar, wenn die Unternehmensleitung der Gesellschaft einen Schaden im Zusammenhang mit unternehmensinternen Untersuchungen zufügt. Im Rahmen des subjektiven Tatbestandes des § 266 StGB kann sich die Unternehmensleitung jedoch wiederum auf die Business Judgement Rule berufen. Diese wurde zwar im Bereich des Gesellschaftsrechts entwickelt, ist jedoch im Rahmen des § 266 StGB auch anwendbar, da der Sorgfaltsmaßstab des Strafrechts nicht weiter gehen kann, als das vorgelagerte zivilrechtliche Pflichtenprogramm.[6]
208
Die Unternehmensleitung begeht eine Pflichtverletzung entweder, wenn sie keine unternehmensinterne Untersuchung vorgenommen hat, obwohl nach Betrachtung der Gesamtumstände eine Verpflichtung hierzu bestanden hätte oder wenn sie eine unternehmensinterne Untersuchung durchgeführt hat, obwohl sie hierzu nicht oder nicht in der Art und Weise berechtigt gewesen ist. Nicht in der Art und Weise berechtigt bedeutet dabei, dass entweder die bestehende Berechtigung überschritten wurde und etwa ohne sachlichen Grund zu umfassende Amnestieregelungen vereinbart wurden oder dass eine unternehmensinterne Untersuchung nicht gründlich durchgeführt, insbesondere, wenn notwendige Aufklärungsmaßnahmen unterlassen wurden.
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