2. Kapitel Erscheinungsformen des Joint Venture
Literatur:
Hebgen Checkliste des konkreten Handlungsbedarfs bei Joint Ventures, 2002; Na Das Gemeinschaftsunternehmen im deutschen Aktienkonzernrecht, Diss. Göttingen, 1998; Vogt/Fleischer/Kalss (Hrsg.) Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2014, 2014, S. 107 ff.; Wächtershäuser Das Gesellschaftsrecht des internationalen Joint Ventures, Diss. Frankfurt am Main, 1991; Wilde Joint Ventures: Rechtliche Erwägungen für und wider die Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens, DB 2007, 269.
I. Contractual Joint Venture2 – 4
II. Equity Joint Venture5 – 70
1. Binnenstruktur des Equity Joint Venture9 – 16
2. Alternativen zum Equity Joint Venture17 – 48
3. Ausgestaltung der Zusammenarbeit49 – 70
III. Operative Joint Venture, Holdinggesellschaften und Mischformen71, 72
IV. Mehrheits-Joint Venture oder paritätisches Joint Venture73 – 76
V. Horizontale und vertikale Joint Venture77
VI. Vollfunktions- und Teilfunktions-Joint Venture78 – 81
VII. Konzentrative und kooperative Joint Venture82 – 84
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Die tatsächlichen Erscheinungsformen von Joint Venture im Wirtschaftsleben sind vielgestaltig. Sie können nach unterschiedlichsten Gesichtspunkten definiert und differenziertwerden. Als Kriterien kommen etwa der Grad der rechtlichen Selbstständigkeit, die Dauer des geplanten Vorhabens, seine operative Ausrichtung, die Ausgestaltung der Beiträge der Joint Venture Partner und die Organisationsform, die Art und das Maß der Zusammenarbeit der Joint Venture Partner und das gemeinsame Auftreten nach außen in Frage.[1]
[1]
Vgl. etwa Wächtershäuser Gesellschaftsrecht des internationalen Joint Ventures, S. 50 ff.
2› I. Contractual Joint Venture
I. Contractual Joint Venture
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Die tatsächlichen Erscheinungsformen von Unternehmenskooperationen sind sehr vielfältig, weswegen eine sinnvolle Unterteilung schwer fällt. Auch bei der Einordnung von Unternehmenskooperationen als Contractual Joint Venture besteht keine begriffliche Klarheit. Viel eher als von einem Begriff lässt sich darum – die hohe Anzahl von verschiedenen unter diesem Schlagwort verstandenen Kooperationen betrachtend (ARGE, Kreditkonsortien, PPP-Verträge, Vertriebsverträge, F&E Verträge) – von einem Typus „Contractual Joint Venture“sprechen.
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Einerseits wird in der Literatur darauf verwiesen, dass von reinen Contractual Joint Venture nur gesprochen werden kann, wenn der Kooperationsvertrag keine Außenwirkung entfaltet, d.h. in den meisten Fällen keine BGB-Außengesellschaft entsteht.[1] Folgt man dieser Abgrenzung, so würden für die Einordnung als Contractual Joint Venture lediglich Lieferantenbeziehungen sowie vertragliche Beziehungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer übrig bleiben. Andererseits wird zur Abgrenzung des Contractual Joint Venture vom Equity Joint Venture darauf abgestellt, ob über den Joint Venture Vertrag hinaus – sei dieser auch schon an sich eine BGB-Innen- oder Außengesellschaft (vgl. dazu im Einzelnen 8. Kap. Rn. 4) – eine gesonderte gesellschaftsrechtliche Einheit geschaffen wird.[2] Die Unterscheidung hat weder einen praktischen Nutzen noch führt sie zu wissenschaftlicher Erkenntnis. Sie wird letztlich nur über die inhaltliche Reichweite von Publikationen über Contractual Joint Venture auf der einen und über Equity Joint Venture auf der anderen Seite entscheiden.
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Der Begriff „Contractual Joint Venture“ legt das Verständnis nahe, dass gerade keine separate Joint Venture Gesellschaft als Trägerin gemeinsamen Vermögens der Partner gegründet wird. Deswegen wird der Begriff des Contractual Joint Venture nachfolgend weit gefasst und werden alle Formen vertraglicher Zusammenarbeit, bei denen keine Gründung einer über den Joint Venture Vertrag hinausgehenden Gesellschaft vereinbart wird, hierunter subsumiert.
[1]
Schulte/Schwindt/Kuhn/ Schulte Joint Ventures, § 1 Rn. 4 ff.
[2]
Schulte/Pohl Joint Venture Gesellschaften, Rn. 3.
2› II. Equity Joint Venture
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Die Parteien können ihre gemeinschaftlichen Interessen auch in einer gesonderten Gesellschaftzusammenführen, was den in der Praxis häufigsten Fall darstellt. Diese Vorgehensweise wird regelmäßig als sog. Equity Joint Venturebezeichnet. Auch wird der Begriff des „inkorporierten Joint Venture“[1] verwandt, um zu verdeutlichen, dass die Ziele des Joint Venture in einer eigenständigen Gesellschaft („ Joint Venture Gesellschaft“) verwirklicht werden sollen. Die Joint Venture Gesellschaft ist eine selbständige, auf den Absatz von Leistungen, die Erbringung von Dienstleistungen oder auf sonstige wirtschaftliche Ziele ausgerichtete Wirtschaftseinheit mit eigener Willensbildung. Die Joint Venture Partner werden Gesellschafter der Joint Venture Gesellschaft, geben hierdurch ihre rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit voneinander aber nicht auf. Sie sind darüber hinaus an der Leitung und Steuerung der Joint Venture Gesellschaft beteiligt.
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Ein Equity Joint Venture ist regelmäßig dann vorteilhaft und sinnvoll, wenn die Zusammenarbeit auf eine gewisse Dauer angelegt ist, die Joint Venture Gesellschaft einen eigenständigen Marktauftritt erhalten, selbständig am Rechtsverkehr teilnehmen sowie eine Haftung der Partner möglichst auf die im Joint Venture Vertrag geregelten Pflichten und insbesondere das Haftkapital der Joint Venture Gesellschaft begrenzt werden soll.
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Die Gestaltung eines Equity Joint Venture ist regelmäßig aufwändigerals die eines Contractual Joint Venture. Das gilt für die Gründung ebenso wie für das operative Management und die Beendigung des Vorhabens. Je nach Gestaltungsvariante ist entsprechender Mehraufwand für die Erstellung eigener Steuererklärungen und die Aufstellung sowie ggf. die Prüfung der Jahresabschlüsse der Joint Venture Gesellschaft sowie für das jeweilige Beteiligungsmanagement der Joint Venture Beteiligung auf Ebene der Joint Venture Partner zu betreiben.
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Üblicherweise schließen die Partner zunächst eine schuldrechtliche Grundlagenvereinbarung, die die Einzelheiten der Durchführung des Equity Joint Venture regelt (sog. Joint Venture Vertrag). Darin verpflichten sie sich regelmäßig zur Gründung der rechtlich selbstständigen Joint Venture Gesellschaft, die sie gemeinsam beherrschen.[2] Ferner enthält der Joint Venture Vertrag Regelungen zur Leitung, Steuerung und Beendigung der Joint Venture Gesellschaft. In der deutschen Wirtschaftspraxis werden Joint Venture Gesellschaften zumeist in der Rechtsform der GmbH oder der GmbH & Co. KG errichtet.[3] Vgl. zur Rechtsformwahl unten 7. Kap. Rn. 158 ff.
2› II› 1. Binnenstruktur des Equity Joint Venture
1. Binnenstruktur des Equity Joint Venture
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Das Equity Joint Venture zeichnet sich durch eine zweistufige Strukturaus. Die erste Stufebildet der schuldrechtliche Joint Venture Vertrag, in dem sich die Partner zur Durchführung der gemeinsamen Unternehmung verpflichten. Dieser Vertrag wird aufgrund der gemeinsamen Zwecksetzung regelmäßig eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.S.d. § 705 BGB darstellen (Innengesellschaft, vgl. hierzu näher 7. Kap. Rn. 122). Allerdings werden die Parteien stets spezifische Regelungen etwa zur Kündigung vereinbaren, so dass mit dieser gesellschaftsrechtlichen Einordnung des Joint Venture Vertrags keine wesentlichen rechtlichen Konsequenzen verbunden sind.[4] Daneben sind die Joint Venture Partner auch Gesellschafter der zur Umsetzung dieses Zwecks gegründeten Joint Venture Gesellschaft, die die zweite Stufedes Gemeinschaftsprojekts bildet.[5] In besonderen Konstellationen kann Partei des Joint Venture Vertrages auch ein Dritter sein, etwa die Konzernmutter derjenigen Gesellschaft, die später Partner der Joint Venture Gesellschaft werden soll.
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