Es ist acht Uhr, als Ella allein durch die Straßen von Stockholm geht. Überall sieht sie fröhliche Menschengruppen, die das Wochenende in Bars und Draußencafés einläuten. Es ist noch hell und ziemlich warm – die Stadt saugt die Sonnenwärme auf und gibt sie fast doppelt zurück.
Sie fühlt sich so einsam, so klein, als sie an diesem Freitagabend herumgeht. Neulich hat sie sich eine Wohnung angesehen, es sah richtig gut für sie aus – sie hätte sie beinah bekommen. Aber als der Vermieter erfuhr, dass sie noch keinen richtigen Job hat, ließ er sie den Vertrag nicht unterschreiben. Sie hatte ihm hoch und heilig versprochen, dass sie eine Möglichkeit hatte, an Geld zu kommen, dass sie Geld hätte. Er hatte sie angeekelt angesehen und nichts gesagt, aber Ella konnte genau sehen, was er dachte. Sie ist eine Nutte.
Nein, denk jetzt nicht daran. Ella schüttelt den Kopf. Es ist Freitagabend, ihr erstes – und letztes – Wochenende in Stockholm. Am Montag wird sie aufgeben und nach Hause fahren. Aber jetzt, heute Abend, ist sie noch frei. Sie biegt in die nächstbeste Kneipe ab und setzt sich an die Bar.
„Einen Gin Tonic, bitte.“ Der Barmann nickt lächelnd und serviert ihr in Windeseile den Drink in einem hohen Glas. Sie will gerade bezahlen, als ein Mann seine EC-Karte herüberreicht und sagt: „Lass mich das …“ Ellas und seine Blicke kreuzen sich, sie lächelt dankbar und bemerkt seine dunklen Augen. Seine vollen Lippen sind zu einem Lächeln verzogen und unter dem Hemd sieht man die Bewegung der Muskeln, als er seinen Barhocker neben ihren schiebt und sich hinsetzt. Schweigend sitzen sie zusammen. Sie nippt nervös an ihrem Drink, im vollen Bewusstsein, dass der Mann sie anstarrt.
„Trinkst du nichts?“, fragt sie nach einer Weile. Die Eiswürfel klingen im Glas. Ella läuft ein Schauer vom Nacken zur Lende herunter, als er beim Lächeln die Zähne entblößt. „Nee, mir reicht das so“, antwortet er heiser. Der Schauer breitet sich weiter aus. Sie spürt, wie ihr ganzer Unterleib warm wird, wie ihr Magen sich zusammenzieht. Es ist lange her, dass sie mit einem Mann geschlafen hat – oder jedenfalls mit einem so gutaussehenden Mann. Sie beißt sich auf die Unterlippe und nickt still. Sie ist überzeugt, dass er diese elektrische Spannung auch spürt. Er will sie genauso haben, wie sie ihn.
Sie nimmt einen großen Schluck vom Drink und schluckt die kalte Flüssigkeit schnell herunter. Das halbvolle Glas bleibt auf dem Tresen stehen, als sie aufsteht. Mit der Hand auf seiner Schulter beugt sie sich kaum merkbar zu ihm und flüstert „Ich muss auf die Toilette“ in sein Ohr. Ihre Haare umschmeicheln sein unrasiertes Kinn.
Die Toilettentür lässt sie unabgeschlossen, sie lehnt sich gegen die gekachelte Wand und zählt leise vor sich hin: eins. Hat er den Wink verstanden? Zwei. Was ist, wenn jemand anders die Tür aufmacht? Drei. Vielleicht habe ich das alles fehlinterpretiert. Vielleicht wollte er nur nett sein. Vier. Ich fahre lieber morgen schon nach Hause. Ella stellt sich wieder richtig hin und will gerade die Türklinke herunterdrücken, als die Tür sich öffnet. Ein Keuchen entfährt ihrem Mund, wird aber sofort von ihm erstickt. Seine Lippen auf ihren und seine Hände um ihre Taille. Die Kraft seines Körpers an ihrem lässt sie ein paar Schritte rückwärts gehen. Sie stößt mit dem Rücken an das Waschbecken und ihre Körper drücken sich aneinander. Sein harter Brustkorb an ihrer zarten Brust und sein steifer Schwanz an ihren weichen Schenkeln. Das Gefühl bringt sie dazu, ihm in den Mund zu seufzen, sie spürt, wie es sie zwischen den Beinen prickelt – wie das Blut in ihre Muschi fließt und sich dort warm und brodelnd sammelt.
Als wäre Ella federleicht, hebt der Mann sie hoch und setzt sie auf das große Waschbecken. Mit den Händen auf den Innenseiten ihrer Schenkel spreizt er ihre Beine und kommt näher, küsst sie intensiver, während seine Hände nach oben gleiten. Sie ist bereits triefend nass. Als seine Finger ihr Höschen erreichen und er ebenfalls die Nässe spürt, hört sie ihn gedämpft stöhnen. Schnell schiebt er das Höschen zur Seite. Ihre Blicke treffen sich und Ella nickt leicht. Er öffnet seinen Gürtel und den Hosenstall und lässt seine Hose samt Boxershorts zu Boden fallen. Die Eichel glänzt im fluoreszierenden Licht der Leuchtröhre.
Ella verschränkt hinter ihm die Beine und drückt ihn näher an sich. So nah, dass sie spürt, wie seine Eichelspitze ihre willige Öffnung berührt. Sie braucht ihre ganze Selbstdisziplin, aber sie sitzt unbeweglich da, mit seinem Schwanz an sie gedrückt, und wartet, dass er reinkommt. Sie will ihn tief in sich haben. Will seine Härte gegen ihr nasses Weiches spüren. Die Augen des Mannes werden dunkler und etwas Wildes und Animalisches kommt über ihn. Sie spürt, wie er mit seinen starken Händen ihre Taille umfasst. Mit geschlossenen Augen nimmt sie ihn auf. Spürt, wie er langsam in sie hineingleitet. Beide atmen aus, als er ganz drin ist. Da öffnet sie ihre Augen und erhascht seinen Blick. Er sieht aus wie im siebten Himmel – sie lächelt.
Hinterher springt sie vom kühlen Waschbecken und zieht ihr Höschen hoch. Sie atmet aus und merkt, wie das warme Sperma ihren Körper verlässt. Der Mann, dessen Namen sie nicht erfragt hat, knöpft seine Hose zu und schließt seinen Gürtel. Im Nachhinein fühlt es sich total irre an. Was hat sie sich nur gedacht? Jemand hätte sie sehen können – hören können. Ihre Blicke treffen sich und er sieht nicht mehr so selbstsicher aus, er lächelt sie nervös an und plötzlich fragt sie sich, wieso sie überhaupt so geil auf ihn war. Und da sieht sie ihn. Den Ring.
„Was ist das denn?“ Sie zeigt auf seinen linken Ringfinger. Er folgt ihrem Blick und sieht auf seinen Ring. Das Lächeln verschwindet.
„Ach, nichts“, antwortet er. Ella sieht, wie er mit dem Gürtel rumhantiert, ihn schnell schließt. Und dann geht er und lässt sie einsam auf dem Klo zurück. Wieso hatte sie den Ring nicht früher gesehen?
Ella spürt die Tränen hochsteigen. Sie eilt aus der schmuddeligen Toilette, aus der Kneipe hinaus und geht planlos durch die Straßen von Stockholm. Es hat angefangen zu dämmern und es ist kühler geworden. Was ein schöner, heißer Moment zwischen zwei vollkommen Fremden hätte sein können, war nun etwas Schmutziges und Falsches. Ella hatte sich geschworen, nie die andere Frau zu sein und heute Abend hatte sie diesen Schwur gebrochen. Sie war arbeitslos, wohnungslos und jetzt auch noch rückgratlos. Wie konnte sie nur? Wie konnte er nur?
Ihre Füße führen sie zu Straßen und Plätzen, von denen sie noch nie gehört hat. Sie bewegt sich aus dem Zentrum und landet in den Außenbezirken der Stadt, wo das meiste schon geschlossen hat. Ihr Magen knurrt sauer. Ella flucht. Wo ist der McDonald’s, wenn man ihn braucht?
Etwas weiter die Straße runter blinkt ein Neonschild mit dem Wort Coffee . Sie beschleunigt ihre Schritte und geht dorthin. Ein Nachtcafé. Es liegt in einem Keller und scheint offen zu sein, denn durch die Milchglasfenster scheint es schwach hindurch. Sie trocknet ihre Augen mit dem Handrücken und geht die Steintreppe hinunter ins Café.
Was sie entdeckt, ist ganz anders als das, was sie erwartet hat. In ihrem Innern – hungrig, wie sie ist – hatte sie Kuchen und süße Stückchen gesehen, Baguettes und Kaffee. Stattdessen trifft sie auf eine starkgeschminkte Frau hinter einem Computerbildschirm. Als Ella eintritt, sieht die Frau sie an.
„Hast du einen Tisch reserviert?“, fragt sie und Ella sieht sich verwundert in dem leeren Kellerraum um. Da sind keine Tische. Sie muss Ellas verwirrten Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn plötzlich grinst sie breit. „Oh, ich verstehe“, lacht sie, „Das hier ist kein Café, gute Frau. Aber wenn du Kaffee und ein bisschen Unterhaltung willst, kannst du dem Flur nach links folgen und durch den weinroten Vorhang gehen. Kannst du nicht verfehlen.“
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