– Deckungsgleichheit zwischen Maßnahmen im Bereich von Compliance und Internal Investigations besteht auch bei sog. Monitorings. Dieser Terminus fasst alle Maßnahmen zur Überwachung der Mitarbeiter und ihrer Tätigkeit zusammen.[39] Dies betrifft zum einen die compliance-relevante Beobachtung oder Überwachung von Vorgängen und Prozessen z.B. durch technische Hilfsmittel oder andere Beobachtungssysteme, um Ergebnisvergleiche anstellen zu können.[40] Monitorings können somit zukunftsorientiert normkonformes Verhalten und Mitarbeiterproduktivität sichern, aber ebenso zurückliegendes regelwidriges Agieren aufdecken.
– Überschneidungen sind ferner beim sog. Whistleblowingdenkbar, bei dem anonyme Meldungen von Regelverstößen im Unternehmen abgegeben und entgegengenommen werden.[41] Dies erfolgt sowohl im Interesse effizienter Compliance als Maßnahme zur Prävention von Fehlverhalten.[42] „Whistleblowing“ kann aber auch dazu beitragen, Regelverstöße oder gar Straftaten im Unternehmen aufzudecken und ist deshalb auch ein Teil effektiver Internal Investigations.[43]
cc) Compliance durch Internal Investigations
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Trotz weit reichender Kongruenz dienen Maßnahmen von Compliance und Internal Investigations verschiedenen Primärzwecken. Während Compliance eine präventive Zielrichtung auf regelkonformes Verhalten aufweist, intendieren Internal Investigations repressiv die Aufklärung von zurückliegendem Fehlverhalten. Mittelbar verfolgen Compliance und Internal Investigations jedoch denselben Zweck. Denn ob sich ein Unternehmen Lauterkeitsregeln gibt und im Wege von Compliance-Maßnahmen deren Einhaltung überwacht, oder Regelverstöße im Nachhinein aufklärt und ahndet – die indirekte positive Publizitätswirkungbleibt dieselbe. Um Lauterkeit zu demonstrieren, verlangt Corporate Governance präventive wie auch repressive Elemente.[44] Compliance und Internal Investigations greifen dabei ineinander und bedienen sich derselben Mittel.[45]
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Corporate Governance bildet einen Teilbereich der Corporate Responsibility[46] eines Unternehmens und lässt sich in einen präventiven Bereich (Compliance) und einen repressiven Bereich (Internal Investigations) einteilen. Beide dienen der Sicherung der Einhaltung des Code of Conduct.[47] Damit unternehmensinterne Ermittlungen ihre „Publizitäts-Funktion“(„Compliance-Funktion“) erfüllen können, müssen sie effektiv und auch nach außen hin glaubwürdig sein, was die Beteiligung externer und vor allem neutraler Fachkräfte voraussetzt, die über die entsprechende Erfahrung verfügen. Nicht zwingend erforderlich ist nach hier vertretener Auffassung der Zusammenhang mit einem (drohenden) Strafverfahren. Da es (auch) um die Einhaltung von Lauterkeitsregeln geht, reicht der Anwendungsbereich von Internal Investigations darüber hinaus, wenngleich strafrechtlich relevantes Fehlverhalten – schon wegen der Nachhaltigkeit der darauf folgenden staatlichen Sanktionen – dabei einen Schwerpunkt bilden wird. Darüber hinaus genügen aber jegliche sonstigen vor allem staatlichen Verfahren etwa zur Verhängung von Unrechtsreaktionen auf der Ebene des Ordnungswidrigkeitenrechts. Daraus ergibt sich für Internal Investigations folgende Definition:
Internal Investigations sind Ermittlungsmaßnahmen, die als Bestandteil des Systems zur Sicherung der Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften sowie Lauterkeitsregeln im Fall eines (nicht notwendigerweise strafrechtlich relevanten) Regelverstoßes mindestens einer unternehmensangehörigen Person von der Unternehmensleitung oder mit deren Einverständnis vom zuständigen Mitarbeiter initiiert und unter Hinzuziehung von neutralen, externen Fachkräften durchgeführt werden, um den Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Fehlverhalten, das den Anlass für die Untersuchung bildet, umfassend aufzuklären und entsprechende Unrechtsreaktionen zu ermöglichen.
[1]
Behrens RiW 2009, 22.
[2]
Momsen ZIS 2011, 511; vgl. aber auch Grützner/Jakob S. 141.
[3]
Momsen ZIS 2011, 511; in diese Richtung auch Theile/Gatter/Wiesenack ZStW 2015, 803.
[4]
Vgl. Momsen ZIS 2011, 511.
[5]
Behrens RiW 2009, 22.
[6]
Vogt NJOZ 2009, 4206; ähnlich Lomas/Kramer Corporate Internal Investigations, 2008, S. 288 ff. („innerbetriebliche Gesetzesverstöße“).
[7]
Enger Mengel/Ullrich NZA 2006, 240.
[8]
Siehe unten Rn. 38 ff.
[9]
Vgl. bspw. Jahn StV 2009, 42 („umfassendes Mandat“); zurückhaltender wohl Theile/Gatter/Wiesenack ZStW 2015, 803 („entweder durch Unternehmen selbst oder durch mandatierte externe Ermittlungseinheiten“).
[10]
Behrens RiW 2009, 22; Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 721; Momsen ZIS 2011, 511; ferner Mengel/Ullrich NZA 2006, 240 sowie Itzen BB-Special: Compliance 2008, 15.
[11]
Siehe dazu sogleich Rn. 28 ff.
[12]
Behrens RiW 2009, 23; ähnlich Reeb Internal Investigations, S. 4, der ebenfalls den möglichen Einsatz Externer nennt, dies aber nicht als notwendiges Kriterium fordert, sondern es ausreichen lässt, wenn das Unternehmen „eigene Ressourcen“ einsetzt.
[13]
Behrens RiW 2009, 23.
[14]
Vgl. nur Deloitte Compliance im Mittelstand, 2012, S. 25, die „externe Untersuchungen“ nennen.
[15]
Momsen ZIS 2011, 511.
[16]
Reeb Internal Investigations, S. 4; ähnlich Duggin Columbia Business Law Review 2003, 864.
[17]
Siehe Behrens RiW 2009, 22; Duggin Columbia Business Law Review 2003, 864; s. auch unten Rn. 44 ff.
[18]
Reeb Internal Investigations, S. 7 ff., 19 f.; ähnlich charakterisiert auch Jahn StV 2009, 42 die Ermittlungen als „privat“; ebenso Dann/Schmidt NJW 2009, 1852; s. auch Behrens RiW 2009, 22, nach dem der Begriff „internal“ als Abgrenzung gegenüber staatlichen Untersuchungen zu verstehen ist.
[19]
Reeb Internal Investigations, S. 16, 26 f.
[20]
Jahn StV 2009, 43.
[21]
Siehe oben Rn. 11 ff.
[22]
Vgl. Rn. 16 ff.
[23]
Schneider NZG 2010, 1201, der darauf hinweist, dass bei Nichteinhaltung der Grenzen zulässiger Nachforschungen sogar ein gegenteiliger Effekt eintreten kann.
[24]
Klindt NJW 2006, 3400.
[25]
KPMG Wirtschaftskriminalität in Deutschland, Fokus Mittelstand, 2010, S. 13, 20.
[26]
KPMG Wirtschaftskriminalität in Deutschland, Fokus Mittelstand, 2010, S. 20.
[27]
Behrens RiW 2009, 22; s. auch Reeb Internal Investigations, S. 26.
[28]
In diese Richtung auch Hauschka/Moosmayer/Lösler/ Wessing § 46 Rn. 1.
[29]
Momsen ZIS 2011, 508.
[30]
Momsen ZIS 2011, 508; ähnlich Bock ZIS 2009, 68; Klindt NJW 2006, 3399; Theile StV 2011, 381.
[31]
Momsen ZIS 2011, 508.
[32]
Momsen ZIS 2011, 508.
[33]
Dazu eingehend Momsen ZIS 2011, 509 ff.
[34]
Momsen ZIS 2011, 509; ferner MAH-Strafverteidigung/ Bosbach § 55 Rn. 74.
[35]
Diller DB 2004, 313; zu den Auskunftspflichten ferner Böhm WM 2009, 1924 f.
[36]
Grützner/Jakob 2010, S. 45; Momsen ZIS 2011, 509.
[37]
Momsen ZIS 2011, 509.
[38]
Gleiches gilt für sog. Watch-Lists, die eine Zusammenstellung compliance-relevanter Informationen enthalten und ein Kontrollelement zur Chinese Wall bilden.
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